Berechtigte Zweifel- verwerfliches Verhalten?

Hallo zusammen,

Ich habe eine Frage zu meinen Gedankengang und möchte gerne eure Feedback dazu haben.
ich bin 26, bin bald fertig mit der Uni und habe dort Lehramt studiert, genauer die Fächer Mathematik& Informatik für das Gymnasium.
Da ich in NRW studiert habe und zwar an einer TU, habe ich bald den Abschluss Master of Education.
Ich habe für diese beiden Fächer insgesamt im Bachelor 9 Semester gebraucht ( durchschnittliche Studienzeit laut Uni-Statistik sind 8,7 Semester für den Bachelor) und den Master in Regelstudienzeit von 4 Semestern gemacht.
Meine Noten sind ganz passabel, aber ich bin kein Überflieger. Ich muss sagen, dass ich Glück habe und in NRW an allen Schulformen für diese Fächerkombination bis 2035 ein absoluter Mangel herrscht, denn ich bin fachlich gesehen unterirdisch.
ich habe diesen Studiengang auch nur als Plan B gemacht, denn ich wollte eigentlich Geld mit Fotographie verdienen und das hat vor Covid-19 auch gut geklappt und nun sieht es ziemlich Mau aus. Ich will trotzdem das Referendariat machen, da
die Lehrer in meiner Praxisphase mir gesagt haben, dass ich ein Talent habe vor der Klasse zu stehen. Meine Frage ist nun: Ist es verwerflich, dass ich diesen Job nur wegen des Geldes und den anderen Vergütungen mache? Als Beamter-Lehrer in NRW
bekommt man ein sehr gutes Gehalt von 3000€ bis 3500€ ( netto plus minus Private Krankenversicherung) in NRW und mit Kindern kann auch ganz gut zusammenarbeiten. Ich weis, dass ich in der freien Wirtschaft nie eine Chance hätte, da ich sowohl fachlich
als auch überfachlich irgendwie das Gefühl habe, zu schlecht zu sein. Bin ich ein Versager?

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Klingt nach schwerem Fall von Imposter-Syndrom :wink: Mach doch zunächst mal das Referendariat, und sieh dann weiter. Das Referendariat bietet zudem auch Zeit, sich noch mal mit anderen Dingen zu beschäftigen und dann abzuwägen, in welche Richtung es weiter gehen soll. Und auch die muss ja nicht für den Rest des Berufslebens damit in Stein gemeißelt sein. Ich habe in meinen beruflichen Umfeldern immer mit dem ein oder anderen „bunten Typen“ (wie ich selbst, studierter Jurist, der lange in der IT gearbeitet hat und inzwischen große Infrastrukturprojekte juristisch begleitet) zu tun gehabt, der schon dieses und jenes (durchaus mit Erfolg) gemacht hat, und sich vielleicht gerade dadurch auszeichnet, dass ihm schnell etwas langweilig wird, er wissbegierig ist und das Talent hat sich schnell in neue Themen und Sachverhalte einzuarbeiten. Auch solche Leute werden gebraucht und können Karriere machen, auch wenn es Arbeitgeber und insbesondere HR-Personal gibt, die immer nur in der schmalen Spur der klassischen Ausbildungen und Spezialisierungen denken.

Und mach Dich bzgl. der Motive für die Berufswahl frei von schlechtem Gewissen! Ein Beruf ist zunächst mal dazu da, dass er seinen Mann/seine Frau und ggf. eine Familie ernährt. Man sollte sich nicht der Illusion der totalen beruflichen Erfüllung hingeben. Die behaupten einige Menschen gefunden zu haben. Die posten aber auch massiv glattgebügelte Fotos von sich bei Instagram und Co. und haben auch perfekte Kinder, … Natürlich soll man nicht jeden Morgen mit langen Zähnen in den Job gehen, aber es ist OK, wenn man nicht der absolute Überflieger ist, der jeden Tag voller Begeisterung schon strahlend aufsteht um die nächsten Heldentaten zu vollbringen. Wenn man im Durchschnitt seiner Tage sein Leben so wie es ist, OK findet, dann ist das auch OK.

