Badisch: 'fiirderschi'

Hallo Freunde des sonnigen Südwestens,

derzeit habe ich das Vergnügen, geraume Zeit mit zwei älteren Damen verbringen zu dürfen, welche solch breites Badisch (Breisgau/Markgräflerland) sprechen, dass ich nicht gänzlich dialektal geprägtes Wesen kaum mehr dem Gespräch folgen kann.

Ein Ausdruck hat dabei heute mein besonderes Interesse geweckt, nämlich ‚fiirderschi‘, was - wie ich aus dem Zusammenhang geschlossen habe - wohl ‚nach vorne‘ bedeutet.

Was in aller Welt mag bei diesem Ausdruck wohl die zugrunde liegende Ethymologie sein?

Neugierige Grüße

=^…^=

Hallo,

‚fiirderschi‘, was - wie ich aus dem
Zusammenhang geschlossen habe - wohl ‚nach vorne‘ bedeutet.

Was in aller Welt mag bei diesem Ausdruck wohl die zugrunde
liegende Ethymologie sein?

das geht mit ziemlicher Sicherheit zurück auf „fürder“ in der Bedeutung räuml. u. zeitl. weiter nach vorn, vorwärts.

Zur Etymologie siehe http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbu…
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbu…

In (Mittel-)Franken heißt es übrigens „fo/örderschə“ und „hinterschə“.

Gruß
Kreszenz

Hallo,

In (Mittel-)Franken heißt es übrigens „fo/örderschə“ und
„hinterschə“.

dazu passt auch niederbayerisch „fiari“ mit der selben Bedeutung, z.B. „Gehst fiari?“ („Gehst du nach vorne?“)

Gruß,
Nina

Besten Dank! (owt)
=^…^=

Vogtländisch: Feedersch
mach emol feedersch = beeil 'Dich, mach vorwärts. Dabei ist das Vogtland schon ein ganzes Stück von Baden weg.

pp

Servus,

alldieweil sich das jetzt zu einer Sammlung aus dem oberdeutschen Sprachraum auswächst, noch einer aus dem Schwäbischen: aus „hindersche“ = rückwärts und „firre, fîre“ = „nach vorne“ wird kombiniert „hinderschefier“ oder weiter südlich „hendersefîre“ = „überzwerch, verkehrt herum“, auch „planlos chaotisch“. Mit etwas anderen Vokalen auch im alemannischen Raum.

Aus der alemannischen Version „henderse“ mit „s“ wird übrigens (meines Erachtens, ich bin kein Linguist) deutlich, was das „-sche“ sein könnte: Nämlich ein angehängtes „sich“: fîrsche = vor sich, henderse = hinter sich.

Schöne Grüße

MM

Hallo Martin,

aus „hindersche“ = rückwärts und „firre, fîre“ =
„nach vorne“ wird kombiniert „hinderschefier“ oder weiter
südlich „hendersefîre“ = „überzwerch, verkehrt herum“, auch
„planlos chaotisch“. Mit etwas anderen Vokalen auch im
alemannischen Raum.

derlei ist mir tatsächlich auch schon untergekommen: ebbis z’hinderschi fiire hole.

Aus der alemannischen Version „henderse“ mit „s“ wird übrigens
(meines Erachtens, ich bin kein Linguist) deutlich, was das
„-sche“ sein könnte: Nämlich ein angehängtes „sich“: fîrsche =
vor sich, henderse = hinter sich.

Ja, das klingt plausibel.

Beste Grüße

=^…^=

Alemannisch: z’hinderschi fîre
Servus,

das hier:

ebbis z’hinderschi fiire hole.

ist aber, von wegen des ortsangebenden „z“, um eine Nuance anders: wörtlich „etwas zuhinderst nach vorne holen“, soviel wie „von ganz hinten zu Tage fördern“ oder „aus der Versenkung ausgraben“.

Kann metaphorisch auch auf das berühmte Kästnersche Cameel hindeuten -

Schöne Grüße (Zeit zum Mausen jetzt, halbmondhell ists auch) -

MM

Grüß Dich Kreszenz,
in firderschi ist „fürder“ enthalten. Wo könnte aber das „-schi“ herkommen
bzw. was bedeutet es?
Servus,
Roland

Hallo, Roland,

in firderschi ist „fürder“ enthalten. Wo könnte aber das
„-schi“ herkommen
bzw. was bedeutet es?

Martins Vermutung dazu (/t/badisch-fiirderschi/5415036/6

Gruß
Kreszenz

Servus Kreszenz,
das Wort „sich“ ist im Alemannischen „se“. So kenn ich es auch
im Bairischen und eigentlich auch im angrenzenden Schwäbisch. Da wird
normalerweise kein „sche“ oder „schi“ draus. Naja, vielleicht hat es sich
nur in dem Wort über die Jahrhunderte verändert. Nix gwiis woaß ma net :wink:
Habe d’Ehre,
Roland

Servus,

wie bereits angezogen, kann ich „henderse“ und „firse“ bezeugen, südlich der schwäbisch/alemannischen Sprachgrenze im Bodenseeraum.

Die Verschiebung s > sch ist zwar an dieser Stelle sehr ungewöhnlich, aber es gibt sie. Freilich muss man sich beeilen, wenn man sie noch hören will, alldieweil das Alemannische am See sehr schnell vor dem Schwäbischen zurückweicht - wenns ganz lätz hinausgeht, wird eine Generation später in Laimnau und Oberreitnau Schwäbisch gschwätzt.

