Barttragen im 19. Jahrhundert

Hallo Wissende,

wenn man sich die Photos bekannter Männer im (späten) 19. Jahrhundert anschaut, fällt es auf, daß sehr viele von ihnen einen mehr als prächtigen Bart tragen.
Marx und Engels mögen da die bekanntesten sein, aber auch andere.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das auch noch so, erst in den 20rn des letzen Jahrhunderts verschwanden diese Gesichtsmatratzen.

Woran lag es?
Zum einen, warum trugen die Männer so oft so dicke Bärte und warum verschwanden sie so schlagartig?
War für das Verschwinden das Ende der Monarchie verantwortlich? Und warum trugen dann die Monarchisten nicht weiterhin Bärte?
Und wie kam es zu den Bärten, denn zu Beginn des 19. Jahrhunderts bilde ich mir ein, relativ wenige Bartträger auszumachen.
Den Kaiser als Vorbild kann man vielleicht bei Friedrich III. ausmachen, aber sein Vater Wilhelm I. trug zwar beeindruckende Koteletten und sein Sohn Wilhelm II. nur einen Lippenbart. Zudem regierte Friedrich III. keine 100 Tage.

Also; woran lags?!

Gandalf

Hallo Gandalf,
drei links auf die Schnelle gefunden:
http://www.carmens-frisier-stube.de/service/haarigeg…
http://www.was-war-wann.de/mode/bartmode.html
http://www.gnegel.de/bartselbstrasur.htm
Der letzte link liefert in meinen Augen die schlüssigste Erklärung.
LG
Almut

Hallo Gandalf,

warum trugen die Männer so oft so dicke Bärte

zumindest für das Aufkommen der Barttracht kann man politische Gründe ins Feld führen:
http://www.gnegel.de/bartpolitsch.htm
auch wenn man das sicher nicht verallgemeinern kann.

warum trugen dann die Monarchisten nicht
weiterhin Bärte?

Na, zumindest trugen die Anhänger von Kaiser Wilhelm II. seinen „Es-ist-erreicht-Bart“.

Also; woran lags?!

Irgendwann liegt es dann nur noch (oder überwiegend) an der Mode…

Viele Grüße
Marvin

Stefan Zweig, Die Welt von Gestern
Hallo Gandalf,

dazu ein paar interessante Zitate aus Stefan Zweigs (1881 - 1942) Autobiographie „Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers“:

M_ein Vater, mein Onkel, meine Lehrer, die Verkäufer in den Geschäften, die Philharmoniker an ihren Pulten waren mit vierzig Jahren schon beleibte, ‚würdige‘ Männer. Sie gingen langsam, sie sprachen gemessen und strichen im Gespräch sich die wohlgepflegten, oft schon angegrauten Bärte. Aber graues Haar war nur ein neues Zeichen für Würde, und ein ‚gesetzter‘ Mann vermied bewusst die Gesten und den Übermut der Jugend als etwas Ungehöriges._ […]

[…] aber auch ein Mann von dreißig Jahren wurde noch als unflügges Wesen betrachtet, und selbst der Vierzigjährige noch nicht für eine verantwortliche Stellung als reif erachtet. […] Während heute in unserer vollkommen veränderten Zeit Vierzigjährige alles tun, um wie Dreißigjährige auszusehen und Sechzigjährige wie Vierzigjährige, während heute Jugendlichkeit, Energie, Tatkraft und Selbstvertrauen fördert und empfiehlt, mußte in jenem Zeitalter der Sicherheit jeder, der vorwärts wollte, alle denkbare Maskierung versuchen, um älter zu erscheinen. Die Zeitungen empfahlen Mittel, um den Bartwuchs zu beschleunigen, vierundzwanzig oder fünfundzwanzigjährige junge Ärzte, die eben das medizinische Examen absolviert hatten, trugen mächtige Bärte und setzten sich, auch wenn es ihre Augen gar nicht nötig hatten, goldene Brillen auf, nur damit sie bei ihren ersten Patienten den Eindruck der ‚Erfahrenheit‘ erwecken könnten. Man legte sich lange schwarze Gehröcke zu und einen gemächlichen Gang und wenn möglich ein leichtes Embonpoint, um diese erstrebenswerte Gesetztheit zu verkörpern, und wer ehrgeizig war, mühte sich, dem der Unsolidität verdächtigen Zeitalter der Jugend wenigstens äußerlich Absage zu leisten.[…] Alles, was uns heute als beneidenswerter Besitz erscheint, die Frische, das Selbstbewußtsein, die Verwegenheit, die Neugier, die Lebenslust der Jugend, galt jener Zeit, die nur Sinn für das ‚Solide‘ hatte, als verdächtig.[…]

Die ganze Generation entschloß sich, jugendlicher zu werden, jeder war im Gegensatz zu meiner Eltern Welt stolz darauf, jung zu sein; plötzlich verschwanden zuerst bei den Jüngeren die Bärte, dann ahmten ihnen die Älteren nach, um nicht als alt zu gelten.

Viele Grüße,
Diana

Herzlichen Dank
Hallo ihr drei,

vielen Dank für die Informationen.
Es scheint dann wohl eine Mischung aus Modeumschwung, Wandel der Weltanschauung und Entwicklung einer besseren/bequemeren Rasiertechnik zu sein.

Danke und *

Gandalf

Servus

Ich denke es liegt daran das Bärte in dieser Pracht eher als unhygienisch angesehen werden. Die Bärte die heute getragen werden sind meist nur Dünne Striche oder kleine Betonungen der Backengegenden.

Zu einem ist es normal das sich die Dinge verändern. Betrachten wir doch einmal die Kleidung, welche sich alleine in den letzten 10 Jahren drastisch veränderte. Man muss nur die Kleidung der Schulkinder von heute mit die aus unserer Zeit vergleichen.

Bärte im 17 oder 18. Jahrhundert waren auch ein zeichen von Macht und Wohlstand. Ein Mann mit einem Vollbart gehörte zu den eher angesehenen Personen… Warum weiß keiner. Aber im Vergleich werden Personen in Anzügen mit Reichtum, WOhlhaben, Ordnung etc. assoziert.