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Servus,

wir hatten am Gymnasium Lehrer, die fachlich gut waren und andere. Wir hatten solche, die einen Draht zu uns kriegten und andere.

Wenig hatten wir vom Unterricht bei den Lehrern, die keinen Draht zu uns kriegten, auch wenn sie fachlich gut waren.

Wenn Du schreibst

qualifiziert Dich das für den Schulunterricht, fast egal wie durchschnittlich Du in Deinen Fächern bist.

Aber verrate den Kindern ja nicht, dass Du sie (zutreffend!) als Kinder einschätzt. Damit hast Du bereits ab der 5. Klasse verschissen.

Schöne Grüße

MM

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@Wiz @Aprilfisch danke für eure Antworten.

Ich frage halt nur, da mir die Semesteranzahl ziemlich hochvorkommt und ich einfach das Gefühl habe, dass ich Nichts kann

???

Du hast doch eben erklärt, dass sie im Durchschnitt liegt. Interessiert das denn jemanden bei der Einstellung im Landesdienst?

Ja, das ist durchaus realistisch. Gymnasiallehrer wissen bei Abschluss des Studiums relativ viel und können relativ wenig. Dafür gibt es das Referendariat.

Schöne Grüße

MM

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Ist sie aber nicht, und selbst wenn, interessiert das gerade im Moment angesichts der Corona-Jahre niemand.

Informiere Dich mal zum Imposter-Syndrom. Und dann denke daran, dass Du immerhin ein Studium in deinen Fächern bis zum Master geschafft hast! Davon sind deine Schüler weit entfernt. D.h. denen bist Du um Längen voraus. Außerdem bestimmst Du den Unterricht, kannst Dich optimal auf jede Stunde vorbereiten und Dir im Vorfeld Gedanken dazu machen, welche Fragen kommen könnten. Dann legst Du Dir zu jeder Stunde einen Notizzettel an und notierst Dir da die Dinge, die in der Stunde außerhalb deines Plans thematisiert wurden. Dann bist Du beim nächsten Jahrgang noch besser vorbereitet. Man muss es nicht übertreiben, wie mein Chemielehrer damals, der von der 1. Schulstunde bis zum Ausscheiden aus dem Schuldienst die selben Zettel verwendet hat, die dann schon vollkommen unleserlich und halb auseinandergefallen waren. Aber Dank PC geht das ja heute auch eleganter.

Und BTW: Ein guter Lehrer hat auch kein Problem damit mal zuzugeben, dass er eine bestimmte Frage gerade nicht erschöpfend beantworten kann, die Antwort aber gerne in der nächsten Stunde nachliefern wird. Nur schlechte Lehrer behaupten von sich alles zu wissen um dann im Brustton der Überzeugung den größten Mist zu erzählen, was spätestens seit den Zeiten des Internets dann richtig peinlich werden kann.

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Ich bin vielleicht nicht ein besonders guter Lehrer, aber genau das kann ich zu 100% aus eigener Erfahrung bestätigen.

Und nein, ich habe nicht das Gefühl, dass sich das negativ auf das „fachliche Ansehen“ ausgewirkt hat.

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Hi Imposter-James!

Weißt du eigentlich, wieviele Lehrer fachfremd eingesetzt werden?

An meiner Berufsschule ist ein Kollege, der fachfremd bereits in 9 verschiedenen Berufen Fachkunde unterrichtet hat.

Dem bist du mit nem Master ja Welten voraus. Und daran erkennst du, dass der Lehrer dem Schüler immer nur „eine Buchseite voraus“ sein muss.

Alles Gute!

Diva

Ich möchte meinen Vorpostern vehement widersprechen: keinen Beruf dieser Welt sollte man nur des Geldes wegen (oder weil man halt das Studium erfolgreich absolviert hat) wählen. Und dann noch die Ergänzung vom Jana-Papa: und als Lehrer schon gar nicht! (Wobei das natürlich auch für Ärzte, Piloten und ziemlich viele andere gilt).

