Badisch drücken und ziehen

Hallo zusammen,
bestimmt gibt es hier jemanden, der Badisch kann.
Gibt es schöne alte originelle Begriffe für „drücken“ und „ziehen“? Ich könnte mir vorstellen, dass es im Umfeld von Fuhrleuten da Begriffe geben könnte.

Danke fürs Nachdenken und schöne Grüße
Alfons

Sali Fonze,

nein, den gibt es hier unter jeder Garantie nicht.

Die Dialekte im ehemaligen Großherzogtum Baden lassen sich grob in vier Gruppen einteilen, die ihrerseits wieder ziemlich unterschiedliche Dialekte umfasst:

  • in der Kurpfalz das Pfälzische
  • südlich davon bis knapp südlich von Karlsruhe Südfränkisch
  • weiter südlich (meines Wissens bis zum Elztal) Niederalemannisch
  • noch weiter südlich bis zur Schweizer Grenze Hochalemannisch

Wenn Du Dich auf eine dieser Gruppen festlegst - ich vermute, Du denkst an Niederalemannisch - fällt es leichter, hier ein bitzle in sich zu gehen und in der Kruschtkischta der aussterbenden Begriffe nachzuschauen.

Schöne Grüße

MM

Hallo Aprilfrisch,
schonmal Danke für die Mühe. Es geht mir um das Gebiet um St. Blasien, Bernau. Hast du da was in der Kruschtkiste?
Schönen Tag und schöne Grüße
Alfons

Servus,

Hochalemannisch ist schon etwas extra - im Niederalemannischen (das auch am See recht ähnlich gesprochen wird) werde ich einmal ein bitzle kruschteln, aber auf Abruf hab ich da auch nichts. Wenn ich mir einzelne Szenen wieder wachrufe, kommen vielleicht die Wörter dazu auch wieder herauf.

Ich meine aber, @Hexerl täte sich da auskennen, und aus dem östlichen Niederalemannisch auch @Kreszentia.

Schöne Grüße

MM

Ach, ein - allerdings bloß in der Nähe liegender - Begriff ist mir doch ohne weitere Meditation gleich gekommen: Wenn irgendeine Bewegung - ziehen, drücken, schieben, heben etc. - mit einem gewissen Kraftaufwand verbunden ist, sagt man dazu gwalta = „gewalten“.

Und, auch dieses eher am Rand liegend: Die Präfixe zur Richtung der Bewegung sind da wahrscheinlich eher typisch: ane- oder äni- = heran-, abe- oder äbi- = hinab, herab, ufe- = hinauf-, herauf-, umme- = herum-. Hübsch auch ein paar Adjektive und Adverbien in diesem Zusammenhang - in lebhafter Erinnerung noch, wie der Vater des Bauern, bei dem ich in der Lehre war, mir beim Beladen eines Wagens eine Anweisung zugeschrien hat, die ich im ersten Moment schlicht nicht verstanden habe: „Heee! It derwäag! Zwäres! Zwäres!“ (Nicht so, sondern quer!)

Schöne Grüße

MM

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Hallo MM,
das hört sich schon super an. Ich werde da mal weiter nachdenken.
Bei mir geht es am Ende um die Druck- und Zugbewegung eines Ziach- (Harmonika) Spielers.

Alfons

Dazu noch ein allgemeiner Begriff aus dem Hochalemannischen für „etwas bewegen, sich rühren, sich sputen“ - unabhängig von der Tätigkeit, auch Musikmachen -, den ich von dem Appenzeller Multiinstrumentalisten Urs Stieger bekommen habe, zu dessen Repertoire unter anderem ein Lied von einer unglücklichen Liebe zwischen einer Tochter aus begütertem Haus und einem armen Landarbeiter gehörte, erzählt aus der Perspektive des Armen - eine Zeile, die dort im ersten Vers jeder Strophe wiederholt wird, heißt „Hopp un zue, loss ummadumme goh!“ - („Lass um und um gehen“ = „Auf, mach voran!“) – das Liedchen wurde offenbar zur Arbeit gesungen, damit sie nicht so schwer fiel.

Schöne Grüße

MM

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  • So, jetzt hab ich einige Szenen um 1980 visualisiert, aber darin ist nichts vorgekommen, was genauer zum Angefragten passen würde. Ziaga und drugga (weiter südlich dann mit Rachenlaut druckcha) werden es wohl tun müssen.

Allenfalls für ziehen das hochalemannische trecha (wie mittelhochdeutsch trechen, man erkennt trahere aus der römischen Besatzungszone); ob das zumindest in der verschärften Form des badischen Alemannisch, etwa in Gersbach, Rickenbach oder Herrischwand, schon so benutzt wird oder wurde, kann ich allerdings nicht sagen.

