Aussprache von ´Caesar´

Hi zusammen.

  1. „Cicero“ (Cognomen von Marcus Tullius) wurde zu seiner Zeit „Kikero“ ausgesprochen.

  2. „Caesar“ wurde klassisch „Kaisar“ gesprochen. Auch das änderte sich in der Spätantike.

Fragen:

Warum veränderte sich die Aussprache des „c“ von „k“ zu „z“ in der Spätantike?

Warum ist insbesondere beim Namen „Caesar“ die jüngere, durch das Kirchenlatein verbreitete Aussprache immer noch üblich? Sollte man nicht, aus historischer Sicht, den Namen korrekt „Kaisar“ aussprechen?

Chan

Hi zusammen.

  1. „Cicero“ (Cognomen von Marcus Tullius) wurde zu seiner Zeit
    „Kikero“ ausgesprochen.

  2. „Caesar“ wurde klassisch „Kaisar“ gesprochen. Auch das
    änderte sich in der Spätantike.

Genau, C stand im klassischen Latein immer für den Laut [k], in früherer Zeit z.T. wohl auch für den Laut [ɡ]. Daher wurde der Name Gaius oft mit C abgekürzt, soviel ich weiß.

Warum veränderte sich die Aussprache des „c“ von „k“ zu „z“ in
der Spätantike?

Das lag am Vokal, der danach kam. Am einfachsten bei Cicero zu erklären (Kikero > Zizero bzw. Tschitschero). Zugrundeliegend war hier immer ein K-Laut, geschrieben eben als C. In einer späteren Zeit gab es eine kleine Lautverschiebung, die man Palatalisierung nennt, das passiert immer vor hohen vorderen Vokalen, nämlich den „hellen“ Vokalen i und e. Diese werden vorne im Mund gesprochen, wobei die Zunge eng am Gaumen anliegt. Bei anderen Vokalen (a, o, u) ist die Zunge weiter unten und weiter hinten.
Nun verschleift sich mit der Zeit die Aussprache etwas und aus einem „Kikero“ wird „Kjikjero“, einfach weil diese hohe, vordere Zungenstellung bereits während des Konsonanten artikuliert wird. Diese Phase des Palatalisierungsprozesses findet man in vielen slawischen Sprachen, z.B. Russisch oder Tschechisch, wo z.B. auch statt „tí“ eher „tjí“ gesprochen wird (grob gesagt). Der Konsonant nähert sich also dem folgenden Vokal an.
In der nächsten Stufe verändert sich der Konsonant soweit, dass er nicht mehr velar ausgesprochen wird, also nicht mehr an der K-Position am hinteren Gaumen. Er rutscht nach vorn, in Richtung i/e, raus kommt ein Laut irgendwo zwischen „tsch“ und „tch“. Da Sprachen gerne möglichst kontrastive Laute haben und nicht „so Mitteldinger“, standardisiert sich die Aussprache dieses Lautes recht schnell in Richtung entweder von „tsch“ (Tschitschero) oder von „ts“ (Zizero).
In weiteren Sprachstufen können auch diese Laute sich ändern, im Französischen ist aus dem „ts“-Laut ein reiner „s“-Laut geworden (ßißero).
Selbiges passierte übrigens mit dem G, aus dem mit der Zwischenstufe „gj“ ein „dsch“ oder ein „ds“ wurde. Und das gleiche ist in manchen Fällen auch mit der Kombination „ti“ passiert, wodurch wir heute „Natzjon“ sagen und nicht „Natti-ohn“.

Und bei Caesar? Da ist das gleiche passiert. Nur gab es vorher noch eine andere Lautänderung: Das „ae“, was früher deutlich als „ai“ gesprochen wurde (Kaisar) wurde zu „e“ abgeschliffen (ai > ä > e), wodurch aus „Kaisar“ „Käsar“ und dann „Kesar“ wurde. Entweder schon bei „Käsar“ oder erst bei „Kesar“ wurde dann auch der Konsonant beeinflusst (ä ist ja auch ein Vordervokal, wenn auch kein hoher)… also haben wir da: Kaisar > Käsar > Kjäsar > Kjesar > Tschesar bzw. Tsesar

Ob fürs spätere Lateinisch eher „ts“ oder eher „tsch“ postuliert wird, weiß ich grad nicht, aber zumindest bis dahin lief das so ab.

