Auf "offener Straße"

Hi.

Worüber ich immer wieder bei Nachrichten stolpere ist die Verwendung von „auf offener Straße“.
Z. B. „Der Mann wurde auf offener Straße erschossen.“
Ich selbst verwende diesen ‚feststehenden Ausdruck‘ nicht, weil er mir (inhaltlich) unsinnig vorkommt.
Gibt es dann auch „geschlossene Straßen“, „nicht offene Straßen“…?
Mein erster Gedanke war, es müsste eigentlich nicht ‚offen‘, sondern ‚öffentlich‘ heißen.
Doch auch das ergibt nicht wirklich Sinn, da ja wohl 99% der Straßen öffentlich sind.

Man schreibt ja auch nicht „Er schrieb den Artikel im offenen Internet.“ Oder „Der Überfall ereignete sich auf offenem Parkplatz.“
Meistens wird dieser Ausdruck in einer negativen Konnotation gebraucht, und immer in Kombination mit „Straße“, nicht jedoch mit etwas anderem, wie „Gasse“, „Weg“ „Platz“ oder „Marktplatz“. Anscheinend kann nur die Straße „offen“ sein, einen „offenen Weg“ gibt es nicht…
Selten hört man so etwas wie „Das Paar hat sich auf offener Straße geküsst.“
(Es sei denn, das Küssen wäre da verboten.)

Weiß jemand mehr darüber, warum diese seltsame Wortwahl noch Verwendung findet?
Anstelle von „Der Mann wurde auf offener Straße erschossen.“ könnte man genauso „Der Mann wurde auf der Straße erschossen.“, ohne damit etwas anderes auszusagen.

Danke
M.

https://de.wiktionary.org/wiki/auf_offener_Straße

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Geschlossene Straßen gibt es genauso wenig wie geschlossenes Feld und dennoch gibt es auch die Redewendung „auf offenem Feld“. Die Bedeutung hast Du ja inzwischen nachlesen können. Mit der Formulierung „auf offener Straße erschossen“ will man regelmäßig auch Emotionen auslösen - also dergestalt, dass es sich um eine besonders schändliche, ruchlose bzw. dreiste Tat handelte, bei dem Täter sogar egal war, ob man ihn beobachtete.

Servus,

  • offen gestanden: offen = gänzlich unverblümt
  • offener Affront: offen = für jeden wahrnehmbar, nicht verschleiert
  • offene Verleumdung: offen = unmittelbar, direkt

Auf offener Straße geschieht also etwas, was für jeden sichtbar, nicht versteckt, am hellichten Tag auf der Straße geschieht.

enthält auch alle möglichen Formen einer verdeckten, verschleierten oder getarnten Erschießung.

Schöne Grüße

MM

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Vielen Dank.

Aber warum gibt es dann nicht so etwas wie „Der Mann wurde auf offenem Markplatz erschossen.“, „Die Geiselnahme wurde auf offener Autobahn beendet.“ …?

Es hindert sich niemand das zu sagen :woman_shrugging:

Das ist das Ding mit Redewendungen. Sie haben eine feste Bedeutung und werden nicht, wie alles andere was man so sagt, spontan zusammengebaut. Wir nennen Adlige „blaublütig“, obwohl sie genauso rotes Blut haben wie gewöhnliche Menschen. Und der Gegensatz zu blaublütig ist eben nicht rotblütig. Man versteckt sich in einem Hinterhalt, um jemanden zu erschrecken . das kann auch neben einem Gebäude sein, und man steht oder liegt und wird nicht gehalten. Wünschst du jedem, den du grüßt, wirklich einen guten Morgen oder guten Tag? Und Auf Wiedersehen! heißt es doch auch, wenn man sich nicht wiedersehen wird, oder will: beim Arzt zum Beispiel, den sieht man ja in der Regel, wenn man krank ist

Und die Straße ist genauso Teil der festen Redewendung wie offen, Wiedersehen, guten, …

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Benachbart zum offen gibt es (mir scheint, eher im Oberdeutschen verbreitet) das freier und ohne Bindung an einen ganz bestimmten Zusammenhang einsetzbare mitten:

Die Geiselnahme wurde mitten auf der Autobahn beendet

bezeichnet keinen bestimmten Punkt auf der Autobahn, sondern hat eine ganz ähnliche Bedeutung (wenn nicht die gleiche) wie „auf offener Straße“. Die geometrische Mitte ist auch nicht gemeint, wenn einer schreibt „Als ich heute zum Rasieren ansetzte, wurde ich gewahr, dass über Nacht mitten auf meiner Stirn ein leuchtender Pickel erblüht war“ oder „Die sanfte Wärme aus dem Lüfter genügte schon dafür, dass meine Katze Jenny ihren ausgedehnten Schönheitsschlaf bevorzugt mitten auf meinem Schreibtisch hielt“. Oder auch da, wo sich genau genommen gar keine Mitte bestimmen lässt: „Mitten zwischen einer rätselhaften Sammlung von Auszügen zu einem längst zugeteilten Bausparvertrag, Lohnsteuerkarten in dünnem Karton mit amtlichen Pastellfarben aus dem zwanzigsten Jahrhundert und einigen Netzkarten für den öffentlichen Personenverkehr in verschiedenen europäischen Großstädten fand sich dann der Führerschein glücklich doch noch wieder.“

Schöne Grüße

MM

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… kein Wunder, dass Nicht-Muttersprachler deutsche Kettensätze und Wortungetüme hassen.

Mark Twain hat sie geliebt! Ich schätze, er hat beim Verfassen von „The awful German language“ ständig vor sich hin gekichert…

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Das erklärt, wieso man den Hund nicht vor dem Abend mit dem Bade ausschütten soll.

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… und dem Zufall die Krone nicht mitten ins Gesicht schlägt

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Ja seufz, Jeder ist seines Meisters Schmied …
Fürwahr

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Allerdings! Das haut dem Fass den Nagel auf den Kopf!
Machen wir also lieber eine böse Miene zum guten Spiel, sonst kommen wir nie auf einen gemeinsamen Zweig; denn wer zuerst kommt fängt den Wurm.
Schwamm beiseite.

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Das bricht keinen Zacken übers Knie😁

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Der frühe Vogel fängt den Fisch :woman_shrugging:

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Und das Leben ist fürwahr kein Ponyschlecken.

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Ganz genau! Denn der Spatz in der Grube macht noch keinen Sommer!

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