Bar Mitzwa und Lesefähigkeit

Hallo,

bei der jüdischen Bar Mitzwa, der christlichen Erstkommunion oder Konfirmation vergleichbar, muss dass jeweilige Kind ja aus der Tora vorlesen.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass Juden aus diesem Grund schon in früheren Zeiten, lesen und schreiben konnten, während das in der nichtjüdischen deutschen Bevölkerung erst im neunzehnten Jahrhundert mit der Einführung der Schulpflicht in mehr und mehr Landesteilen der Fall wurde?

Oder lernt das jüdische Kind nicht wirklich Lesen und Schreiben, sondern nur einen einzelnen bekannten und geübten Text vorzulesen?

Grüße
Carsten

Der Tora-Unterricht ist nicht nur Jahrhunderte früher, sondern auch im Leben jahre früher.

Irgendwo muss die schon von Max Weber beschriebene erhöhte Intelligenz (etwa eine Standardabweichung) ja herkommen.

Servus,

„das jüdische Kind“ muss nicht Dreimaleinsgleicheins lernen und auch nicht, dass lebende Leichen aus eigener Kraft aus einer Höhle in den Himmel fliegen können, und es ist von daher a priori ein bissele weniger eingeschränkt in seinen intellektuellen Fähigkeiten als sein taufwassergeschädigtes Pendant.

Theodor Dentler hat mir einmal erzählt, dass es in einem bedeutenden Teil jüdischer Tradition in Europa nur einen Anlass gebe, aus dem es Eltern erlaubt sei, ein Kind zu schlagen: Wenn es sich weigere, Lesen zu lernen - weil man ohne Lesen auch keinen Zugang zur Schrift haben kann.

Ganz unabhängig davon ist es übrigens ziemlich seltsam, wenn man im Alter von dreizehn Jahren nicht lesen kann. Ich habe meiner Großmutter, die nur noch wenig sehen konnte, im Alter von vier Jahren vorgelesen, ohne mir dabei einen Zacken aus der Krone zu brechen.

Schöne Grüße

MM

Mancheiner kann dem erst später Abhilfe schaffen

Servus,

in der Tat.

Wobei diejenigen aus der Liga Krupp - Borsig - Thyssen - Flick - Bosch - De Dietrich etc. etc., die rechtzeitig merkten, dass Analphabeten weniger gut verwertbar sind, aus dieser anompfirsich banalen Erkenntnis erhebliche Konkurrenzvorteile ziehen konnten.

Schöne Grüße

MM

Hallo Carsten

Nicht direkt.

Der eigentliche Grund für die verstärkte Alphabetisierung in früheren Jahrhunderten ist darin begründet, dass - anders als in der christlichen Religion - es im Judentum keine Priester als Mittler zwischen Gott und den Menschen gibt. Juden sind ausschließlich selbst dafür verantwortlich, die Gesetze Gottes einzuhalten. Und da im Judentum in religiösen Dingen der Grundsatz gilt, Unkenntnis schützt vor Strafe nicht, muss jeder religiös mündige Jude (also ab der Bar Mitzwa) in der Lage sein, die in den Schriften niedergelegten religiösen Vorschriften zu lesen und korrekt anzuwenden.

Der Rabbi hat dabei nicht die Funktion eines Priesters, sondern er ist der Schriftgelehrte, welcher zu Rate gezogen werden kann, wenn in der konkreten Situation Zweifel über die korrekte Auslegung der Vorschriften bestehen.

Das könnte etwa so aussehen:
Es gibt strenge Vorschriften, die Sabbatruhe betreffend.
Frage an den Rabbi:
„Es ist verboten, am Sabbat zu arbeiten oder zu rauchen. Darf man am Sabbat schlafen mit einer Frau?“
Antwort des Rabbi nach langem überlegen:
„Ja, man darf! Aber nur mit der eigenen. Ein Vergnügen darf es nicht sein!“

Gruß
:japanese_ogre: merimies

Hallo,

die Feier von Bar Mizwa und Bat Mizwa ist weder inhaltlich noch formal auch nur annähernd vergleichbar mit den chriistlichen Riten von Erstkommuniom oder Konfirmation.

In der christlichen Tradition wurden Erstkommunion und Firmung erst ab Anfang des 3. Jhdts vom Taufritus (zu Beginn des Puberät), der das eigentliche Initiationsritual war, in der theologischen Bedeutung separiert. Mit der Einführung der Kindertaufe im 4. Jhdt wurden dann daraus unterschiedene Riten bzw. sog. „Sakramente“ (lat. < griech. „mysterion“). In der Reformationzeit wurde dann davon wiederum die Konfirmation separiert, die inhaltlich ebenfalls keine Verwandtschaft hatte, außer, dass in manchen Konfessionen damit zugleich das erste Abendmahl verbunden wurde. Mit der Lese- und Schreibfähigkeit waren diese Riten jedoch nie assoziiert. Einführung der Schulpflicht aber gab es in verschiedenen Teilen Europas hier und da bereits ab dem 16. Jhdt.

Analoge Riten gab und gibt es aber im Judentum nicht. Bar Mizwa bzw Bat Mizwa sind Feiern im Kontext der Kompetenz des Jugendlichen, bestimmte Texte aus der Torah und den Nevi’im vorzutragen. Diese Tradition gab es erst seit dem 14. Jhdt. Dazu gehörte zwar die Schulung der hebräischen Schrift, aber nicht, auch die hebräische Sprache zu beherrschen. Hebräisch war nämlich seit dem 2. Jhdt keine Umgangssprache mehr. Sie wurde nur noch in der jüdisch-theologischen Literatur (Talmudim, Midraschim u.a.) ab dem 1. Jhdt. n. u. Z. transportiert und war in dieser Form nur gebildeten Schichten zugänglich. In einigen Gegenden der jüdischen Diaspora wurde dagegen nur aramäisch gesprochen und später in abgeleiteten Varianten wie z.B. jiddisch.

Hebräisch lesen und schreiben als Bildungsgrundlage kam erst zum Tragen nach der Reaktualisierung der hebräischen Sprache Ende des 19. Jhdts.

Gruß
Metapher

Hallo meremis

das ist leider gleich zweimal falsch.

  1. ist am Sabbat Arbeit verboten aber Vergnügen erlaubt.
    und 2.
    Fragt ein Knecht einen anderen:
    "Wenn der Bauer mit seiner Frau schläft, ist das Arbeit oder Vergnügen.
    Antwort:
    „Vergnügen, wenn es Arbeit wäre, müssten wir es machen.“

Gruss Harald