Austrag / in den Austrag gehen

Liebe SprachexpertInnen,

bei einer abendlichen Diskussionsrunde in der Kneipe tauchte die Frage auf, woher die Begriffe ‚Austrag‘ bzw. ‚in den Austrag gehen‘ oder ‚Austragshaus / Austräglerhaus‘ stammen. Wir wissen, daß sich dies z.B. darauf bezieht, daß z.B. ein Landwirt, der seinen Hof an die Kinder übergeben hat und sich nun ‚aufs Altenteil‘ begibt, ein neues, meist kleineres Haus auf der Hofstelle baut um dort den Lebensabend zu genießen. In der Regel werden wohl auch die Hoferben zu Zahlungen an die Austrägler verpflichtet, quasi eine Betriebsrente. Aber woher stammt nun der Begriff ‚Austrag‘? Wird der Begriff nur im süddeutschen Raum verwendet oder ist er überall gebräuchlich? Falls nicht - wie sagt man im Norden der Republik dazu?

Vielen Dank für Eure Anregungen.
Gruß
Eva

Hallo, Eva,

wie du aus dem Dudenartikel ersehen kannst:

_Au}s|trag, der; -[e]s:

  1. das Austragen (3 a): der A. von Streitigkeiten; zum A. kommen/gelangen (Papierdt.; ausgetragen, entschieden werden).
  2. (Sport) Durchführung: der A. der Wettkämpfe.
    3. (südd., österr.) Altenteil: im A. leben; in den A. gehen.

© Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001_

bedeutet der „Austrag“ hier das „Austragen eines Streites“ im Allgemeinen, das Beenden eines Streites, die Einigung in einem Konflikt, das Schließen eines Vertrages.

Im Besonderen meint es eben die Vereinbarung zwischen dem aufs Altenteil ziehenden Altbauern und dem neuen Jungbauer, der den Hof übernimmt und dafür dem Altbauern den Lebensunterhalt bis zum Lebensende zusichert.

Ist in der Tat eher süddeutsch, wie es im Norddeutschen heißt, weiß ich nicht. Aber vielleicht findet sich noch einer, der es weiß.

Gruß Fritz

Hallo Fritz,

danke für die Antwort. Die Bedeutung (auch austragen von Streit etc.) ist mir durchaus klar. Mir geht es eher um den Ursprung des Wortes in seiner Bedeutung ‚Altenteil‘.

Gruß
Eva

Hallo Fritz, hallo Eva,

3. (südd., österr.) Altenteil: im A. leben; in den A.
gehen.
© Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001

Mir ist dieses Wort in dieser Bedeutung bisher noch nicht untergekommen. Hierzulande heißt es „im Ausgedinge leben“ bzw. „ins A. gehen“.

Gruß
Barney

Hallo, Eva!

Mir geht es eher um den Ursprung des Wortes in seiner Bedeutung ‚Altenteil‘.

Das ist aber doch ein bekanntes Phänomen, dass man ein Abstraktum für ein Konktetum nimmt.
Ebenso wie man oft einen Teil fürs Ganze nimmt und etwa „Dach“ sagt, aber das Haus, oder „meine Maschine“, aber das ganze Fahrzeug meint.

Gruß Fritz

Hai, Barney,

Mir ist dieses Wort in dieser Bedeutung bisher noch nicht
untergekommen. Hierzulande heißt es „im Ausgedinge leben“ bzw. „ins A. gehen“.

Mir ist „Ausgedinge“, das wohl mit „ausbedingen“ zusammenhängt, geläufiger, aber „Austrag“ nicht ungeläufig.

Gruß Fritz

Hi Eva,

die Herkunft des Austrags scheint nun geklärt zu sein. Zum Hintergrund: Die Verträge kamen fast immer nur mit sehr viel Streit und Bitterkeit zu Stande und zogen oft auch noch großen Hader hinter sich her:

  • Der Nachfolger hat mindestens 10 Jahre, oft 20 Jahre warten müssen, bis der Hof übergeben wurde;
  • Das Deputat ist dem Geber zu groß, dem Empfänger zu klein;
  • Der Austragsbauer hat fast nie ganz übergeben, sondern sich ein Mitspracherecht am Verkauf von Grundstücken und Hofteilen gesichert;
  • Die Alten wollen den Jungen immer noch dazwischenreden;
  • Die junge Bäuerin erteilt der alten Hausverbot, um ihre Vorstellungen von Bewirtschaftung durchzusetzen;
  • … (ließe sich fortsetzen)

Das sind die praktischen Gründe, warum von „austragen“ gesprochen wird. „Ausraufen“ wäre angebrachter.

Gruß Ralf

… und in der Schweiz sagt man…
Hallo :smile:

In der Schweiz ziehen sich die Altbauern übrigens ins so genannte „Stöckli“ zurück. So wird das kleinere Haus genannt, das meistens neben dem Haupthof steht, eben das Altenteil.

Gruss
Renato

Vielen Dank an alle Sprachexperten hier.
Ich hatte ja gehofft, daß es eine Erklärung gibt, die über das ‚austragen von Streitereien‘ hinaus geht. Manchmal ist wohl doch das naheliegende eine sinnvolle Erklärung.

Viele Grüße
Eva