Hallo,
Ich denke, eine „Berufsmentalität“ hängt eher davon ab, was jemand den ganzen Tag lang tut. als davon, welchen Status er hat.
Beamten können Lehrer sein, Richter, Professoren, Standesbeamte, vielleicht sogar noch Postboten (oder ist das inzwischen abgeschafft?), Notare oder sie können auf den Ämtern Personalausweise ausstellen und Dokumente beglaubigen. Diese Berufsgruppen werden nicht alle die gleiche Mentalität haben.
dass das (dienstliche) Denken von Beamten anders beschaffen
sei als das von Funktionsträgern in anderen Organisationen.
Meinst Du damit eine gewisse Pedanterie, einen Hang zum Formularausfüllen, Ankreuzen, Abhaken, Umwege und Abschweifungen verabscheuen? - Das kommt meiner Meinung eher davon, dass man den ganzen Tag irgendwelche langweiligen Abläufe systematisch erfassen soll. So einen Job hatte ich mal 1 Jahr lang an der Uni neben meinem Studium. Ich sollte irgendwelche Personallisten führen, im Auge behalten, was jeder gemacht hat, ob jeder das gemacht hat, was er sollte und das in eine Datenbank eintragen. Es war so ähnlich, wie ich mir Arbeit auf einem Amt vorstellte (nur, dass es bei mir nur wenige Stunden pro Woche ausmachte - mehr hätte ich auch nicht ausgehalten).
Um das zu erfassen, musste ich auch per Email (vorzugsweise) eine Art Formular (das ich selbst entworfen hatte) herumschicken und die Antworten irgendwie logisch in verschiedene Verzeichnisse abspeichern und, wenn sich genug zu einem Thema gesammelt hatten, dies dann in die datenbank eintragen.
Ich hatte etwa 200 Leute zu verwalten und leider gab es furchtbar viele verschiedene Varianten. Die Leute hatten alle verschiedene Stellen, Stundenzahlen, Aufgabengebiete, Freistellungen aller Art, etc. Den Überblick zu behalten war der reinste Horror. Und eigentlich wollte ich nicht zu viel Zeit damit verbringen, sondern mir nur nebenbei mein Studium etwas finanzieren.
Und plötzlich war ich selbst furchtbar bürokratisch. Eigentlich wollte ich gar nichts individuelles mehr wissen, sondern nur diese Formulare ausgefuellt per Email zurueckbekommen, so dass ich sie innerhalb von Minuten kapieren und abspeichern konnte. Der Horror waren die Leute, dich nichts ausfuellten, sondern anfingen, in eigenen Worten zu erklaeren. Dann musste ich die mail eine Viertelstunde lang lesen, um selbst zu sehen, wo die Kreuze hingehoerten. Oder die, die gar keine Mail schickten, sondern zu mir kamen, um es mir persoenlich zu erklaeren (konnte ich mir nicht merken). Oder die, die Felder leer liessen - dann musste ich rueckfragen und mehr Mails verschicken und die Antworten dann wieder mit der 1. mail in Verbindung bringen (die ich dann oft schon vergessen hatte), etc.
Und dann hatte ich mit der Zeit immer bessere Systeme und immer ausgefeiltere schlagwortartige Fragen und dann fing ich an Fristen zu setzen und mit der Unileitung Druckmittel auszuhandeln fuer die, die gar nicht antworten und ich glaube schon, ich wurde den Leuten auf dem Einwohnermeldeamt immer ähnlicher.
Und dann kamen natürlich auch etliche, die glaubten, wenn ich dies hier verwalte, wüsste ich auch über xy (Vorlesungsplanung, Raumplanung) Bescheid und wollten mir da zusätzliche Arbeit anhängen oder Dinge von mir erklärt bekommen oder wollten etwas in die Datenbank eingetragen haben, was ich technisch hätte tun können, das aber nicht in meine Kompetent fiel - und ich wusste genau, wenn ich einmal ja sage, kommen sie immer wieder zu mir und nicht zu der Person, die dafür eigentlich zuständig ist und anstatt, dass man mir dankbar ist, 1x geholfen zu haben, bekomme ich so immer mehr Arbeit. Also habe ich dies mit zunehmender Erfahrung natürlich immer konsequenter abgelehnt.
Und darüber habe ich inzwischen oft nachgedacht, aber ich wüsste nicht, wie man mit solchen Tätigkeiten anders umgehen sollte. Und wenn sie dann nicht nebenbei sind, sondern hauptberuflich und man sich jeden Tag mit den gleichen langweiligen Systematisierungen rumschlägt und gleichzeitig weiss, die Leute müssten sich nur herablassen und die Dinge so ausfüllen, wie ich es ihnen vorschreibe und ich hätte nur noch halb so viel zu tun - naja.
Ich jedenfalls bekam einen zunehmenden Hass auf alles, was nicht stromlinienförmig so war, wie ich es für meine Bedürfnisse als am praktischsten einschätzte. Und das ist es, was meiner Meinung nach den Bürokraten ausmacht. Es gibt aber nun Tätigkeiten, bei deren Ausführung JEDER bürokratisch wird. Jedenfalls kann ich es mir nicht anders vorstellen.
Mit vielen Grüssen, Walkuerax