Servus,
hierzu
Ich schätze, dass bspw. die Franzosen sowohl das Eine, als
auch das Andere tun.
allerdings die Einschränkung: In der Tendenz mag das richtig sein, aber generalisieren darf man auch dieses nicht.
z.B. mal anhören von Maxime le Forestier „Je m’en fous de la France“ - der kriegte sogar eine Aussage, die in Deutschland dumpfblöd dahergerumpelt kommt „Nie wieder Deutschland“ in ein kleines, charmantes Chanson rein - französisch halt…
Oder auch die auf ihre Art ganz witzige Verteidigung eines französischen Rap-Helden, der wegen sowas wie Beleidigung des Innenministers durch einen seiner Texte vor Gericht stand, und zu seiner Entlastung vorbrachte, er sei von früher Jugend an ständig mit einem Liedtext traktiert worden, der in blutrünstiger Weise Gewalt verherrlicht - gemeint ist die Marseillaise.
Abgesehen von zivilreligiösen Ritualen, die ein wenig dinohaft wirken und vielleicht eher was über die durchschnittliche Intelligenz eines Mittelstürmers aussagen können als über Nationalgefühl (was immer das auch sein mag - naturgegeben ists jedenfalls nicht) hast Du aber wohl recht: Selbst der wütendste dauerpubertierende Anarchisterich wird oft genug das Argument „C’est pas francais“ als ein definitives, schlagendes akzeptieren.
Aber nochmal zur deutschen Hymne: Ich frage mich grade, wie viele Deutschen zu der arg missbrauchten und daher nicht mehr so oft gehörten ersten Strophe eine im Sinn des Autors zutreffende Interpretation geben könnten? Und wer von der neuen deutschen Generation Piranha sich mit den in der jetzt zur ersten ernannten angesprochenen republikanischen Idealen (jaja, auch Solidarität ist dabei) auch nur ein wenig identifizieren wollte?
Wir ham mit unsrer Hymne einfach nicht so viel zu tun, und ich wage drauf zu beharren: Wir haben keinen Anlass dazu, und da wird auch kein wie auch immer geartetes Gefühl wachsen können. Dafür ist im Jahrhundert der Nationen 1800-1900 zu viel irreparabel verpasst worden. Ich stelle mir grade eine Szene vor, wie ein Wasweißichmanager der Generation, die für die künftige Entwicklung irgendwelcher nationalen Identitätsgefühle zuständig ist, mit etwas von Theodor Heuss oder von Ludwig Erhard oder meinetwegen auch Thomas Mann konfrontiert wird, darauf das Gesicht verzieht, als habe er Blinddarmprobleme, und jault „Auuuh, das hat Längng-en! Das kauft uns keiner ab so! Könn’ wer den Plot nicht nochmal bisschen prägnan-ter haben?“
Kurzer Sinn:
Zum einfach Wegwerfen ist die Fahne zu schade, aber das alte Ding, das nicht bloß 1848/49, 1918/19 und in gewissem Sinn auch 1948/49 immer bloß über den Feldern verlorener Schlachten (ich meine nicht die Kriege!) wehte, jetzt hochpäppeln wollen wirkt ziemlich kitschig, finde ich.
Da passt der Text vom Rütlischwur eigentlich besser, aber den haben schon die Nachbarsleute gepachtet.
Schöne Grüße
MM