Auge in Auge schafft Distanz

Werte Leserinnen und Leser dieses Artikels,

in Beziehungsfragen bin ich der Gewinner des August - Strindberg - Preises ( das stammt aus einem W. Allen Film ); ich sitze hier allein in einem viel zu grossen Haus und beschäftige mich mit folgender Frage:

" Ist Liebe ein Missverständnis ? "

Beste Grüsse,

doc.claude

Liebe und so weiter
Hi claude.

" Ist Liebe ein Missverständnis ? "

Nur, wenn man diesen schillernden Begriff als das nimmt, als das er medial vermittelt wird, also im Sinn der romantischen Liebe zwischen zwei Menschen. Und darauf, denke ich, beschränkst du diesen Begriff. Liebe zur Kunst o.ä. scheint nicht dein Thema zu sein.

Als Diskussionsgrundlage finde ich eine Wiki-Passage ganz nett, die den Platonischen Liebesbegriff beschreibt:

"Die abendländische Auffassung von Liebe wird von der Dreiteilung Platons geprägt, die in der antiken Philosophie später ausgebaut wurde. Sie basiert auf den folgenden Konzepten:

Éros – bezeichnet die sinnlich-erotische Liebe, das Begehren des geliebten Objekts, den Wunsch nach Geliebt-Werden, die Leidenschaft;

Philía – bezeichnet die Freundesliebe, Liebe auf Gegenseitigkeit, die gegenseitige Anerkennung und das gegenseitige Verstehen;

Agápe – bezeichnet die selbstlose und fördernde Liebe, auch die Nächsten- und „Feindesliebe“, die das Wohl des Anderen im Blick hat."

Zitat Ende.

Das romantische Modell der zwischenmenschlichen Liebe impliziert auch das Besitzergreifen des geliebten Objekts. Genau das macht die Sache zum Problem.

Meist ist es so, dass vordergründig von Liebe gesprochen wird und das Besitzergreifenwollen das wahre Motiv ist. Verliebtheit ist also Besitzergreifenwollen. Weiterhin ist die Verliebtheit eine Idealisierung des Objekts, das diesem Anspruch natürlich nicht gerecht werden kann. In der Regel unterliegt die Idealisierung ästhetisch-erotischen Kriterien, seltener charakterlichen Kriterien, wobei letzteres in der Beziehung F zu M häufig gilt als umgekehrt.

Abschließend noch Schopenhauers Gleichnis über die Igel: wenn es kalt ist, rücken sie zusammen. Da sie sich aber gegenseitig mit ihren Stacheln pieksen, rücken sie auseinander. Leider wird´s dann wieder kalt, und sie rücken zusammen usw.

Gruß

Horst

Guten Tag Horst,

Dein Artikel liest sich sehr gut. Besten Dank.
Die Aussage über " das romantische Modell . . . " muss ich erst einmal verdauen.

Alles Gute,

Claude

Erkenntnis vs. Liebe
Hi Claude.

Die Aussage über " das romantische Modell . . . " muss ich
erst einmal verdauen.

Dann wünsche ich Bon Appétit. Verliebtheit ist das zweitwichtigste auf der Welt. Erkenntnis aber das wichtigste. Ausgerechnet die beiden ersten Positionen liegen also in diametralen Gegensatz :smile:

Gruß

Horst

Guten Abend Horst,

Ich glaube, dass unsere Vorstellungen einen Mantel der Illusionen über die Person deckt, die man glaubt zu lieben. Ähnlich wie bei Dir als Künstler, bestrebt, das reine Kunstwerk zu schaffen, das kein Verhältnis zu einer Welt ausserhalb des Werks hat.
Ist man in der „Liebe“ und in der Kunst nicht immer ganz allein ?

Gruss,

Claude

Symbol und Transzendenz
Hi Claude.

Ich glaube, dass unsere Vorstellungen einen Mantel der
Illusionen über die Person deckt, die man glaubt zu lieben.

Ich argumentiere oft und gerne mit der Philosophie des Vedanta, also mit Begriffen wie Brahman, Atman, Maya. Maya ist die Wahrnehmungsweise des Egos, dessen unbewusster Kern Atman ist, der mit Brahman, dem Weltgeist, identisch ist.

Wir leben also, folgt man dieser Philosophie, als Egos ständig in einer Welt der Illusionen. In einem erkenntnistheoretischen Sinn sagte das auch Kant, wenn er vom Ding-an-sich sprach, das für das Ich unerkennbar sei, da dieses die Welt nur durch die Brille vorstrukturierender Kategorien wahrnehmen kann.

Ähnlich wie bei Dir als Künstler, bestrebt, das reine
Kunstwerk zu schaffen, das kein Verhältnis zu einer Welt
ausserhalb des Werks hat.

Kunst ist ein komplexes Phänomen, das von Dada über sozialkritisch und missionarisch bis l´art-pour-l´art reicht.

Ich gehöre zum romantischen Künstlertyp, der der Kunst eine Mission zuspricht. Sie soll das Über-Irdische, Über-Sinnliche, Transzendente vermittels einer gegenständlichen oder abstrakten Symbolik widerspiegeln. Sie soll unbewusste Bereiche im Menschen ansprechen und zum Schwingen bringen, gleich ob als schwelgende Symphonie, farbenprächtiges Gemälde, hämmernder Techno-Track oder adrenalingeladenes Actionspektakel à la Transformers.

Der Bezug zum Thema Verliebtheit ist klar:

Das Objekt der Begierde ist - im klassischen Fall der schönen Prinzessin/des schönen Prinzen - eine Art Kunstwerk der „Natur“ (ich fasse diesen Begriff sehr weit). Das Objekt ist also, nicht anders als ein Kunstwerk, Symbol des Über-Irdischen, Transzendenten. Im Vedanta entspricht dem Über-Irdischen der Bereich des „Feinstofflichen“, zu dem auch unsere Träume (die während des Schlafs, meine ich) gehören.

Das von dir angesprochene Problem entsteht dadurch, dass das Objekt, also das Symbol, mit dem, wofür es als Symbol steht, verwechselt wird. Das Objekt ist immer unvollkommen und widersprüchlich, ganz im Gegensatz zur Vollkommenheit des Transzendenten, für die es Symbol ist.

Gruß

Horst

Ist man in der „Liebe“ und in der Kunst nicht immer ganz
allein ?

Gruss,

Claude

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Guten Tag Horst,

vielen Dank für diesen interessanten Artikel und dafür, das ich an Deinem ästhetischen Wissen teilhaben darf.

Beste Grüsse,

Claude