Schöne Grüße

MM

Griaß di Martin,
die alemannische Aussprache „henderse“ und „firse“ ist so, wie
man es erwarten würde.

Die Verschiebung s > sch ist zwar an dieser Stelle sehr
ungewöhnlich, aber es gibt sie. Freilich muss man sich
beeilen, wenn man sie noch hören will, alldieweil das
Alemannische am See sehr schnell vor dem Schwäbischen
zurückweicht.

Interessanterweise scheint es an dieser Stelle die Verschiebung
s => sch auch im Mittelfränkischen zu geben

  • wenns ganz lätz hinausgeht, wird eine
    Generation später in Laimnau und Oberreitnau Schwäbisch
    gschwätzt.

Das Problem ist wahrscheinlich, daß Dialekte schon seit langer Zeit
ein schlechtes Ansehen haben. Hochdeutsch und neuerdings auch Mediendeutsch
sind da viel angesehener. Umso weiter ein Dialekt bzw. eine Sprache von der
Hochsprache/Mediensprache weg ist, umso schlechter ist er angesehen.
=> man versucht näher an die Sprache mit dem höheren Ansehen zu gelangen
und da ist das Schwäbische näher dran wie das Allemannische…

Wanns ganz letz aussigeht na werd in zwoa Generationen in Laimnau glei Mediendaitsch gredt. Es miaßts oanfoch a bisserle mehrer Stoiz auf enkare
scheane Sproch sei na werds scho nit so letz kemma :wink:

Wieder weiter auf hochdeutsch. Eine ähnliche Entwicklung gibt es auch im
westlichen bairischen Sprachraum z.B. bei den Richtungsadverbien. Die alten
bairischen Richtungsadverbien sind z.B. auffi - auffa, eini - eina, ummi - umma
… mit kleinen Ausspracheunterschieden (z.B. auffi, afi, aui und entsprechend auffa, affa, aua, auffr, auffar). Diese Formen endeten hochsprachlich mit nachgestellen -hin und -her (z.B. aufhin - aufher). Seit längerem ist
die hochsprachliche Verwendung des nachgestellten -hin und -her bei Richtungsangaben nicht mehr üblich. Stattdessen wird ein vorgestellten hin- und her- verwendet => z.B. hinauf und herauf. Die gekürzte Form ist z.B. nauf und rauf so wie es auch im Schwäbischen üblich ist. Nachdem die schwäbischen Formen näher an der Hochsprache sind, sind sie auch im westlichen Oberbayern immer weiter auf dem Vormarsch also (nauf, rauf, nei -rei, num - rum). Das hinum und herum ist jetzt aber hochsprachlich auch nicht mehr so üblich. Deswegen wird das „num“ - „rum“ wieder durch eine noch hochdeutsch nähere Form ersetzt, also „nüber - rüber“. Teilweise werden verschiedene Formen nebeneinander benutzt.
Wie weit genau die Verbreitung der einzelnen Formen geht und ging weiß ich
nicht, nur daß sich diese vermeintlich „schwäbischen“ Formen immer mehr nach
Osten ausbreiten.
Ein anderer Effekt ist die Aussprache „st“ als „sch/schd/scht“. Auch da findet
eine Anpassung an die Hochsprache statt. Es gibt z.B. in Oberbayern ein großes Gebiet wo man „huaschtn, luschtig, feschd, sunsch(t)/sinscht…“ gesagt hat. Heute ist daraus oft schon ein „huastn, lustig, fest, sunst/sonst…“ geworden. Da läuft die Ausbreitung in die andere Richtung nach Westen und Süden.

Ich denke wir müssen alle einfach mehrer unsere Dialekte schätzen und auf diesen
Teil Kultur stolz sein. Dann können die Dialekte und deutschen Sprachen noch länger weiterleben.

Pfiat God,
Roland

Nachtrag: äänischi
Hallo Kreszenz,

bestimmt weißt Du auch, wovon sich wohl ‚(dort) äänischi‘, was ‚(dort) hinüber‘ zu bedeuten scheint, ableiten mag…

Beste Grüße

=^…^=

Hallo, =^…^=,

bestimmt weißt Du auch, wovon sich wohl ‚(dort) äänischi‘, was
‚(dort) hinüber‘ zu bedeuten scheint, ableiten mag…

den Ausdruck kannte ich bisher nicht; er dürfte sich aber ableiten von äne = drüben (zur Etymologie kann ich allerdings im Moment nichts sagen).
Da haben wir auch wieder dieses mysteriöse „-schi“.

Quelle: Breisgauer Alemannische Kurzgrammatik http://www.noth.net/m1_kurzgrammatik.pdf

Falls ich Näheres herausfinde, geb ich Bescheid.

Gruß
Kreszenz

1 Like

äne = drüben

Es geht wohl zurück auf ahd. en(n)ōnt, mhd. jënent ënnent, ënet, ënnet: drüben, jenseits,
siehe http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbu…

Gruß
Kreszenz

1 Like

Vielen Dank!
Du bist einfach phänomenal!

Beste Grüße

=^…^=

Du bist einfach phänomenal!

Oh, danke :smile: *blush*

Gruß
Kreszenz