Ein häufiger Prozess übrigens. Wie gesagt in den slawischen Sprachen sehr sehr häufig, da wird vor e und i aus allenmöglichen Konsonanten die jeweils „weichere“ Version.

Warum ist insbesondere beim Namen „Caesar“ die jüngere, durch
das Kirchenlatein verbreitete Aussprache immer noch üblich?
Sollte man nicht, aus historischer Sicht, den Namen korrekt
„Kaisar“ aussprechen?

Das können andere sicher besser beantworten, aber lange Zeit war das Kirchenlatein die üblichere Aussprache, Zäsar, ekze, Zizero, Konzil, eigentlich folgen alle unsere lateinischen Lehnwörter diesem Schema. Vermutlich weil das eben die lateinische Aussprache zu den Zeiten war, in denen das Latein noch sehr lebendig war. Die tatsächliche klassische Aussprache war damals unüblich und wurde evtl. sogar als veraltet gesehen (weiß nicht genau).

Viele Grüße,

  • André

Danke…
… für die ausführliche Erklärung.

Chan

Hallo André

Deine Antworten sind immer phantastisch gut! Sternchen von mir (wieder einmal).

Viele Grüße

Alexander

…möchte ich noch hinzu fügen:
Es gibt auch Namen, die mit K ausgesprochen werden, wie z.B. Colonia (für Köln) oder Carnuntum (in Niederösterreich)
Die sind wohl der Lautverschiebung irgendwie entwischt :wink:
cu
whisper

Hallo Whisper,

…möchte ich noch hinzu fügen:
Es gibt auch Namen, die mit K ausgesprochen werden, wie z.B.
Colonia (für Köln) oder Carnuntum (in Niederösterreich)
Die sind wohl der Lautverschiebung irgendwie entwischt :wink:

wenn ich in der Schule in Französisch und Spanisch gut aufgepasst habe, dann hängt das aber mit dem nachfolgenden dunklen Vokal zusammen (a, o, u), diese „ts“ für „c“ hingegen ist nach hellen Vokalen (e,i), wenn ich mich nicht irre. Bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege.

Viele Grüße

Alexander

Schullatein vs. Mittellatein
Hi.

dann hängt das aber mit dem nachfolgenden dunklen Vokal zusammen (a, o, u), diese „ts“ für „c“ hingegen ist nach hellen Vokalen (e,i), wenn ich mich nicht irre. Bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege.

So ist es nur in der Aussprache des sog. Mittellatein (aber vor hellen Vokalen). Im klassischen Latein und im sog. Schullatein heißt es immer „k“.

Siehe

http://de.wikipedia.org/wiki/Schulaussprache_des_Lat…

http://de.wikipedia.org/wiki/Mittellatein

Ähnlich wie im Mittellatein ist es in den romanischen Sprachen Italienisch, Spanisch, Französisch und Rumänisch. „c“ vor hellen Vokalen ist dort „tsch“ (Ital.), „th“ (englischer Lispellaut, Spanisch), „ss“ (Französisch) und „tsch“ (Rumänisch). Vor dunklen Vokalen spricht man „k“.

Chan

Hallo Alexander,

was Spanisch betrifft…

hängt das aber mit dem nachfolgenden
dunklen Vokal zusammen (a, o, u), diese „ts“ für „c“ hingegen
ist nach hellen Vokalen (e,i), wenn ich mich nicht irre.

so timmt es genau. Beispiele:

Casa (Haus) - [Kasa]
Cerdo (Schwein) - [Tser-doh]
Cima (Gipfel) - [Tsi-mah]
Cosa (Ding, Sache) - [Ko-sa]
Cuerpo (Körper) - [Ku-er-poh]

Schöne Grüße,
Helena

Moin,

nur eine klitzekleine ergänzung zu deiner tollen Erklärung:

Genau, C stand im klassischen Latein immer für den Laut [k],
in früherer Zeit z.T. wohl auch für den Laut [ɡ]. Daher wurde
der Name Gaius oft mit C abgekürzt, soviel ich weiß.

Das ursprüngliche Alphabet der Römer hatte überhaupt noch kein G, daher wurde anfangs C immer sowohl für [k] als für [g] benutzt. Irgendwann kam dann ein schlauer Römer auf die Idee, die beiden zu trennen, indem er dem C einen kleinen Strich hinzugügte, wenn es für [g] stand - und das G war geboren.

