Behinderung? Ja oder Nein?

Hallo,

bei einer Sehschwäche von Geburt an (ein Auge unter 10%, kein Stereosehen, das andere Auge keine Sehschwäche, geboren 1965 in der DDR) hat dieser arme Mensch nicht die Möglichkeit, diese Behinderung amtlich anerkennen zu lassen (steuerlich oder mit einem Ausweis). Wäre diese Behinderung durch einen Unfall passiert, so gäbe es keine Probleme. Ebensowenig, wenn er damals im Westen geboren wäre (lt. Aussage eines Amtsarztes). Ist diese Aussage richtig? Was kann dieser Mensch tun, damit er nicht als Gesunder gilt, also die Behinderung anerkannt wird? Es geht nicht um das Geld, aber bei Arbeitssuche, Berufswahl etc., immer sind Grenzen gesetzt. Und ohne Behindertenausweis ist auch keine öffentlich ausgeschriebene Stelle für diesen Menschen erreichbar, die auch für Behinderte ausgelobt wird.

Gruß
Selorius

Hallo,

1.) Der Grad der Behinderung ist unabhängig davon, wie eine Behinderung erworben wurde. Die angebliche Aussage des Amtsarzt macht keinen Sinn. Sprich mit deinem Hausarzt oder Augenarzt und wende dich direkt an das Versorgungsamt.

2.) Bei einer Sehschärfe von weniger als 0,1 gibt es einen Behinderungsgrad von 25 bis 30%. Je nach dem, wie gut das andere Auge ist, könnte es also einen GdB von 20 bis 30% geben.
Einen Schwerbehindertenausweis gibt es erst ab 50% und dafür müssen beide Augen deutlich eingeschränkt sein, z.B. ein Auge blind und das andere mit 40% Sehleistung.

3.) Ein GdB von 20 bis 30% bringt relativ wenig. Die steuerlichen Freibeträge sind gering. Die Gleichstellung mit Schwerbehinderung beim Kündigungsschutz gibt es bei 30%. Dabei handelt es sich aber um ein sehr eingeschränktes Instrument.

4.) Ein Behindertenausweis ist kein Bonus bei der Suche nach einem Job sondern genau das Gegenteil. Es gibt durchaus behinderte Menschen die aus Karrieregründen, bzw. um überhaupt einen Job zu kriegen, auf Ausstellung eines Behindertenausweis verzichten, wenn die Behinderung nicht offensichtlich ist. Wenn sie nach einer Schwerbehinderung gefragt werden, können sie verneinen, ohne zu Lügen.

Gruß
Carlos

4.) Ein Behindertenausweis ist kein Bonus bei der Suche nach
einem Job sondern genau das Gegenteil. Es gibt durchaus
behinderte Menschen die aus Karrieregründen, bzw. um überhaupt
einen Job zu kriegen, auf Ausstellung eines Behindertenausweis
verzichten, wenn die Behinderung nicht offensichtlich ist.

Ich gebe dir da vollkommen Recht, Carlos!

Ich habe einen Ausweis, der bescheinigt, dass ich zu 50 % erwerbsgemindert bin. Aber außer dem Vorteil einiger Extra-Tage Urlaub hat mir der Ausweis noch nichts gebracht.

Okay, viele haben mir gesagt, man sieht mir meine Behinderung nicht an. Aber die haben wohl nicht genau hingesehen. Ich denke schon, dass es auffällt, dass ich etwas kleiner bin als andere.

Wenn ich Bewerbungen geschrieben habe und ich habe im Bewerbungsschreiben meine Behinderung erwähnt, gab es sofort eine Absage. Wenn ich sie nicht erwähnt habe und dann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, gab es anschließend eine Absage.

Also, was bringt so ein Ausweis eigentlich an Vorteilen? Ich habe immer nur Nachteile erfahren… (Also bis auf den Extra-Urlaub, den man aber erst bekommt, wenn man einen Job hat!)

Gruß

Hallo Macika,

Ich habe einen Ausweis, der bescheinigt, dass ich zu 50 %
erwerbsgemindert bin. Aber außer dem Vorteil einiger
Extra-Tage Urlaub hat mir der Ausweis noch nichts gebracht.

Nur damit es keine Verwirrung bei den anderen Lesern gibt, möchte ich darauf hinweisen, dass der Behindertenausweis den Grad der Behinderung (GdB) ausweist. Die Erwerbsminderung ist wiederum etwas anderes, nämlich ein Maß dafür, wie viele Stunden ein Behinderter am Tag arbeiten kann.

Also, was bringt so ein Ausweis eigentlich an Vorteilen? Ich
habe immer nur Nachteile erfahren… (Also bis auf den
Extra-Urlaub, den man aber erst bekommt, wenn man einen Job
hat!)

Früher galt ein Schwerbehinderter als praktisch unkündbar. Wir sind mittlerweile weit davon entfernt. Zumindest wird eine Schwerbehinderung bei Sozialplänen berücksichtigt. manchmal hat man bei Einstellungen im öffentlichen Dienst einen kleinen Vorteil, wenn die ihre Quote erfüllen müssen.

