Austauschschülerin in England in Erklärungsnot

Hallo Leute,
bin im Moment als Austauschschülerin für 5 Monate in England und habe mich auch soweit gut eingelebt. Eine Sache die ich mich nur immer frage ist wieso die Leute sich so extrem verschieden verhalten - im einen Moment kommen sie an, drücken dich, geben die ein „clap“, im anderen sagen sie dir noch nicht einmal mehr hallo.
Außerdem finde ich es unheimlich schwer einzuschätzen was die Leute wirklich von einem denken, habe zwar schon unheimlich viele kennengelernt die sich auch immer sehr positiv verhalten(und gehört dass die Jungs mich attraktiv finden), aber irgendwie kann ich mir nicht sicher sein ob das nicht manchmal nur gespielte Höflichkeit ist.
Sind die Engländer einfach nur schüchtern (bin in der 12. Klasse), sind sie verunsichert weil ich mich öfters alles andere als zurückhaltend gebe oder machen sie selber nach der Schule nicht so viel weil es immer so viele Hausaufgaben gibt, oder warum fragen sie so selten ob ich irgendwas mit ihnen machen will obwohl man sonst in der Schule so viel Spaß miteinander hat?
Nebenbei, warum haben hier fast alle Mädchen einen Freund? An meiner Schule in Deutschland war das mehr Rarität und es wurde viel Wert auf „echte“ Gefühle gelegt.
Bin gespannt auf Erfahrungen und Erkenntnisse anderer, währenddessen taste ich mich auch bei meinen Mitschülern langsam an mögliche Antworten ran…:wink:

Also ich weiss nur von Leuten, die eine Zeit lang im Ausland waren, dass ihnen die Einheimischen oft sehr oberflächlich vorkamen. Es wäre nie zu tiefergreifenden Gesprächen usw gekommen. Ich denke das Problem dabei ist folgendes: Die Leute wissen, dass der Gast in ein paar Monaten wieder weg sein wird. Deshalb vermeidet man es lieber sich anzufreunden. Besonders dann, wenn einem Jemand symphatisch ist, wahrt man lieber eine gewisse Distanz, denn es könnte ja eines Tages zu einem schmerzhaften Abschied kommen und dann wird man diese Person vermissen.
Oder es lohnt sich einfach nicht in einen Gast zu „investieren“, weil er eben bald wieder weg sein wird.

Keine Antwort, aber…
Hallo Helga,

Du bist genau darum ins Ausland gegangen, um ein anderes Land und seine Menschen kennenzulernen. Versuche, Dich ihren Verhaltensweisen anzupassen und auf sie zuzugehen.

Gruß,
Andreas

Hi Helga,

ich kann dir auch nur raten auf sie zuzugehen.
Da ich oft mit Gastschülern und Gaststudenten zu tun habe weiß ich aus eigener Erfahrung und auch meiner Umgebung, dass man sich öfters nicht traut, auf diese außerhalb der Schule/Uni zuzugehen.

Das liegt daran, dass sie ja „fremd“ sind und man nicht weiß, ob weiterer Kontakt überhaupt erwünscht ist.

Dazu kommt, dass du ja sozusagen ein fremdes Glied in dieser Gesellschaft bist und alle abwarten, wer an dir seinen „Claim“ absteckt, da du ja in keiner Clique oder vergleichbaren aufgewachsen bist, wartet man ab, wo du dich zuordnest.

Du hast also relativ freie Auswahl, geh auf die Leute, mit denen du dich verstehst zu und frag doch eventuell ob sie dir einen schönen Park zeigen können etc. oder nach Orten, wo man gut Freizeit verbringen kann. Eventuell zeigen sie dir dann Plätze, wo sie selbst gerne rumhängen und dann hast du eine Stelle, wo du hingehen kannst um sie zu treffen.

lg
Kate

Hi,

es gibt hier:

aber irgendwie kann ich mir nicht sicher sein ob das nicht
manchmal nur gespielte Höflichkeit ist.

tatsächlich kulturelle Abweichungen. Nach der Wende haben viele Ostdeutsche genau das Gleiche über die Westdeutschen gesagt (die Westdeutschen wiederum empfanden die Ostdeutschen als unfreundlich), die Finnen sagen das über die Schweden, und wir Deutschen halten die Franzosen als superunhöflich.
Die Briten legen, wie auch die Skandinavier, sehr viel Wert auf Höflichkeit. Ich habe einige Zeit in Norwegen gelebt und hatte zu Beginn das Gefühl, sofort tausend Freunde gefunden zu haben - nach irgendeiner Zeit stellte sich heraus, dass die Unmengen an anfänglichen Essenseinladungen etc. vor allem dem höflich-gastfreundlichen Benehmen zuzuordnen war und keinesfalls den Anfang einer Freundschaft bedeuten musste.
Jedes Volk hat eine andere Ausprägung, auf Gäste zuzugehen, und das macht ja auch den Reiz der verschiedenen Kulturen aus. Für den Gast ist es natürlich nie leicht, den Aktionen die richtige Bedeutung zuzumessen, wenn er es anders kennt.
Letztlich sind es auf der ganzen Welt aber immer Menschen, die die gleichen Bedürfnisse nach Freundschaft, Nähe usw. haben wie alle anderen. Ob sie nun gewöhnt sind, mehr Umarmungen abzugeben, bevor die Freundschaft entstand, ob sie es so kennen, dass man sich mit jedem Jungen aus der Schule ausprobiert oder doch lieber auf die große Liebe wartet, macht schlussendlich gar nicht so viel Unterschied aus. Gib dem Ganzen die Zeit, die du hast, dann wirst du auch herausfinden, wie die Menschen in GB mit Freundschaftsthemen umgehen. Fünf Monate sind dafür zwar sehr wenig, aber vielleicht kriegst du dennoch was mit.
(Ich hatte damals in Norwegen nach ziemlich genau 5 Monaten das Gefühl, langsam wirklich bei den Menschen „angekommen“ zu sein.)

Viele Grüße
Judith