Gruß

Kubi

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ähem,

natürlich ist hier ein sinnentstellender Tippfehler drin:

hängt das aber mit dem nachfolgenden
dunklen Vokal zusammen (a, o, u), diese „ts“ für „c“ hingegen
ist nach vor hellen Vokalen (e,i), wenn ich mich nicht irre.

so stimmt es genau.

(nicht ganz, erst jetzt, durch die Verbesserung)

Beispiele:

Casa (Haus) - [Kasa]
Cerdo (Schwein) - [Tser-doh]
Cima (Gipfel) - [Tsi-mah]
Cosa (Ding, Sache) - [Ko-sa]
Cuerpo (Körper) - [Ku-er-poh]

Entschuldigung und gute Nacht wünscht

Alexander

Hallo Ch’an,

So ist es nur in der Aussprache des sog. Mittellatein (aber
vor hellen Vokalen). Im klassischen Latein und im sog.
Schullatein heißt es immer „k“.

Klar, war ein sinnentstellender Tippfehler, natürlich hatte ich genau das gemeint.

Viele Grüße und gute Nacht

Alexander

Stimmt. Mir ist es auch entgangen! owT SG
ohne
weiteren
Text

Da ich in Italien Latein gelernt (lernen musste) habe, staunte ich schon als ich in Deutschland hörte Kikero und Käsar. In Italien spricht man von Tschitchero und Tschäsar. Nun, von uns war niemand dabei, also werden wir niemals mit Sicherheit erfahren, wie es damals ausgesprochen wurde. NUR! Könnte es sein, dass die direkten Nachfahren der Römer die Aussprache eher übernommen haben als die Germanen? Als ich mit meinem Ex-Latein Lehrer darüber gesprochen habe, hat er sich totgelacht, und mich gefragt, ob vielleicht germanische Arroganz dabei sein.

Hallo,

Nein. Wir wissen heute sehr genau, wie das klassische Latein ausgesprochen wurde und können die Schritte nachvollziehen, die dazu geführt haben, das aus einem ursprünglichen „Kikero“ und „Kaisar“ das heutige italienische „Tschitschero“ und „Tschesar(e)“ wurden. Da muss man nicht dabeigewesen sein. Es gibt ja auch alte lateinische Beschreibungen der kontemporären Sprache, sowie Evidenz aus verwandten Sprachen.
Man kann nicht mit Sicherheit sagen, welche Qualität nun genau z.B. das R hatte (eher wie das deutsche oder eher wie das heutige italienische, oder vllt. etwas anderes noch?), aber man weiß mit absoluter Sicherheit, dass das C ursprünglich in allen Positionen als K gesprochen wurde.

Das ist ganz ähnlich wie beim Altgriechischen. Auch wenn die heutigen Griechen Wörter wie „Philosophos“ schön mit F aussprechen, weiß man doch genau, dass das Wort damals mit behauchten Ps gesprochen wurde, also „Pilosopos“, nur mit stark aspiriertem P. Das wollen einem Griechen oder Altgriechischlerner oftmals nicht glauben. :smile:

Grüße,

  • André
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Hallo

Auch wenn die heutigen Griechen Wörter wie „Philosophos“ schön mit F aussprechen, weiß man doch genau, dass das Wort damals mit behauchten Ps gesprochen wurde, also „Pilosopos“, nur mit stark aspiriertem P. Das wollen einem Griechen oder Altgriechischlerner oftmals nicht glauben. :smile:

Das ist doch logisch, wenn es doch schon seit Menschengedenken (jedenfalls seit Gedenken dieses betreffenden Menschen) schon wie F ausgesprochen wurde!

Viele Grüße

Hallo!

Es
gibt ja auch alte lateinische Beschreibungen der kontemporären
Sprache, sowie Evidenz aus verwandten Sprachen.
Man kann nicht mit Sicherheit sagen, welche Qualität nun genau
z.B. das R hatte (eher wie das deutsche oder eher wie das
heutige italienische, oder vllt. etwas anderes noch?), aber
man weiß mit absoluter Sicherheit, dass das C ursprünglich in
allen Positionen als K gesprochen wurde.