Die wenigen Vorteile sind finanzieller Art, nämlich der Freibetrag bei der Steuer und verminderte Beiträge bei Unternehmungen aller Art vom Museumseintritt bis zu Theaterkarte. Interessant wird es auch noch mit den verschiedenen Merkzeichen.

Aber insgesamt gilt, wie ich schon geschrieben habe, dass man es sich gut überlegen soll, bevor man den Schwerbehindertenausweis beantragt.

Gruß
Carlos

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Frage
Hallo Carlos,

hat denn ein Arbeitgeber irgendetwas davon, einen Schwerbehinderten einzustellen? Steuerliche Erleichterungen, o.ä.?

Grüsse

Jörg

Hallo JÖrg

Der AG kann z.B. von der Arbeitsagentur finanzielle Unterstützung bekommen, weil der dem Schwerbehinderten einen Einstieg ins Berufsleben bzw. einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt.

Außerdem gibt es bei Unternehmen und im öffentlichen Dienst gewisse Auflagen, daß man einen bestimmten %Satz Behinderte einstellen muß, ansonsten muß man eine „Strafe“ zahlen.

Wenn ich mal nicht selbständig gearbeitet habe sondern für einen AG tätig war, mußte ich immer hören, daß die Behindertenquote „gerade noch so“ eingehalten wird. Also nicht mehr als nötig eingestellt wurden.
Ich habe auch schon gehört, daß manche AGs lieber eine gewisse Summe zahlen als diesen Prozentsatz zu erfüllen.

Und mal abgesehen von der Behinderung…

Das hört sich immer ziemlich merkwürdig an „was hat jemand davon einen Schwerbehinderten einzustellen?“
Das hört sich an als wenn wir eine andere Spezies wären.

Was hat man denn davon überhaupt einen MENSCHEN einzustellen?
Natürlich seine Kompetenz und Arbeitskraft.

WEnn ein Behinderter perfekt mit Software und PC umgehen kann, weil er sein Leben lang nichts anderes gemacht hat, daß ist er dafür eine optimale Fachkraft.
Wenn er sich immer stetig fortgebildet hat, um für höhere Aufgaben oder vielfältige Aufgaben qualifiziert zu sein, hat man in einem oder mehreren Bereichen einen Leistungsfähigen Mitarbeiter, der zudem noch engagiert ist.
usw.

Meiner Meinung nach ist das mit der finanziellen Unterstützung schon nicht immer die beste Methode.
Ich habe mal einen ganz „netten“ AG gehabt, der hat mich eingestellt, aber mich dann praktisch nur „mitgeschleift“, also vermutlich das Geld kassiert aber sich null um mich gekümmert, jedenfalls nicht in dem Maße wo es ein AG tun sollte, wenn es Probleme gibt.
Das war auch einer von den Experten die „unter ihrer Behindertenquote“ lagen und mal wieder „nachlegen mußte“.

LG
Novalee

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Hallo Jörg,

Novalee hat das schon gut dargelegt. Der Arbeitgeber kann Strafzahlungen vermeiden oder in bestimmten Fällen besondere Förderungen kassieren. Ansonsten gilt, dass ein Arbeitgeber deswegen Arbeitskräfte einstellt, weil er Arbeitskräfte braucht.
Am liebsten hätte er absolute Spitzenkräfte, die 80 Stunden die Woche arbeiten, die nie krank sind und nichts kosten. Weil er die üblicherweise nicht kriegt nimmt er die Arbeitskräfte, die seiner Meinung nach brauchbar sind.

Bei Schwerbehinderten könnte der Arbeitgeber Angst haben, dass sie nicht ausreichend leistungsfähig sind, den Betrieb aufhalten, häufig wegen Krankheit ausfallen und unkündbar sind. Er mag damit völlig daneben liegen, aber diese Vorurteile bestehen.

Wenn ein Arbeitgeber der Meinung ist, dass er besser als andere Bewerber ist, dann wird er ungeachtet der oben genannten Aspekte auch einen Schwerbehinderten einstellen.

Gruß
Carlos

Hallo Novalee,

Und mal abgesehen von der Behinderung…

Das hört sich immer ziemlich merkwürdig an „was hat jemand
davon einen Schwerbehinderten einzustellen?“
Das hört sich an als wenn wir eine andere Spezies wären.

es tut mir leid, wenn ich einen falschen Eindruck bei dir vermittelt habe.
Ich denke auch, dass jeder zuerst wegen seiner Fähigkeiten eingestellt werden sollte.
Wenn ein Schwerbehinderter neben diesen Fähigkeiten noch finanzielle Vorteile mitbringt, ist das doch imho nur ein kleiner, nur fairer Anreiz, der die vermeintlichen Nachteile des Behinderten ausgleichen soll.
Deshalb werde ich mich selbst um eine Anerkennung meiner Gebrechen bemühen.

Grüsse

Jörg
und Danke euch beiden für eure Antworten.

Hallo
Wende Dich an Dein zuständiges Versorgungsamt (Steht im Telephonbuch)
und stelle einen Antrag auf Minderung der EWrwerbtstätigkeit.
Weiterhin gibt es bei Deiner Gemeinde oder Landkreis eine Stelle, die sich um Behindertenangelegenheit kümmert.
Auch Dein zuständiges Sozialgericht gibt Auskunft.
Gruß
PiRo

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