Hallo,ich bin Mutter eines 7 Jährigen Jungen der gestern die Diagnose Asperger Autismus bekommen hat.Er hat im Alltag keine großen Probleme.Daher meine Frage:Ist es sinnvoll einen Schwerbehindertenausweiß, Pflegestufe und Pflegegeld zu beantragen oder stikmatisiert ihn das für sein gesamtes Leben?Ich bin unschlüssig.Muß er das später bei seiner Ausbildung / Arbeit angeben?Mfg
Servus,
ohne Merkzeichen B, H, G „bringt“ der Ausweis nicht gar so viel. Wie auch eine eventuelle Pflegestufe richtet sich beides nach tatsächlich vorhandenen Einschränkungen; wenn die im Alltag kaum gegeben sind, umso besser; probieren kann mans immer - als Asperger werden ihn entsprechende Anträge wohl nicht sehr belasten (Du kennst ihn und kannst das besser beurteilen), weil er mit solchem Gefühlskram wohl eh nicht so viel am Hut hat.
Angeben müssen tut er es nicht - das ist außerdem noch eine ganze Weile bis hin. Es kann durchaus sein, dass für ihn mit 16 oder 20 „wir Asperger“ ein Stück Identität ist, das er ganz gerne angibt - z.B. in entsprechender Ausbildung: „Ein Asperger gewinnt keine Geschwindigkeitsrekorde, aber er übersieht (buchstäblich!) nichts.“
Für einen ersten Einstieg kannst Du Dir mal das anschauen (auch die Kontaktadressen ganz hinten), auch wenn es keine persönliche Beratung ersetzt, die unbedingt aufgesucht werden sollte: http://www.shg-asperger-syndrom.de/pdf-Datei/Ratgeber-fuer-Eltern.pdf
Schöne Grüße
MM
Hallo MM!
Vielen Dank für deine Hilfe!Ich habe gestern Kontakt mit der Sozialarbeiterin des SPZ gehabt und werde mich u.a. unter dem Link weiter informieren den Du gesendet hast.Was bedeuten denn die Merkzeichen B,H,G ?MFG
Servus,
das ist in dem Broschürchen ab Seite 13 erläutert. Grob: B = Bedarf ständiger Begleitung, H = Bedarf ständiger Hilfe im Alltag, G = ist in der körperlichen Mobilität stark eingeschränkt.
Schöne Grüße
MM
Wenn dir der Ausweis konkrete Vorteile bringt - wozu ich nichts sagen kann - wäre es durchaus eine Option, ihn zu beantragen.
Ich gebe aber etwas anderes zu bedenken: Es passiert im Alltag leider ziemlich schnell, dass sich Eltern - vor allem aber das Kind selbst - auf eine Diagnose (wie auch immer die lauten mag) zurückziehen und fortan alles in ihrem Leben auf diese Diagnose zurechtlegen.
Damit KANN man sich, wenn man nicht aufpasst, wunderbare Ausreden schaffen, warum man dieses oder jenes Anstrengende oder Unangenehme nicht tun muss. Schließlich hat man ja…und kann deshalb nicht anders.
Ich erlebe das in Behinderteneinrichtungen, in denen ich häufig bin, um Lehrproben meiner Schülerinnen abzunehmen, ziemlich häufig. Oft lassen sich Eltern von einer Diagnose so aus dem Gleichgewicht bringen, dass sie ihr Kind in Watte packen und versuchen, alles von ihm fernzuhalten, was es irgendwie „zusätzlich“ belasten könnte. Das Ergebnis sind Kinder, die oft weit hinter ihren tatsächlichen Fähigkeiten zurückbleiben, weil ihnen die Eltern nicht zuviel zumuten wollen.
Dass das in der Regel gleichbedeutend damit ist, ihnen auch nichts zuzutrauen, realisieren sie leider meist nicht.
Deshalb: Ob Ausweis oder nicht: Informiere dich gründlich über die unterschiedlichsten Quellen über das Störungsbild „Asperger“ und speichere all diese Informationen in einem Winkel deines Gehirns ab. Ansonsten behalte DEIN Kind im Blick und fordere es heraus, so wie du es auch herausfordern würdest, wenn du keine Diagnose hättest.
Wenn ihr an Grenzen stoßt: Okay. Dann wirst du wissen, wie du das einordnen kannst und gemeinsam mit deinem Kind andere Wege suchen.
Dein Kind sollte die Diagnose möglichst nicht mehr zu hören bekommen. Auch nicht, wenn du mit anderen darüber redest, während er in der Nähe ist. Natürlich kannst du mit ihm darüber sprechen, wenn ihr an ein konkretes Problem geratet, das ihr lösen müsst. Dann kann es auch ihm helfen, einzuordnen, warum er in diesem Fall so handelt und nicht anders.
Dein Ziel sollte sein, ihn so gut wie möglich in den Alltag und die Umwelt zu integrieren. Das funktioniert bei einem Aspergerkind letzten Endes genauso wie bei jedem anderen auch: Durch liebevolle Konsequenz und klare Strukturen. Er muss nicht so „funktionieren“, als hätte er diese Diagnose nicht. Sie sollte aber auch nicht zur Generalentschuldigung für all die Dinge werden, die er durchaus leisten könnte.
Jule