Der Ergänzung:
In der lateinischen Metrik sind die Längen und Kürzen der Silben maßgeblich für den Vers. Eine Silbe gilt auch dann als lang, wenn nach einem kurzen Vokal ein Doppelkonsonant folgt. Der mit dem „z“ verbundene Laut [ts] oder [ds] ist ein Doppelkonsonant. Wenn nun
der Buchstabe „c“ als [z] zu sprechen wäre, dann wären alle lateinischen Verse fehlerhaft, weil das „c“ nach einem kurzen Vokal nicht eine Längung der betreffenden Silbe bewirkt. Nur mit der [k]-Aussprache ist der Vers korrekt!
Um ein Beispiel zu finden, hab ich jetzt nur mal in die Äneis geschaut: Schon der erste Vers* wäre falsch: Die ersten beiden Silben des Wortes gracili müssen versbedingt kurz sein. Spräche man aber das „c“ nicht als [k], sondern als [ts], dann wäre der Vers fehlerhaft, weil die Silbe grac lang wäre.
Aus guten Gründen besteht man an der Universität und glücklicherweise auch an den meisten Schulen auf der korrekten Aussprache.

* Vers 1a des Oxfordtexts „arma virumque …“ ist dort erst 1e.

Und die [zsch]-Aussprache des „c“? Höre ich in Deutschland nur von Pfarrern, die möchten, dass man meint, sie hätten in Rom studiert.

Das ist ganz ähnlich wie beim Altgriechischen. Auch wenn die
heutigen Griechen Wörter wie „Philosophos“ schön mit F
aussprechen, weiß man doch genau, dass das Wort damals mit
behauchten Ps gesprochen wurde, also „Pilosopos“, nur mit
stark aspiriertem P.

Was du mit dem „behauchten Ps“ meinst, könntest du vielleicht mitteilen?

Gruß!
H.

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Hallo!

Was du mit dem „behauchten Ps“ meinst, könntest du vielleicht
mitteilen?

Das ist ein P, dem ein H folgt. Also so, wie wir und die Engländer ein P aussprechen. Das kann man sich bewusst machen, wenn man ein Wort mit P, z. B. Papa ausspricht, während man sich die Hand vor den Mund hält, dann spürt man nämlich den Hauch. Wenn ein Italiener Papa ausspricht und sich die Hand vor den Mund hält, spürt er nichts, denn im Italienischen, wie auch in den anderen romanischen Sprachen, werden Verschlusslaute nicht behaucht. Im Griechischen, woher das Wort philosophos ja kommt, waren die stimmlosen unbehauchten Verschlusslaute und die stimmlosen behauchten Verschlusslaute verschiedene Phoneme neben den (unbehauchten) stimmhaften Verschlusslauten. Es gibt also die drei Reihen von Verschlusslauten:
κ [k] - χ [kh] - γ [g]
π [p] - φ [ph] - β [b]
τ [t] - θ [th] - δ [d]
(die H’s müssten laut IPA alle hochgestellt sein.)

Im Sanskrit gibt es, was man auch fürs Urindogermanische ansetzt, auch noch die behauchten stimmhaften Verschlusslaute, also [bh], [dh], [gh].

Grüße

Marco

Hallo!

Was du mit dem „behauchten Ps“ meinst, könntest du vielleicht
mitteilen?

Das ist ein P, dem ein H folgt [etc.]

Das ist ja alles gut gemeint, was du schreibst, und richtig und mir längst bekannt.
André schreibt aber von einem

behauchten P s ,

und ich fragte, was er damit meint.
H.

Was du mit dem „behauchten Ps“ meinst, könntest du vielleicht
mitteilen?

Das ist ein P, dem ein H folgt [etc.]

Das ist ja alles gut gemeint, was du schreibst, und richtig
und mir längst bekannt.
André schreibt aber von einem

behauchten P s ,

Er schrieb

dass das Wort damals mit behauchte n Ps gesprochen wurde,

womit vermutlich der Plural des (Buchstaben) P gemeint ist → das P, die Ps.

Gruß
Kreszenz

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Hallo!

André schreibt aber von einem

behauchten P s ,

Nein. Er schrieb „mit behauchten Ps“. Das ist Plural, denn philosophos hat zwei davon.

Gruß

Marco