Aber noch einmal zum allgemeinen Verständnis: Diese
dreidimansionalen Fitnessdiagramme mit ihren Minima und Maxima
beziehen sich dann also immer auf eine einzige Art bzw.
Fortpflanzungsgemeinschaft? Bisher hatte ich diese immer so
interpretiert, daß zwei Maxima gleichbedeutend ist mit
unterschiedlichen Fortpflanzungsgemeinschaften.
Erstens sind die dreidimensionalen Fittnessdiagramme nur ein hilfloser Versuch, die tatsächlich Verhältnisse vereinfacht darzustellen. Sie lassen nämlich nur die Variation zweier Eigenschaften zu, obwohl die Zahl der möglichen Parameter in der Natur beliebig hoch sein kann. Die Beschränkung auf zwei Eigenschaften ist dem Umstand geschuldet, daß der Mensch in maximal drei Dimensionen denken kann.
Zweitens sind diese Diagramme unabhängig davon, ob und von wem die lokalen Maxima besetzt werden. Ob es bei der Besetzung eines benachbarten maximums zur Bildung einer neuen Art kommt oder nicht hängt im Wesentlichen davon ab, ob gleichzeitig eine Isolation eintritt. Dazu zwei Beispiele:
Die Größe einer Kaninchenpopulation möge langfristig durch das Nahrungsangebot (sie mögen sich nur von Gras ernähren) und die Bedrohung durch eine Fuchspopulation begrenzt sein. Die Population befindet sich bezüglich des Schutzes vor den Räubern in einem lokalen Maximum, welches darin besteht, vor ihnen zu flüchten. Bei einem Kaninchen kommt es zu einer Mutation, weloche es ihm ermöglicht, den Räuber in die Flucht zu schlagen, was seine Überlebenschancen erhöhen möge. Es befindet sich nun auf einem benachbarten lokalen Maximum der Fittnessfunktion, welches höher liegt, als das der übrigen Population. Es gehört aber immer noch zur selben Art (es kann sich mit den anderen Kaninchen paaren) und zur selben Population (es bewohnt denselben Lebensraum). Da es bessere Chancen hat die neue Eigenschaft an seine Nachkommen weiterzugeben, wird die Teilpopulation der Killerkarnickel schneller wachsen, als die ursprüngliche. Da die Größe der Gesamtpopulation aber nicht nur von den Räubern, sondern auch vom Nahrungsangebot begrenzt wird, fallen die ursprünglichen Kaninchen der wachsenden Nahrungskonkurrenz der Mutanten zum Opfer. Am Ende besteht die Population nur noch aus Killerkarnickeln.
In derselben Kaninchenpopulation tritt eine Mutation auf, welche es dem Kaninchen ermöglicht, Möhren zu fressen (es ist wichtig, daß dabei die Fähigkeit Gras zu fressen verlorengeht). Mit der Erschließung dieser bis dahin unbesetzten ökologischen Niesche vergrößert sich die Gesamtpopulation, da das Wachstum der neuen Population nicht zulasten der alten geht. Am Ende haben wir zwei Kaninchenpopulationen, welche bezüglich der Nahrung unabhängig voneinander sind. Zur Artbildung kommt es dann, wenn die Teilpopulationen voneinader isoliert werden. Dies kann geschehen, indem gras- und möhrenfressende Kaninchen sich nicht mehr miteinander paaren wollen oder indem die Möhrenfresser sich in ein Gebiet ausbreiten, in dem es nur Möhren, aber kein Gras gibt. Nach der Isolation werden sich die beiden Populationen unabhängig voneinader weiterentwickeln und langfristig eine Artenbarriere aufbauen.