Hallo, Thomas!
Es muss nicht repräsentativ sein, was ich in öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten erlebt habe, aber ist vielleicht dennoch interessant.
Wie schaffen es Fernsehredakteure, ganz gezielt solche
argumentativ explosiven Beispiele heranzuschaffen. Sind die
Archive der Medienanstalten derart „verstichwortet“, dass man
bei der Eingabe von „zwei Lügen wählen“ solch ein Beispiel
sofort findet?
Das hängt vom System ab. Wenn man ein derart zugespitztes Beispiel aus den frühen Regierungsjahren Kohls suchte, würde es sicher schwieriger, da aus dieser Zeit zum Großteil nur der Titel der Sendung und vielleicht eine kurze Inhaltsbeschreibung vorliegt. Mit der Zeit ist man zu immer detaillierteren Beschreibungen gekommen, die manchmal die gesamte Shotlist (Liste von Kamera-Einstellungen mit Inhalt) und den Wortlaut der O-Töne beinhalten. Gerade das Archiv neuster Nachrichtentöne/-bilder, wie wohl dieser von Angela Merkel einer war, ist auf diese Weise eingerichtet. Bei dem Beispiel von Fernseharchiv, das ich am Besten kenne, sind die rohen (also unbearbeiteten) Nachrichtenbilder für die aktuelle Berichterstattung von den älteren Bändern getrennt und präziser recherchierbar.
Ich meine: Man kann sich doch als Redakteur
nicht hunderte von Beispielen ansehen, um dann den gewählten
passenden Ausschnitt aufzufinden, oder?
Es kann schon vorkommen, dass man zwei Tage allen möglichen Schrott sichtet, bis man hat, was man will.
Um das zu vermeiden, führen viele Redaktionen interne Archive, in denen sie notieren, wenn eine derart prägnante Äußerung einer prominenten Person gefallen ist (oder bei Radiosendern: in denen sie den Ton direkt ablegen). So kann man problemlos unter „Merkel“ und „Lüge“ schauen, wo dann - beispielsweise - der Gründungsparteitag der neuen Konservativen in Frankreich genannt ist, auf dem Angela Merkel als Gastrednerin eben diese Äußerung getätigt hat (nur Fantasie, ich weiß nicht, wo sie das gesagt hat). Mit dieser Information ist die Recherche dann natürlich Routine.
Außerdem hat man manchmal das Glück, dass über die Spanne von ein paar Tagen irgendwie „bekannt“ ist, dass und wo so etwas gefallen ist, sodass sich ein aufmerksamer Archivar oder Kollege erinnern kann .
Insofern ist meine Frage also auch eine Frage nach den
Geheimnissen der (politischen) Recherche.
Ich hoffe, etwas zur Aufklärung dieses bescheidenen „Geheimnisses“ beigetragen zu haben.
Liebe Grüße!
Christopher