Nicht jedem aus dem Nest gefallenen Vogel kann man auf die gleiche Art helfen - wenn denn Hilfe nötig ist. Wie kann man das erkennen, und welche Hilfe ist angemessen?
Immer wieder schlagen hier anfragen auf wie die Folgende:
Kleine Meise
Donnerstag abend fand ich 2 kleine Meisen auf unserem Balkon. Sie kamen wohl aus dem Nest, das sich hoch oben am Hausgiebel (unerreichbar) befindet. Ich habe sie zunächst dort belassen, in der Hoffnung, dass der Altvogel sie findet und füttert. Gepiept haben sie vernehmlich.
Am nächsten Morgen war eine Meise tot. Die andere habe ich mit ganz klein gestampften Jungvogel- Futterbrei mit Wasser vermengt gefüttert. Ein Voglespezi in einer Aufzuchtstation (für Eulen) hat mir geraten, auch etwas Tartar mit einer Spritze zu verfüttern. Die ersten Tage machte sie gute Fortschritte und hat sich sehr erholt. Seit gestern mittag frißt sie kaum noch und wird immer schwächer.
Gibt es noch einen Tip wie ich sie retten kann?
Ich halte sie in einem mit neutralen Tempo- Tüchern ausgepolstertem Schuhkarton. Stundenweise schalte ich eine Infrarot- Lampe an. Wasser nimmt sie aus einer Pipette meistens auf.
Hallo,
leider hast du einiges falsch gemacht. Kannst du aber nicht wissen, wenn du keine Erfahrung hast. Der Tipp mit dem Tartar ist so ziemlich der ungeeignetste gewesen, den ich mir denken kann. Ich will dem Menschen, der ihn gegeben hat, keinen Vorwurf machen, er zieht Eulen (Fleischfresser) hoch und da mag das alles gut und richtig sein. Meisen sind zwar auch Fleischfresser, aber sie ernähren ihre Brut mit Insekten und Insektenlarven.
Das nächste Mal besorgst du dir im Zoofachhandel Mehlwürmer. Auf 50 g (das ist oft die Abgabemenge pro Portion) gibst du in einer geeignet große Schale (Randhöhe 5 cm oder mehr, die Biester können klettern) 3-4 EL Haferflochen dazu. Schichthöhe Würmer&Haferflocken ungefähr 1-2 cm. Dann noch ein oder zwei Eierkartonstücke und du hast eine ganz feine Mehlwurmstation. Futtertiere sollten gut gepflegt werden, denn davon leben die anderen schließlich.
Mit diesen gut genährten Mehlwürmern fütterst du die Jungtiere, am besten mit einer Pinzette. Gesunde Tierchen sollten auf Berührrung/Erschütterung wie blöd losbetteln. Je kleiner diese sind, desto kleiner dürfen die Würmer sein. Wenn möglich, verfüttere bei kleinen Jungvögeln die weißen, frisch gehäuteten. Hast du nur ungehäutete und/oder größere Würmer, dann quetsche ihnen den Kopf mit der Pinzette platt (da musst du durch). Damit sie den Jungvögeln nicht dauernd aus dem Schnabel rennen. Wenn die Vögelchen größer werden, kommen sie auch mit den größeren Würmern zurecht, aber den ganz kleinen, hilflosen und nackten muss man ein wenig helfen.
Alternativ und dazu gefüttert ist verdeckelte Bienenbrut geeignet. Die bekommt man eventuell bei einem Imker mit Wabe (zur Zeit wird Drohnenbrut gerne abgegeben). Man zieht die Maden/Puppen aus der Wabe und verfüttert sie. Keine Sorge, auch wenn die Made wirkt als könnte sie niemals in einen Jungvogel passen: es klappt schon.
Wir rühren dazu auch noch aus Aufzuchtfutter (Eifutter) einen halbfesten Brei an. Grad so fest, dass man kleine Kügelchen formen kann, aber auch nicht zu trocken. Das wird abwechselnd mit den Würmern gegeben.
Diese Kost ist für so gut wie alle Jungvögel (Amseln, Meisen, diverse Insektenfresser, Spatzen, Finken…) geeignet, solange sie noch Nestlinge sind.
Den Unkenrufern sei gesagt: Man kann Jungvögel erfolgreich großziehen und auswildern! Nicht jeder Jungvogel, der aus dem Nest fliegt, ist krank. Manchmal fallen sie Nesträubern zum Opfer, oder sie wurden bei Wind aus dem Baumnest geschüttelt. Oder man bemerkt, dass die Elternvögel von der Katzgefressen wurden… Richtig aber ist, dass man einige Erfahrung braucht. Als Neuling in der Jungvogelaufzucht ist es schwierig, da wäre es schön, man hätte einen Mentor an der Seite. Aber auch mit Erfahrung geht noch manches schief.
Ach ja Lungenwürmer: Ja, das haben Vögel auch. Allerdings merkt man das an der Kurzatmigkeit der Tiere. Auch bakterielle Darmgeschichten sind nicht selten. Prophylaktisch sollte man nichts machen. Bei Verdacht aber nach Möglichkeit zu einem Arzt mit Erfahrung mit Vögeln.
Und Vorsicht mit Wasser!!! Vernünftig gefütterte Jungtiere brauchen kein extrawasser, außer es ist sehr heiß, oder sie haben Durchfall. Im letzteren Fall lieber das Futter, dass angerührt wird, etwas matschiger machen. Wenn man Wasser gibt, dann tropft man einen Tropfen an den Schnabelrand. Wenn die Tiere den trinken, ist es ok. Wenn sie sich schütteln, erst mal lassen. Nicht „gewaltsam“ einflössen.
Soviel mal ganz grob und oberflächlich für’s nächste Mal. Man könnte Bände schreiben über das Thema.
LG Barbara
Wichtig: Die Entnahme von Wildtieren ist gesetzlich verboten!
Beachte: gibt es nur eine Ausnahme, wenn das Tier eindeutig menschliche Hilfe benötigt bzw. unmittelbare Lebensgefahr besteht.
Eine gute Seite mit nützlichen Infos zu diesem Thema stellt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen bereit: http://www.lanuv.nrw.de/natur/arten/jungvoegel.htm