Begriff 'Vernehmung'?

… eigentlich eine eher semantische Frage, aber interessiert mich einfach doch:

Ich bin in einem Brandfall der Geschädigte, die Brandstiftung (nachgewiesen) fand letzten Dezember an meinem unmittelbaren Arbeitsplatz (als Angestellter) statt.

Überhaupt kein Thema, dass ich dazu mehrmals mit dem zuständigen KHK der Abteilung Brandstiftung vom hiesigen Polizeipräsidium Gespräche führte, gerade weil es eben um Täterwissen ging.
(Und es ist inzwischen auch geklärt, wer es war … ein frustrierter Auszubildender …)

Was mich jetzt aber interessiert:
Warum heißt es in den von mir unterschriebenen Protokollen eigentlich immer „Zeugen- Vernehmung“ und nicht „Zeugen- Befragung“ oder ähnlich neutral???

… in meiner laienhaften Sicht hat die Formulierung „Vernehmung“ immer ein klein wenig die Konnotation von „suspekt“, auch wenn der Kopf sagt, dass es natürlich ganz klar&selbstverständlich das Einvernehmen meiner Aussagen war.

Gibt es einen tieferen Grund für diese Wortwahl - oder ist das einfach irgendwie historisch gewachsen?
(So wie ich aufgrund eines Todesfalls in der Familie seit 1 Woche den Unterschied zwischen „Erbe“ und „Vermächtnis“ kenne.)

Übrigens an dieser Stelle ein Lob: Die Jungs von der Brandabteilung waren absolut professionell - man fand eine DNA-Spur an einer weggeworfenen Streichholzschachtel, welche letztendlich zum Brandstifter führte. (Eigenlob: Auf die ich hingewiesen hatte, die Polizei hatte wiederum sie tatsächlich übersehen.)

Stefan

Servus, Stefan,

warum das jetzt historisch so genannt wurde, weiß ich wirklich nicht. Aber soweit ich weiß wird strafprozessual zwischen einer formlosen Befragung und einer förmlichen Vernehmung unterschieden.

Eine formlose Befragung besteht schon darin, daß ich jemandem Fragen stelle, um herauszufinden, ob er als Zeuge oder Verdächtiger überhaupt in Betracht kommen könnte (z.B.: haben sie irgendwas gesehen?).

Sobald dann aber beispielsweise die Zeugeneigenschaft feststeht und der Polizist ans Eingemachte geht, wird es zu einer formellen Vernehmung, bei der der Zeuge auch gewisse Rechte und Pflichten hat.

Die Benennung dürfte sich also historisch eher aus den Vorschriften ergeben haben.

Gruß Manu

Warum heißt es in den von mir unterschriebenen Protokollen
eigentlich immer „Zeugen- Vernehmung“ und nicht „Ze
ugen- Befragung“ oder ähnlich neutral???

Ursprünglich hat „vernehmen“ (wie übrigens auch „verhören“) eine neutrale Bedeutung: mhd. vernëmen - hören, anhören.

Laut Pfeifer ist der Begriff seit Ende des 17. Jh. in der Gerichtssprache üblich für ‘jmdn. befragen und anhören, verhören’ (siehe auch Grimm / 5): in der gerichtssprache einen vernehmen, einen veranlassen, sich auszusprechen).
In der Gerichtssprache hat sich der Begriff also gehalten, während er in der „Alltagssprache“ in dieser Bedeutung inzwischen obsolet ist.

… in meiner laienhaften Sicht hat die Formulierung „Vernehmung“ immer ein klein wenig die Konnotation von „suspekt“

Diese Konnotation wird bereits im Meyers (1905) angesprochen:

[…] die amtliche Befragung einer Person über zweifelhafte Tatumstände, um darüber Gewißheit zu erlangen; sie wird im bürgerlichen Prozeß mit Zeugen und Sachverständigen, im Strafverfahren mit diesen, aber auch mit dem Angeschuldigten vorgenommen.
Manche verstehen unter V. nur die letztgedachte Art der Vernehmung.

Gruß
Kreszenz

Danke Kreszenz, danke Manu,

Eure Antworten haben mir geholfen - also stehe ich mit meinem „Bauchgefühl“ zu diesem Wort nicht alleine da, sondern es wird bereits seit 1905 in diesem „verschobenen“ Umfeld gesehen.

Wie gesagt: ich hatte keine Sekunde lang ein unangenehmes Gefühl (bis auf das, dass mein Lebenswerk abgebrannt ist - ein Archiv, welches ich seit 29 Jahren aufgebaut hatte und wofür ich einst eingestellt wurde), ganz im Gegenteil - der Mann von der Brandkommission war außerordenlich freundlichhöflich (es gab ja auch keinen Grund, warum nicht), hat auf meine Arbeitszeiten Rücksicht genommen usw.

Neben den für mich wirklich interessanten etymologischen Hinweisen von Kreszenz ist aber der aktuelle Knackpunkt der Hinweis von Manu, dass es hier natürlich auf einen Strafprozess hinausläuft, womit ich Zeuge und nicht nur mehr Befragter, quasi Passant auf der Straße, bin.

Damit wurde ich eben „gehört“ bzw. meine Rede wurde „vernommen“ und ich wurde nicht nur „gefragt“.

Macht Sinn.

Stefan

Hallo,

der Begriff Vernehmung ist, wie schon ausgeführt, historisch gewachsen. Er wird aber auch in der StPO benutzt, wenn es darum geht, Zeugen oder Beschuldigte zu befragen, wie z.B. im § 136 StPO oder § 161 a (4) StPO. Von daher ist der Begriff mit einer Legaldefinition unterlegt. Der Begriff des Verhörs stammt in erster Linie aus Krimis und reizt die meisten Polizisten eher zum Lachen.

Gruss

Iru