Bankeinlagen für die Geldschöpfung irrelevant?

Hallo,

ich hab neulich einen TV-Bericht gesehen, worin gesagt wurde, Geld werde bei uns hauptsächlich dadurch geschöpft, dass die Banken Kredite vergeben. Die Banken könnten praktisch mit einem Mausklick (mit dem sie das Konto des Schuldners anlegen) Geld schaffen. Die Vorstellung, dass die Bank das Geld von den Guthaben ihrer Kunden nimmt, um es zu verleihen, sei dagegen falsch.

Aber wenn die Bank nicht das Guthaben der Kunden nutzen würde, um es weiter zu verleihen, welchen Grund hätte sie denn dann überhaupt, Zinsen dafür zu zahlen?

Gibt es beide Arten von Krediten, sozusagen welche, die auf altem Geld basieren, und welche, bei denen neues Geld geschaffen wird? Wenn ja, wie ist das Verhältnis zueinander?

Und kann mir jemand ein Buch empfehlen, wo das mit der Geldschöpfung umfassend und erschöpfend, aber trotzdem leicht verständlich erklärt wird? (Umfassend und erschöpfend deshalb, weil ich schon VWL-Lehrbücher in der Hand hatte, aber da wurden immer nur Dinge erklärt, die sofort weitere Fragen aufwarfen. Nie sah man das ganze Bild. Und mit leicht verständlich meine ich: Man sollte es auch verstehen können, ohne sich mit komplizierten Formeln und Graphen auseinandersetzen zu müssen.)

Danke!

Die Banken leihen sich das Geld von der Zentralbank. Das ist zu dem immer wieder zitierten Zinssatz, der die letzen Jahre gesenkt, gesenkt und wieder gesenkt wurde, um der Wirtschaft die Aufnahme von Krediten (und damit das kreieren neuer Geschäfte) zu erleichtern.
Neues Geld definieren die Notenbanken, die wie die letzten 2 Jahre, faule Kredite aufkaufen mit neu definiertem Geld und damit die jeweilige Währung „verdünnen“. Das Verdünnen merkt man dann langfristig an der Inflation. Das ist ungefähr wie bei den Alkoholikern, die heimlich trinken. Sie gehen an den Schnapsvorrat, trinken aus der Flasche und füllen so mit Wasser nach, dass der Eigentümer der Flasche nichts merken soll.
Udo Becker

Hallo,

Wenn die Geschäftsbanken beliebig viel Giralgeld schaffen könnten, würde sich das sicher negativ auf die Preisstabilität auswirken, deren Gewährleistung für den Euroraum aber ein vorrangiges Ziel der EZB ist.
Eines ihrer wichtigen Instrumente um das Ausmaß der Geldschöpfung zu beeinflussen, ist die Mindestreserve, zu der die Geschäftsbanken verpflichtet werden können und die z.Z. im Eurosystem 1% beträgt.
Berechnet wird die Mindestreserve aus Sicht-, Termin- und Spareinlagen.
Hat z.B. eine Geschäftsbank ihren Kunden insgesamt 100 Millionen Euro auf Girokonten gut geschrieben, muss sie 1 Million Euro als Mindestreserve halten.

I.d.R. ist es so, dass die Geschäftsbank, die einem Kunden einen Kredit gewährt oder einen Vermögenswert abkauft, den entsprechenden Betrag auf dessen Girokonto gut schreibt.
Durch diesen Buchungsvorgang ist Giralgeld in entsprechender Höhe entstanden.

Deutsche Bundesbank: „Geld und Geldpolitik“, kostenlos
Bernd Senf: „Der Tanz um den Gewinn“, www.berndsenf.de
Hubert/Robertson: „Geldschöpfung in öffentlicher Hand“
Hans Georg Binswanger: „Geld und Magie“

Gruß
Pontius

Super, danke für die Tipps.

Nochmal zur Mindestreserve: Wenn ich es richtig verstehe, ist das die Verbindung zwischen eingezahlten Geldern der Kunden und der über Kredite neu geschaffenen Geldmenge. Wenn aber die Gelder der Kunden von anderen Banken geschaffen werden können, dann können die Banken doch in Summe trotzdem so viel Giralgeld schaffen, wie sie möchten. Es müsste doch nur der von Bank A geschaffene Kredit auf ein Konto bei Bank B gestellt werden, und schwups hat Bank B wieder mehr Spielraum. Oder?

Und wie spielt hier das von der Zentralbank geschaffene Geld hinein?

Das Problem, das ich bei der Erklärung der Geldschöpfung immer habe, ist, dass man die Sache immer mit Begriffen erklärt, die ihrerseits nicht bekannt sind. Bei deiner Erklärung sind es die Begriffe Sicht-, Termin- und Spareinlagen. Das alles nachzuschlagen und zu begreifen, kostet so viel Zeit, dass ich dann immer kapituliere (und wahrscheinlich geht es nicht nur mir so). Und wenn man solche Begriffe doch nachschlägt, landet man oft bei Zirkeldefinitionen. Mir fehlt der „Anfang“, das, was man versteht, und worauf dann alles andere aufbaut, Schritt für Schritt.

Wenn das von Bank A selbstgeschaffene Geld abfließt, weil sich z.B. der Kunde von dem Kredit etwas kauft und er deshalb den entsprechenden Betrag an den Kunden der Bank B überweist, muss die Bank A diesen Kredit nun aus anderer Quelle refinanzieren, d.h. dass z.B. die Bank B ihr einen Kredit in gleicher Höhe gewährt, für den sie Zinsen zahlen muss, die den Geldschöpfungsgewinn der Bank A entsprechend verringern.
Übrigens wird die Vergabe von Krediten oder der Ankauf von Vermögenswerten nicht nur durch die Mindestreservepflicht begrenzt, sondern auch durch die Regeln der Bankaufsicht, z.B. bzgl. des Eigenkapitals.

Um Privatpersonen mit Bargeld versorgen zu können, nimmt die Bank normalerweise bei der Zentralbank einen Kredit auf, d.h. die Zentralbank schreibt der Geschäftsbank den aufgenommenen Betrag auf dem Konto der Bank bei der Zentralbank gut. In diesem Fall wurde Zentralbankgeld geschöpft.

Es ging dir doch darum, zu verstehen, welchen Nutzen die Kundengelder für die Bank haben und dafür brauchst du doch nicht jeden einzelnen der von mir genannten Begriffe genau zu kennen.

In diesem Link ist das Thema Geldschöpfung m.E. sehr gut erklärt:

https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Service/Schule_und_Bildung/geldschoepfung.html

Franz

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Ich will den gesamten Prozess verstehen, und da hatte ich immer das Problem, dass Dinge mit Dingen erklärt wurden, die ihrerseits nicht klar waren. Aber du hast mir schon ein gutes Stück weitergeholfen, danke!