Hallo Stefan
Dein Artikel ist interessant und lesenswert, ich möchte Dir dafür danken.
Gegenfragen aber habe ich allemal.
Wenn etwas von Menschen Gemachtes dazu da ist, andere Menschen auf ihre Schwierigkeiten, Beziehungen oder ihr Schicksal aufmerksam zu machen, was ist dann anderes als eine Art Sprache vor sich gegangen?
Worin liegt aber der Dienst dieser Sprache; denkt der Astrologe, dass seine Inhalte kaum stimmen können, und arbeitet er trotzdem auf sie hin und glaubt an sie, nur damit seine ihm anvertrauten Leute ihre eigenen Schwierigkeiten selber besser lösen?
Oder ist ein weiterer (anderer) Glaube der Hintergrund?
Gewiss, es wird solche und andere Astrologen geben. Aber immer scheint mir die Astrologie in eine Art pädagogische Methode hinüberzurücken, mithin in eine eigene, verschleiernde Ausdrucksweise zur Verbesserung der Selbsterkenntnis von Mitmenschen, oder dann aber auch wieder in einen Glauben, der sich in einer ihm eigenen Sprache ausdrückt, wiederum mit eigener, verschleiernder Ausdrucksweise.
In keinem von beiden Fällen will ich deswegen schon die Astrologie verurteilen. Wenn sie nur Methode ist, Spiel sozusagen, dann sei sie als das gekennzeichnet. Wenn sie aber Glaube ist, so sei dieser Glaube wiederum als das gekennzeichnet. Schlussendlich wäre dann nach der Aufgabe dieses Glaubens zu fragen, was bewirkt er, was sind seine Wege und sein Ziel usw.
„Keinen Inhalt“ hat die Astrologie Deiner Meinung nach als Wissenschaft. Du hast natürlich richtig bemerkt, wenn wir sie nicht als Wissenschaft auffassen, dann hat sie auf jeden Fall Inhalt. Aber es geht mir eben um die Diskussion über sie als „Parawissenschaft“.
Dass astrologische Voraussagen durch Statistiken nicht belegt werden können, mag sein, aber was ist mit astrologischen Analysen, die (auch) die Vergangenheit und Gegenwart betreffen?
Metastatistiken (wenn ich Dich richtig verstehe, sollen das Statistiken über Statistiken sein) über solche Analysen sind wohl höchstens wenige gemacht worden, aber sie würden mich interessieren: Beispielsweise gäben sie Möglichkeiten zu Rückschlüssen über die Aufgaben der Astrologie in der Gesellschaft.
„Astrologische Vorstellungen behaupten, astronomisch bestimmbare Ereignisse hätten einen unmittelbaren und voraussagbaren Einfluss auf irdische Ereignisse und eventuell auch umgekehrt.“ Das behaupten zunächst einmal auch andere Vorstellungen.
Jede Flut und Ebbe gilt als vom Himmel verursacht (wegen einem Wechselspiel Sonne-Mond); wir können noch einleuchtendere Beispiele finden: Jeder Sonnenaufgang und jeder Sonnenuntergang hat merkliche Veränderungen auf der Erde zur Folge; auch der Vollmond hat nachweislich ganz andere Folgen als der Neumond.
Nein nein, die „astrologischen Vorstellungen“ behaupten noch viel mehr. Sie geben die Meinung wieder, ein Ereignis zwischen Planeten oder Sternen habe Einflüsse auf unsere Prägung. Wohlverstanden, ich schreibe nicht auf unsere Zukunft, auf unsere Prägung.
„„Schicksal“ gibt es nach den Befunden der Quantenmechanik nicht.“ Ich bin hier geneigt, Dir zu glauben, da ich Dich für glaubhaft halte. Aber was verstehen die Leute Deiner Meinung nach denn unter Schicksal?
Ob die Gravitation einen Einfluss auf die Menschen hat, ist im übrigen sicher eine erlaubte Frage. Könnte es hier einen vernünftigen Gegenbeweis geben? Ich wäre dafür recht dankbar, will es mir doch scheinen, dass ein so weit entfernter Gegenstand wie ein Sternbild viel viel weniger Einfluss auf mich hat als der in der Nähe befindliche Mond, und zwar so viel weniger, dass ich mich über die astrologischen Aussagen sehr wundere, die den Zusammenhang zwischen beiden als bestimmend für meine Prägung erachten, die Konstellation, in der sie sich befanden, als ein bestimmtes wichtiges Ereignis mein Leben bestimmte (wie z. B. die Geburt), und also unter Berücksichtigung von weit entfernten Gestirnen.
Es darf meines Erachtens durchaus induktiv auf astrologische Ereignisse geschlossen werden, solange der Gegenbeweis nicht erbracht ist. Und eben nach diesem Gegenbeweis suche ich, um mir über das Ganze ein vernünftiges Bild zu machen.
„Eigenschaftswörter kennzeichnen das, für was sie stehen, einschliesslich der Konnotationen der Wörter.“
Die Frage ist, ob ich dann, wenn ein Astrologe mir sagt, ich neige zu „edel und grosszügig, aufbrausend und herrschsüchtig, forschend-prüfend oder gläubig-dienend, wissen oder wollen, durch Besitz diszipliniert oder durch Begehren glücklich oder unglücklich… usw.“, das nach allgemeinem Verständnis dieser Begriffe für bare Münze nehmen soll und entsprechend den Astrologen auffressen darf, wenn er mir Falsches erzählt hat, oder ob ich diese Wörter als Metaphern, Sinnbilder, Denkanstösse oder Ähnliches zu nehmen habe, und ob es darüber in der gesamten Astrologie gewisse allgemeingültige Satzungen gibt, die das eine oder andere Wort auf seinen Hintergrund hinbinden.
Man denke an einen Mars im Löwen oder Jupiter oder Neptun im Skorpion, die dann von einem Astrologen mit bestimmten Wörtern wie „durchsetzungsfähig“ oder „gönnerhaft im Besitzen und Begehren und selbsttäuschend“ belegt werden, und vergleiche sodann mit einem Mond im Widder, wiederum „durchsetzungsfähig“ oder einem Saturn im Stier, wiederum „selbsttäuschend“, und frage sich dann, ob in beiden Fällen das betreffende Eigenschaftswort richtig angewandt wurde. Beim letzten Beispiel „Saturn im Stier=selbsttäuschend“ dürfte das übrigens für die meisten Astrologen zu weit hergeholt sein und nur stimmen, wenn weitere Zusammenhänge der Gesamtschau berücksichtigt würden.
„Gesamtschau“ aber heisst auf griechisch „Horoskop“. Nun hat die Wissenschaft sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Frage intensiv beschäftigt, was denn der Beobachter, der etwas untersucht, selber für einen Einfluss auf seine Ergebnisse hat. In der Astrologie spielt genau das nach Aussage einiger Astrologen eine Rolle: In was für einer Begegnung wird das Horoskop übehaupt gestellt? Und so ist nämlich wirklich eine Gesamtschau begonnen.
Wenn nun aber der Astrologe sich gegenüber jemandem, den er berät, gekonnt auszudrücken hat, um diesem Menschen durch die Beziehung zum beratenden Menschen, in seiner Selbsterkenntnis oder in seiner sonstigen Erkenntnis irgendwie weiterzuhelfen, stellt sich unmittelbar die Frage, ob Astrologie eine Sprache sei. Und was drückt sie aus?
Soviel zur Verdeutlichung meiner Fragen.
Gruss
Mike