Baustil / Architektur in der Weimarer Klassik

Hallo
Wie schaut denn der Baustil in der Weimarer Klassik (1786-1805) aus? Kennt dazu jemand nützliche Links?
Danke

Servus,

einer der sehr seltenen im Kern rein klassizistisch angelegten Orte in D ist Oberdischingen. Schau mal nach Bildern, interessant sind insbesondere die tempelartig turmlosen - oder nur mit Stummeln versehenen - Kirchen der Epoche. Beispiele dafür auch in Oggersheim, St. Blasien, und natürlich die Madeleine in Paris.

Eine aufmerksam wiederhergestellte Gartenanlage aus der Epoche ist das Gütlein von Christoph Martin Wieland in Oßmannstedt. Dort kann man beiläufig auch sehen, wie fließend die Übergänge zwischen den Epochen sind, und wie wenig es ihnen letztlich gerecht wird, wenn man sie schubladisiert.

Schöne Grüße

MM

Zu der Architektur zur Zeit der weimarer Klassik habe ich folgendes gefunden:
…Zu den Prinzipien dieser Architektur zählen die Verwendung griechischer und römischer Tempelmotive, einfache, blockhafte Bauweise und sparsamer Dekor. …
http://www.abipur.de/hausaufgaben/neu/detail/stat/11…

Die Madeleine ( http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:%C3%… ) ist meiner Meinung nach schon großzügig verziert! Wiederspricht sich das dann nicht? Oder verstehe ich da etwas falsch?

Servus,

Widerspricht sich das dann nicht?

Nein, nicht unmittelbar.

Einmal ist die Entwicklung zum Klassizismus im Kontrast zu Rokoko-Bauten zu sehen, extrem ausgeprägt im süddeutschen Raum und Österreich, auch auf Sizilien und in Spanien hat es schöne Beispiele für die Dekorationsfreude im Rokoko, die in ihrer Entwicklung in dieser Richtung „nicht mehr weiter konnte“. Beispiele die Wallfahrtskirchen Steinhausen und Wieskirche, bei denen das Gebäude selbst weitgehend auf seine Funktion als Gerüst für Dekoration, Ausstattung und Malerei reduziert ist.

Die Madeleine ist insofern programmatisch für den Klassizismus, als sie einen antiken Tempelbau regelrecht kopiert; dieses einschließlich der Skulpturenfriese und Kapitelle, die freilich dort noch viel reicher sind als bei späteren klassizistischen Bauten. Wenn Du mal die Struktur und die Proportionen des gesamten Baues mit den genannten Kirchen Steinhausen und Wies vergleichst, siehst Du deutlich den Unterschied. In Steinhausen ging die Auffassung des Gebäudes als bloße Hülle für die Ausstattung übrigens so weit, dass sich die Kirche bereits rund zweihundert Jahre nach ihrem Bau selbst zerlegt hätte, wenn man ihre Zentralkuppel nicht in den 1970er Jahren mit einem Stahlbetongürtel abgefangen hätte - und dies nicht unbedingt wegen fehlenden Kenntnissen in Statik.

Bei anderen klassizistischen Bauten findet sich eine Entwicklung hin zur eigenen Formensprache und Klärung der Dekoration.

Achja, zu den genannten Beispielen noch ein kleines scharmantes Stücklein mitten zwischen Rokoko, Klassizismus und Empfindsamkeit: Schloss Arenenberg.

Schöne Grüße

MM

Hallo, Deza,
es ist ja nicht so, dass irgend jemand beschlossen hätte: „So. Und ab jetzt machen wir Klassizismus!“ Vielmehr sind die Übergänge - wie du ja selbst festgestellt hast - fließend, sie entwickeln sich, reifen zu einem Höhepunkt und werden von der nächsten „Mode“ abgelöst.

Grüße
Eckard

meinst du mit Weimarer Klassik die Weißenhofsiedlung in Stuttgart?
hier gibts Baupläne und virtuellen Rundgang…
http://www.weissenhofsiedlung.de/
http://weissenhof.ckom.de/00_startseite/index.php?fl…

Viele Grüße
Steffi

Servus,

aua, da geht was daneben:

Die Weimarer Klassik lässt sich in etwa mit der Periode zwischen Goethes Italienreise und Schillers Tod 1805 eingrenzen, wenn man ganz großzügig ist, mit Goethes Tod 1932. Also je nach Bestimmung über ein Jahrhundert vor dem Bau der Weißenhofsiedlung 1927.

Vermutlich denkst Du beim Stichwort Weimar an die erste Zeit des Bauhauses. Der Werkbund und die Stuttgarter Schule waren aber nicht irgendwie geartete Anhängsel des Bauhauses, sondern diese Schulen befruchteten sich gegenseitig. Stuttgart war zwischen den Kriegen, genau genommen schon wenigstens ab 1914 (Baubeginn des Hauptbahnhofes) von Paul Bonatz ein Zentrum der Avantgarde in der Architektur, und Bonatz, Mies van der Rohe, Le Corbusier, Gropius dürfen ruhig in einer Reihe genannt werden, ohne dass man einen als den Schüler eines andren bezeichnen könnte.

Wie auch immer: „Klassik“ kann man Bauhaus und Neue Sachlichkeit wohl kaum nennen.

Schöne Grüße

MM

Vielen Dank für die zahlreichen Antworten!
Hat mir sehr weitergeholfen!

Danke, daß du mich dumm sterben läßt… man lernt eben nie aus… :wink:
Steffi