Zum einen kann ein „schlechter“ Lehrer bei Schülern einiges an Schaden anrichten - und zum anderen ist der „schlechte“ Lehrer auch selbst sehr unglücklich. Und dann gerät man in eine Spirale, wird immer schlechter, der Ruf in der Schülerschaft wird immer schlechter, die Schüler verhalten sich ungut, davon wird der Lehrer immer schlechter. Wir alle erinnern und an das eine oder andere Lehry das genau dort unten angekommen war und sich in dieser oder jener (oder jeder!) Hinsicht negativ hervorgetan hat.

Natürlich haben meine Vorposter insofern recht, als dass der Schulstoff so Pillepalle ist, dass Du da fachlich echt nicht „gut“ sein musst um die Schülys zu beeindrucken. Und wenn Du dann halt von irgendeinem Freak irgendeine Überdrüber-Frage nicht wirklich beantworten kannst, dann ist das halt so.

Darum würde ich Dir folgendes vorschlagen:

  • Du wärest erstmal doof, jetzt das Referendariat nicht zu machen. Denn da kommst Du mal in Kontakt mit „echten“ Schülys und kannst für Dich ein bissle abschätzen, ob Du tatsächlich fachlich so „schlecht“ bist, dass Dich / die Schülys das stört. Hat man nicht im Referendariat auch irgendeinen Mentor, mit dem Du das bereits im Vorfeld diskutieren könntest?
  • Parallel dazu baust Dir Deine Karriere als Fotograf weiter auf - notfalls bist halt auch für noch ein bis zwei Jahre Lehrer. Das wäre sogar gar nicht soo schlecht, denn dann kannst nochmal in Ruhe sehen, ob Lehrer Dein Beruf ist oder nicht.
  • Eventuell kannst auch mal nachdenken ob Du nicht aus der Kombination Fotograf und IT irgendwas beruflich anstellen kannst. Mediendesign ist ja grad der volle Hype - oder sonst was in dieser Richtung. Da kenne ich mich im Detail nicht aus…
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Da bin ich ja erleichtert, dass ich nicht des Geldes wegen kein schlechter Lehrer bin :slight_smile:

Ich habe das Gefühl, die Kombination aus IT und Fotografie ist so häufig, dass man da schon in beiden Bereichen herausragen muss, um beruflich beiden unter einen Hut zu bekommen. Nur IT scheint mir dort hingegen sogar fast einfacher …

was mit Medien …“ nehme ich immer als ironische Witzphrase war.

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Das sind die wahren Künstler fg

Das ist die gute Frage. Immerhin war er wohl als Fotograf nicht soooo erfolglos. Da müsste er halt jetzt nochmal gucken, ob das wieder anläuft und was er da tatsächlich „mit IT“ machen kann.

Vermutlich käme er tatsächlich irgendwo unter, aber ob das irgendwen glücklich macht? Vielleicht ein paar Schülys die sonst nen schlechten Lehrer hätten, aber sonst?

Ist’s ja auch. Aber er scheint ja doch etwas konkreter zu sein: das mit der Fotografie hat ja irgendwie schonmal funktioniert, und sooo schlecht isser nicht in der IT, sonst wäre da kein Master. Da steht er also schon etwas besser da als die jungen Herren im Video… Aber Du hast natürlich recht: das ist überaus klischee-behaftet, da muss man dann echt genau gucken, was man macht.

Moin,

wie wär’s denn mit ein wenig Mut? Erfolgserlebnisse kannst Du Dir nur im Einsatz holen. MAch das Referendariat und lass kommen, was da kommen mag. Falls es Dir nicht taugt, hast Du wenigstens einen Grundstock.

Vor fast 50 Jahren bin ich als Diplominformatiker auf die Menschheit losgelassen worden und bei einer Beratungsfirma gelandet. Glaub ja nicht, ich hätte keinen Bammel gehabt. Ein älterer Kollege hat mich dann mal gefragt: „Was braucht der Berater? Na? Na?!? Fünf Minuten Vorsprung!“ Bisschen sehr grob, stimmte aber im Prinzip.

Gruß
Ralf
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