Bäume in Tschernobyl

Hallo,

anscheinend hatte ich mich unklar ausgedrückt in meiner vorherigen Anfrage, daher versuche ich es nochmal:

Es wurde wissenschaftlich festgestellt, dass Bäume in Tschernobyl in der Lage waren, die Erbsubstanz zu verändern und sich somit vor den Folgen der atomaren Strahlen zu schützen.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,2642…

Wie kann es sein, dass Bäume eine solche Reaktion zeigen?
Und warum ist der menschliche Körper nicht auch in der Lage, das zu vollbringen? Oder kann er es doch?

Gruß
Istiden

Hallo und willkommen zu unserem kleinen Ausflug in den Darwinismus:
Darwin sagt, dass der/die bestangepasste® überlebt.
Anpassung/Adaptation an äußere Bedingungen sind der natürlichste Vorgang der Welt(wir machen das Gegenteil: Wir passen unsere Umgebung uns an). Nehmen wir an Spezies A ist perfekt an die Umgebung B angepasst. Nun kommt Störfaktor C hinzu. Spezies A ist nicht mehr perfekt an seine (momentane) Umgebung B’ angepasst. Jetzt werden viele Versuche gestartet, indem sehr viele verschiedene Änderungen in den Genen vorgenommen werden. Die erfolgreichste Version des neuen Erbguts wird übernommen. Die Spezies A’ ist geboren. Sie ist nun perfekt an die Umgebung B’ angepasst.
Diesen Vorgang nennt man Evolution.
Der Mensch ist tatsächlich in der Lage sich gegen geringe Strahlung resistent zu machen. Für diesen Effekt gibt es auch einen Namen, der mir aber leider entfallen ist.
In unseren Beispiel ist C einfach die Strahlung.

also ich habe vor einigen tagen eine doku über diese thematik gesehen. in dieser wurde die behauptung aufgestellt, dass auch tiere sich den veränderungen angepasst hätten. ob es aber alle tiere waren, oder ob es da ausnahmen gibt, entzieht sich meiner kenntnis.

Hi…

Es wurde wissenschaftlich festgestellt, dass Bäume in
Tschernobyl in der Lage waren, die Erbsubstanz zu verändern
und sich somit vor den Folgen der atomaren Strahlen zu
schützen.

Wie kann es sein, dass Bäume eine solche Reaktion zeigen?
Und warum ist der menschliche Körper nicht auch in der Lage,
das zu vollbringen? Oder kann er es doch?

Sicher. Man muss nur einige hunderttausend Menschen dorthin zwangsumsiedeln. Idealerweise verwehrt man ihnen ausserdem den Zugang zu Verhütungsmitteln und medizinischer Versorgung.
Es wird zu diversen Erbgutveränderungen und massenhaft missgebildeten Kindern kommen, die dann größtenteils sterben und sich nicht fortpflanzen. In ein paar Generationen kann man so strahlungsresistentere Menschen züchten.

Wenn Du Veränderungen am lebenden Organismus meinst, also Bäume, die zum GAU-Zeitpunkt schon dort standen - solche gibt es kaum, aber einen statistischen Effekt:
Nehmen wir eine Menge Bäume. Keiner gleicht dem anderen hundertprozentig. Manche vertragen mehr Strahlung, manche weniger. Im Durchschnitt überleben sie eine Dosis X.
Nun verstrahlen wir den Wald kräftig. Welche Bäume bleiben wohl stehen?
Von diesen Überlebenden bilden wir wieder einen Durchschnittswert - sie vertragen die Dosis Y.
Solange mindestens ein Baum überlebt, ist Y immer größer als X.

genumi

Hallo,

also ich würde sagen je komplexer ein Organismus ist, desto länger dauert es, sich laut Darwin anzupassen. Das kann man ja an Kakerlaken sehen. Ihr Organismus ist relativ simpel und sie halten eine für uns Menschen schon tödliche Dosis locker aus.
Natürlich können sich auch Menschen und andere komplexere Organismen der Strahlung anpassen, es benötigt nur eine gewisse Zeit.

Und wenn uns über 3 Milliarden Jahre Evolution eines gelehrt haben, dann wohl, dass das Leben immer einen Weg findet…

MfG JoJo2323

Hallo,

den Artikel zum Link habe ich gelesen.
Woraus leitest du denn deine Erkenntnis:

und sich somit vor den Folgen der atomaren Strahlen zu
schützen.

ab?
Das steht doch nirgends.

