Das dürfte auf fast alle Berufe zutreffen. Du solltest Dich vielleicht an den Gedanken gewöhnen, dass Dir die Ausbildung nur erste, vage Grundlagen aufzeigt. Du wirst, gerade in einem Beruf mit hoher Fortschrittsrate, Dein ganzes Leben lang nachlernen.
Der Schreiber kennt offenbar keinen Tischler/Schreiner. Die Aussage ist so falsch, dass noch nicht mal das Gegenteil zutrifft.
Da hat er völlig recht. Oder auch nicht. Komplizierte, kundenspezifische Serverlösungen aufsetzen, Netzwerke administrieren, Computer provisionieren sind kein Pappenstiel und erfordern viel Know How und langfristig strukturiertes Arbeiten.
Es gibt ja auch Dutzende Programmiersprachen in „der freien Wildbahn“. Ich habe mir neulich eine komplizierte Software zur Steuerung von weltweit einmaliger Hardware erstellen lassen. Da waren vier Leute beteiligt, die alle ihre Spezialkenntnisse in verschiedenen Sprachen hatten, die es aber brauchte, um das Ergebnis zu einem Erfolg zu bringen.
So weit würde ich nicht gehen. Der Lehrstoff muss zwei Dinge vereinen, die sich in der kurzen Zeit nicht vereinen lassen: man soll Dir möglichst alle Facetten beibringen, damit Du von allem mal gehört hast. Und alles soll so tief behandelt werden, dass man darauf später aufbauen kann. Man kann aber in endlicher Zeit eigentlich nur eines: entweder breit oder tief.
Und so kann es passieren, dass man viel hört, was man später nicht braucht. Und von dem, was man braucht, hat man nicht genug gehört.
Das hat man aber, dieses Vorurteil erlaube ich mir als alter Mann, in fast jeder Ausbildung.
Nenne mir einen modernen Beruf, bei dem der Umstieg in ein neues Unternehmen nicht ein halbes Jahr oder länger dauert, bevor man optimale Effizienz leisten kann. Kraftfahrer fällt mir ein.
In meinen derzeitige Job bin ich mit einer deutlichen Steigerung meines Gehaltes eingestiegen. Und ich bin sowas von Quereinsteiger. Warum? Weil meine anderen Qualitäten, die sogenannten Softskills für diesen Job sowas von passend waren, dass es nicht als Nachteil empfunden wurde, dass ich mit der eigentlichen Hard- und Software keinerlei Erfahrung hatte.
Auch da behaupte ich: das gilt für wahrscheinlich alle Ausbildungsberufe. Das sagt dann aber unter Umständen mehr über den Berichtenden, seine Einstellung, seine Erwartung, seine Vorurteile und seine Bereitschaft zur Anpassung aus, als über die wirkliche Ausbildung.
Ich lernte vor fast 40 Jahren etwas, das heute einem Mechatroniker entspricht, nur dass damals das Wort nicht mal erfunden war. Ich habe in 2,5 Jahren mächtig viel gelernt. Ein Teil meiner Kollegen hat am Ende nur die Knöpfe von halbautomatischen Maschinen gedrückt. Bei mir war es, aus heutiger Sicht betrachtet, die absolute Grundlage meines Arbeitens in den nächsten Jahrzehnten. Und alle paar Tage benutze ich Fähigkeit und Fertigkeiten, die ich damals lernte und übte, bis ich sie beherrschte, ohne darüber nachzudenken. Aber einen nicht unerheblichen Teil konnte ich nach etwa 5 Jahren nur noch als Grundwissen benutzen…
Also, das von Dir zitierte, hat man wahrscheinlich in allen Berufen. Und schon immer gehabt.
Mach Dir weniger einen Kopf. Konzentriere Dich auf die Möglichkeiten, die sich ergeben können und nicht so sehr auf die Möglichkeiten, die Dir versagt bleiben, auf die Du aber keine Lust hast.
Viel Erfolg
Pierre