Ausruhen auf der Legasthenie?

Hallo!

Weil ich es heute wieder gehört habe (und überhaupt schon oft), stelle ich die Frage zur Diskussion:
Stimmt die Behauptung, dass sich manche Legastheniker darauf ausruhen, Legastheniker zu sein?
Was ist überhaupt mit diesem „Ausruhen“ gemeint? Ein Ausnützen gewisser Vergünstigungen („Nachteilsausgleich“), das ungerechtfertigt ist? Ist dann der Nachteilsausgleich ungerecht? Ist also der/die Legastheniker/-in zu faul? Und wenn ja, warum?
Wäre es gerecht, wenn er/sie gleich viel und auf dieselbe Art machen müsste, wie die anderen?

Danke. Gruß
Ina Hallermann

Hallo Frau Hallermann,

gerecht wäre es wohl nicht, wenn ein/e LegasthenikerIn (in der Schule) gezwungen wäre, etwa genau so gut (oder schlecht) wie andere zu schreiben… Es gibt ja auch für andere Menschen, die z.B. Einschränkungen in der Wahrnehmung, wie im Sehen oder Hören, haben, die Möglichkeit des Ausgleichs und der „Vergünstigungen“… und darum ist es schon merkwürdig, wenn Leute sagen, jemand ruhe sich auf eine Einschränkung/ Störung aus… so als bestünde die irgendwie nicht und der/ diejenige würde einfach nur zu „faul“ sein?! Das wäre (für mich) ungefähr so, als würde man zu einer Person im Rollstuhl sagen, sie sei nur zu bequem, die Treppe hoch zu gehen… Es würde ja in der Tat niemandem einfallen, eine/n Rollstuhlfahrer/in zu zwingen, die Treppe hoch zu marschieren!
Bei Legasthenie ist das wohl auch darum anders, weil es irgendwie schwer zu erfassen ist, was da eigentlich geschieht, dass ein Kind nicht (mal eben) die Rechtschreibung beherrschen lernt… Vielleicht ist das auch eine Abwehrreaktion, ein Nicht-wahrhaben-Wollen?

Gruß - iceage

Auch hallo,

ich denke, es ist wie mit anderen Schwächen und Behinderungen auch: Man probiert - vor allem als Kind - alles aus, was im Angebot ist oder verlangt wird. Dabei zeigt sich, was funktioniert und was nicht. Was gelingt, motiviert zum Weitermachen, bei Fehlschlägen probiert man es noch eine Weile und was partout nicht geht, lässt man irgendwann bleiben.

Wenn du mit „Ausruhen“ dieses durchaus realistische Aufgeben meinst: Ja, das gibt es wohl und in kleinerem Rahmen tun wir das wohl alle ab und zu. Blöd wird es halt, wenn ausgerechnet eine unverzichtbare Kulturtechnik nicht klappen will, das kann dann eben allerhand soziale Probleme nach sich ziehen.

Allerdings: Bei dieser Erfahrung stehen zu bleiben, ist auch nicht immer optimal, denn meistens ist ja immer noch wenigstens ein geringes Potenzial da. Wer zu früh resigniert, kann dann eben gar nichts anstatt wenigstens ein bisschen. Steckt da das Ausruhen? Dass man lieber aufgibt als halt mit niedrigen Erwartungen an sich und den damit verbundenen Frust akzeptiert?

Zur Gerechtigkeit: Um den Vergleich mit dem Rollstuhlfahrer aufzunehmen: Natürlich soll man ihm eine Rampe bauen, anstatt Treppensteigen von ihm zu verlangen - aber er soll bitte selbst dort hochfahren, anstatt seine Mitmenschen zum Schieben anzuheuern. Das heißt, bei einem Legastheniker müssten sich auch beide Seiten entgegenkommen: Das Ziel sollte sein, dass er etwas Verständliches aufs Papier bekommt, aber wenn er andere Verfahren braucht als Otto Normalkind, dann her damit!

Und damit ein schönes Wochenende,

Beate