Schöne Grüße

MM

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Hallo Aprilfrisch,
von einem Eingeborenen habe ich den Vorschlag schürge und riesse bekommen.
Im Grimm finde ich unter Schürge … schhurge, schorge, schurc anstosz, angriff.
Und bei Schürgen … schieben stoszen.
Tät passen, oder?
… das hulzine pherd
wart sere gezogen
si zugen vore und schurgeten nach…

Schöne Grüße
Alfons

Servus,

ja, natürlich! Da kann man sehen, wie die Sachen verloren gehen, wenn man sie nicht ständig benützt…

Schöne Grüße

MM

Huhu

mein Lieblingsmensch (der Badener in unserer Familie) sagt, das hängt vom Dorf ab in dem man sich gerade befindet

In Karlsruhe und Umland heißt ziehen einfach ziga oder ziaga und
drücken eben drigga

Gruß hex

Servus,

ist man ja auch noch nicht einmal im Niederalemannischen, sondern noch im Südfränkischen. Ich habe ja den Verdacht, dass diese Bezeichnung deswegen erfunden wurde, weil die Kallsruher nicht zugeben wollten, dass sie im Grunde ihrer Seele genau wie die Pforzemer und die Tuttlinger nichts anders als Schwäbisch schwätzed, was für einen Bewohner des Großherzogtums natürlich eine arge Schande ist…

Wie kommt es denn eigentlich, dass ich Dich im Niederalemannischen verortet hätte? Hast Du dazu irgendeinen lokalen Bezug?

Schöne Grüße

MM

Blasphemie! Dodokay würde niemals „zwai waxwaiche Aaier in oinara Raai und alle hinnerananner“ sagen können, ohne dass man Lachkrämpfe bekommt

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Nö.

Schlicht Interesse an und Kenntnisse in der Systematik und der Genese der (insbesondere ober-)deutschen Mundarten, die ein bisselchen weiter gehen als die Weisheit von Tante Wiki.

Wenn Du Stichhaltigeres als Produkte der Fernuniversität Youtubingen zur Begründung einer Zuordnung des städtischen Karlsruher Brigantendeutsch zu den südfränkischen Dialekten (mithin dem einzigen oberdeutschen Fränkisch) zu bieten hast: Immer her damit, ich finde die Grenzverläufe der Mundarten und auch ihre Entwicklung in diesem Gebiet sehr interessant und lerne gerne dazu.

Vergiss dabei auch nicht, mit Pforzheim und dem Enztal zu vergleichen.

Schöne Grüße

MM

Ich muss da weder Tante Wiki bemühen noch nach Youtubingen reisen. Mein Geburtsort im äußersten Westen von Karlsruhe hat mir die Mundart in die Wiege gelegt. Dort spricht man auch anders als in Durlach, das älter ist und im östlichen Teil der Stadt liegt, aber noch keinesfalls wie die „Pforzemer Halbseggel“, wie sie liebevoll in KA genannt werden.
Aufgewachsen bin ich in der Nähe von Ulm, so dass mir leider auch dieses Idiom geläufig ist ( „kei mr dui Breschdling it na“) oder das Älblerdeutsch (im Häskaschda meichdalats).
Zum Thema Ziehen und Drücken kann ich außer „ziega“ und „drigga“ nix beisteuern. Und ob das oberdeutsch oder südfränkisch ist, ist mir nicht bekannt und auch völlig wurscht.

und damit bekennst Du Dich als nicht kompetent in der Zuordnung des Karlsruher Brigantendeutschs zu schwäbischen oder fränkischen Mundarten. Es ist ganz schlicht eine Mundart à part.

Schon, dass Du verschiedene lokale Spielarten des Schwäbischen kennengelernt hast und wissen könntest, dass sich Eingeborene aus Besigheim und aus Rupertshofen mal grade eben so noch untereinander verstehen können, wenn sie nicht irgendeinen fernsehgebleichten Halbdialekt sprechen, sondern ihre angestammten Mundarten, und dennoch das Reutlinger Schwäbisch von Dodokay zum Maßstab hernimmst, was Schwäbisch sei, stellt diese Kompetenz anompfirsich schon gänzlich in Frage.

So dass es mich nicht wundert, dass Du meine sehr gewagte und eigentlich nur provokativ gemeinte These zur grundsätzlichen Zuordnung des Karlsruher Brigantendeutsch nicht entkräften möchtest.

  • Drom sait ma’s oim em Guata

Moit

MM

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Hallo Alfons,

mit „badischen“ Begriffen für „drücken“ und „ziehen“ kann ich zwar nicht dienen, aber mit schwäbischen. Vielleicht hilft Dir das ja auch weiter - so weit liegen das Badische und das Schwäbische ja doch nicht auseinander. :wink:

drücken: drucken / zwirgen (im Sinne von klemmen) / vernudlen (i. S. v. liebkosend drücken.

ziehen: häkeln (an den eingehakten Fingern ziehen) / nauen, schuben (an den Haaren ziehen) / häublen (an den Haaren ziehen; rütteln, züchtigen) / schnärren (ruckartig ziehen) / lampen (träge ziehen, von Pferden; bummeln, schlendern) / geigen (ungleichmäßiges Ziehen der Pferde) / zotzgen (zerren)

(Quelle: Fischer, Hermann u. Taigel, Hermann; Schwäbisches Handwörterbuch. 4. verbess. u. ergänzte Auflage 2012. H. Laupp’sche Buchhandlung, Tübingen)

Es grüßt
Renardo

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Du hast insofern Recht, als es wie bereits ausführlich erläutert keine badische Mundart gibt und in einzelnen kleinen Teilen Badens Schwäbisch gesprochen wird, auch wenn man das in anderen Teilen Badens nicht gerne hört.

Schöne Grüße

MM

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So drastisch hann i als Schwob des jetz et saga wella … :wink:

Schöne Grüße

Renardo