Tatsächlich steht im Artikel u.a.:

Die Biologen beobachteten ein deutlich verändertes „Methylierungsmuster“ im Erbgut der Kiefern. Die an den DNS-Strang angehängten Methyl-Gruppen beeinflussen unter anderem die Gen-Aktivität.
„Methylierung ist eine Antwort auf Stress, die einer Genom-Instabilität vorbeugt und das Überleben in extrem feindlicher Umgebung ermöglicht“,

In Lehrbüchern der Botanik findet man, daß z.B. auch extreme Trockenheit für die einzelne Pflanze eine starke Streßsituation darstellt.
Hast du Ergebnisse über das „Methylierungsmuster“ von Kiefern in Rußland östlich von Moskau kurz vor dem Ausbruch der Waldbrände nach extremer Trockenheit im Jahre 2010? Die müßte man haben, um Vergleiche ziehen zu können.

Mich interessiert kein „Methylierungsmuster“.
Mich interessiert, wie viele Mutationen an Pflanzen rund um Tschernobyl nachgewiesen wurden.

Hoffentlich kommt das noch in den versprochenen Ergebnissen:
‚Die Ergebnisse des Teams sollen im Fachjournal „Mutation Research“ veröffentlicht werden.’

Gruß

watergolf

Hi,

Woraus leitest du denn deine Erkenntnis:

und sich somit vor den Folgen der atomaren Strahlen zu
schützen.

ab?
Das steht doch nirgends.

Das steht gleich im ersten Satz des Artikels:

„Die Bäume sind offenbar in der Lage, ihr Genom vor einer Destabilisierung durch Radioaktivität zu schützen.“

Hier steht es auch… einige der Bäume kommen anscheinend besser als andere mit der radioaktiven Strahlung klar:

http://www.n-tv.de/wissen/Baeume-in-Tschernobyl-muti…

Mich interessiert, wie viele Mutationen an Pflanzen rund um
Tschernobyl nachgewiesen wurden.

Die Frage war aber, wie es die (bestimmten) Bäume schafften, sich zu schützen.

Hoffentlich kommt das noch in den versprochenen Ergebnissen:
‚Die Ergebnisse des Teams sollen im Fachjournal „Mutation
Research“ veröffentlicht werden.’

Das wäre interessant.

Gruß
Istiden

Hallo,

entwickelt sich ja (nach Jahren der Ruhe) zu einem Renner
http://www.sueddeutsche.de/W5E38j/4046383/Strahlende…

Roland

Hay,

Das steht gleich im ersten Satz des Artikels:

„Die Bäume sind offenbar in der Lage, ihr Genom vor einer
Destabilisierung durch Radioaktivität zu schützen.“

Das ist doch eine reine Vermutung des Journalisten („offenbar“).
Im Artikel, auf den du im UP verwiesen hast:

http://www.n-tv.de/wissen/Baeume-in-Tschernobyl-muti…

und um den es hier geht, steht davon nichts.

In dem uns unbekannten Originalartikel steht anscheinend:
Die Biologen beobachteten ein deutlich verändertes „Methylierungsmuster“ im Erbgut der Kiefern.

Daraus, aus einem „Methylierungsmuster“, kann der Journalist doch nicht seriös schließen:
„Die Bäume sind offenbar in der Lage, ihr Genom vor einer Destabilisierung durch Radioaktivität zu schützen.“

Er weiß das, baut die Notbremse „offenbar“ ein und öffnet damit Raum für Geschwätz.

Hast du in der Zwischenzeit Korrelationen zwischen
a) „Methylierungsmustern“ und (Trockenheits-)Streß bei Pflanzen, sowie Korrealtionen zwischen
b) „Methylierungsmustern“ und Verhinderung von Mutationsbildung durch Radioaktivität
gefunden?

Darum geht es doch.

Gruß

watergolf

Hallo Roland,

entwickelt sich ja (nach Jahren der Ruhe) zu einem Renner
http://www.sueddeutsche.de/W5E38j/4046383/Strahlende…

das Thema gehört zum Füllen des beginnenden Sommerlochs für die Zeitschriften.

Auch die vielen wissenschaftlichen Mitarbeiter von Hochschulen müssen irgendwie beschäftigt werden.

Leider gibt es bei uns gar nicht mehr so viele Botaniker die überhaupt eine Mutation erkennen könnten. Das Fach Botanik wird ausgehungert. Das Wissen über die Pflanzen geht ganz rasch verloren.

Man spielt lieber geschützt in trockenen und geheizten Labors - mehr oder weniger erfolglos - an den Genen von Pflanzen herum. Für eine Dissertation reicht es allemal.

Die Genetiker hinter ihren verstaubten Monitoren erkennen in der Natur gar keine Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), ihre Lieblings-Versuchspflanze, geschweige denn eine eventuelle Mutation.

watergolf

Hallo watergolf,

komisch, bei Deinen letzten Bemerkungen fielen mir ‚Geomatiker‘ ein …
*böse - ganz böse*

Roland

Hallo,

das Thema gehört zum Füllen des beginnenden Sommerlochs für
die Zeitschriften.

Dann ist das alles nur ein Quark von Möchtegern-Botanikern, die nur im beheizten Innenraum hocken, aber eine Kiefer nicht von einer Eiche unterscheiden können?

Auch die vielen wissenschaftlichen Mitarbeiter von Hochschulen
müssen irgendwie beschäftigt werden.

Die sind also alle doof?

Leider gibt es bei uns gar nicht mehr so viele Botaniker die
überhaupt eine Mutation erkennen könnten. Das Fach Botanik
wird ausgehungert. Das Wissen über die Pflanzen geht ganz
rasch verloren.

Wieso wird dieses Fach ausgehungert???

Man spielt lieber geschützt in trockenen und geheizten Labors

  • mehr oder weniger erfolglos - an den Genen von Pflanzen
    herum. Für eine Dissertation reicht es allemal.

Die meisten Menschen haben keinerlei Kontakt zu Pflanzen… sie kaufen lieber Plastikblumen. Die sind pflegeleicht.

Die Genetiker hinter ihren verstaubten Monitoren erkennen in
der Natur gar keine Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana),
ihre Lieblings-Versuchspflanze, geschweige denn eine
eventuelle Mutation.

So geht die Welt zugrunde.

Gruß
Istiden

Servus,

nun erst einmal ist es immer sinnvoll den Originalartikel zu lesen und nicht auf ein Magazin zu vertrauen, wenn es um die Bewertung einer wissenschaftlichen Studie geht.

Hier ist der Originalartikel. Schon in der Überschrift fällt auf, dass die Autoren die Aussage die Bäume hätten sich an die Radioaktivität angepasst mit einem Fragezeichen versehen.

Weiterhin sind die beobachteten Veränderungen normale epigenetische Veränderungen als Reaktion auf Langzeit-Stress. Solche Veränderungen findet man auch bei Tieren (siehe z.B. hier) und auch beim Menschen.

Die so genannte Hypermethylierung führt zu einer sekundären Veränderung der DNA, d.h. die Information der DNA bleibt eigentlich gleich, jedoch wird die Ablesbarkeit durch die angehängten Methylreste verändert.

Daher hat die beschriebene Anpassung auch recht wenig mit Darwin bzw. Evolution zu tun, da die Hypermethylierung nicht zwangsläufig weitervererbt wird bzw. innerhalb eines Organismus stattfindet und nicht durch Selektion und Evolution getrieben ist. Es ist jedenfalls derzeit noch umstritten, wieweit solche erworbenen Eigenschaften an die Nachkommen weitergegeben werden. Wäre dem so, wäre die Epigenetik eher der späte Beweis für den Lamarckismus als für die Evolutionstheorie nach Darwin.

Wie und ob dies lediglich eine Reaktion auf Stressbedingungen ist, oder wirklich einen effektiven Schutzmechanismus darstellt, konnten die Forscher allerdings in dieser Studie nicht belegen und kommen daher zu dem Schluß:

Further studies are clearly needed to analyze in detail the involvement of DNA methylation and other epigenetic mechanisms in the complex process of radiation stress and adaptive response.

[Übersetzung] Weitere Studien sind eindeutig notwendig um im Detail die Rolle der DNA-Methylierung und anderer epigenetischer Mechanismen im komplexen Zusammenspiel von radioaktivem Stress und Anpassungsreaktionen zu verstehen.

Gruß,
Sax

Hallo Sax,

vielen Dank für deinen Beitrag.
Hoffentlich liest ihn der gutgläubige User: „Istiden“ auch.

nun erst einmal ist es immer sinnvoll den Originalartikel zu
lesen und nicht auf ein Magazin zu vertrauen, wenn es um die

Hier ist der Originalartikel.

Hast du dir den Originalartikel für € 41,95 besorgt?
Der interessiert mich auch.
Vielleicht bekomme ich ihn von einem mir bekannten wissenschaftlichen Mitarbeiter eines Instituts preislich etwas günstiger.

Gruß

watergolf

Tach,

Hast du dir den Originalartikel für € 41,95 besorgt?

tja, da muss man sich eben an die richtigen wenden :wink:

Im Ernst, viele Institutionen haben über diese Quelle Zugriff auf Volltexte. Die Institutionen zahlen auch kräftig dafür, nur vergisst man als Angehöriger einer solchen leider schnell, daß ‚Normalsterbliche‘ nur Zugriff auf die Zusammenfassungen haben.

Gandalf

Hallo,

vielen Dank für Eure informativen Antworten… (und ja, ich habe es gelesen, alles):smile:

Grüße
Istiden