Berliner Testament - Kinder und Stiefkinder

Herr A ist Hausbesitzer und in zweiter Ehe mit Frau B verheiratet. Beide haben jeweils 2 Kinder aus erster Ehe, aber keine gemeinsamen Kinder. Damit Frau B nach seinem Tod weiterhin im gemeinsamen Haus wohnen kann, setzen die Eheleute ein Berliner Testament auf.

Nach dem Tod der Vorerbin sollen die Kinder von Herrn A jeweils ein Drittel, also ingesamt zwei Drittel, die Kinder von Frau B zusammen ein Drittel des Vermögens erben. Da Frau B Hausrat, bewegliche Gegenstände sowie alle vorhandenen Bankguthaben als Vorausvermächtnis erhält, bezieht sich die vertragliche Nacherbfolge lediglich auf den Immobilienbesitz.

Als Herr A verstirbt, fordert seine leibliche Tochter ihren Pflichtteil und bekommt diesen von Frau B ausbezahlt. Für mich als juristischen Laien wirft dies einige - natürlich rein theoretische - Fragen auf:

  1. Wird der ausgezahlte Pflichtteil-Betrag vom Hauswert abgezogen?

  2. Hat die leibliche Tochter von Herrn A nach dem Tod der Vorerbin weitere Ansprüche, und wenn ja, welche?

  3. Welchen Anteil erhält der leibliche Sohn von Herrn A nach dem Tod der Vorerbin?

  4. Welcher Zeitpunkt wird bei der Ermittlung des Hauswerts zugrunde gelegt: Todesdatum Herr A oder Todesdatum Frau B?

Vielen Dank für eure Hilfe!

Hallo!

zu 1) Nein. Aber um das Pflichtteil zu berechnen muss ja der Hauswert ermittelt werden. Frage ist woher nimmt die Ehefrau das Bargeld ?
Es kann nämlich sehr wohl sein, sie müsste das Haus zu Geld machen und verliert es so. Das Berliner Testament schützt sie ja nicht davor !

Wenn sie auf das Haus eine Hypothek oder Grundschuld eintragen lässt in Höhe des Pflichtteils, dann würde sich das bei der Wertermittlung (Wert des Erbes) natürlich bemerkbar machen.

zu 2) Sie hat die Ansprüche, die laut Testament vorgesehen sind ( 1 Drittel)

Üblich macht man extra dafür die Schutzklausel, in der man im Testament schreibt " Sollte ein Erbe beim 1. Todesfall sein Pflichtteil fordern so wird er auch für den 2. Todesfall auf das Pflichtteil gesetzt". Das soll den Kindern das fordern etwas verleiden, es hat ja negative finanzielle Auswirkungen.

zu 3) Nun der sollte doch auch 1 Drittel bekommen, Daran kann sich nix ändern

zu 4) Fürs Pflichtteil der Hauswert zum Zeitpunkt der Forderung von Tochter A, für den Erbfall nach dem Tod der Ehefrau dieser Zeitpunkt.

Es kann also sein, das Haus hat im einen oder anderen Fall unterschiedliche Zeitwerte, je nach Zustand (besser oder schlechter, Marktlage usw.)

MfG
duck313

Vielen Dank, duck 313! Die Punkte 2 bis 4 hätte ich ebenso eingeschätzt. Nochmal zu Frage 1: Den Pflichtteil erhält man doch nicht von einem Erben (in diesem Fall der Vorerbin), sondern aus dem vererbten Gesamtvermögen. Müsste demnach nicht die Auszahlung an die leibliche Tochter von Herrn A vom Wert des Hauses abgezogen werden?

Auch wenn diese Herangehensweise, „das Haus vererben zu wollen“, vermutlich nie auszurotten sein will, macht es Sinn, sich zunächst mal mit den Grundsätzen des deutschen Erb- und Pflichtteilsrechts zu befassen. Hiernach gibt es zunächst mal einen großen Topf in den alles an Soll und Haben des Erblassers kommt, und beim gesetzlichen Erbrecht wird hieraus dann nach Bruchteilen verteilt. Und da dies bei Sachwerten regelmäßig nicht geht, muss man sich halt auseinandersetzen, wer unter Anrechnung auf seinen Bruchteil was bekomm, wer ggf. wem noch einen Ausgleich für einen größeren Sachwert zahlen muss, …

Natürlich kann man durch Vermächtnisse und eine durch Testament/Erbvertrag gewillkürte Erbfolge die Zuordnung von Sachwerten regeln, handelt sich aber deutliche Nachteile ein, wenn man den Grundsatz der Bruchteile außer Acht lässt.

Und wenn Pflichtteile ins Spiel kommen, fällt man zwangsläufig wieder auf das Thema Bruchteile, weil der Pflichtteil sich nun einmal aus der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (als Bruchteil) ergibt.

D.h. deine Frage ist falsch gestellt, weil der Pflichtteil nicht vom Hauswert abgeht, sondern vom dem großen Topf, in dem alles drin ist. D.h. es wird hier - vollkommen unabhängig vom Testament - eine gesetzliche Erbfolge berechnet, aus der man den Wert des gesetzlichen Erbteil des Berechtigten berechnet wird, und dieser Wert wird dann halbiert. Da der Pflichtteilsanspruch ein Anspruch in Geld ist, muss dieses Geld nun von den Erben aus der Erbmasse aufgebracht werden. Das kann direkt erfolgen, weil genug Bargeld da ist, man kann auch die Immobilie verkaufen, um Bargeld zu erhalten, oder man kann dieses Geld indirekt durch den Ausgleich eines Erben für einen großen Sachwert erhalten, der den gesetzlichen Erbteil dieses Erben überschreitet. D.h. wenn ein Erbe das Haus übernehmen soll, dann kann er zur Abwendung des Verkaufs den an sich von ihm zu tragenden Teil des Pflichtteils eines anderen entsprechende Barmittel einbringen. Wenn hierfür dann ein Kredit aufgenommen werden muss, der wiederum durch ein Sicherungsinstrument in Form einer Hypothek/Grundschuld auf das Objekt abgesichert wird, tut dies nichts zur Sache. Aber natürlich ist durch die ganze Geschichte der verbleibende Topf für die restlichen Erben natürlich um den Pflichtteil gemindert. Und bei einer Erbanordnung nach Bruchteilen (ggf. mit Teilungsanordnung) ergibt sich dann automatisch wer nach was bekommt. Bei einer reinen Regelung über Vermächtnisse wird es jetzt schwierig, und müsste man sich die Regelungen im Detail ansehen.

Zu deinen anderen Fragen ist mir zunächst mal nicht klar, was das für eine Vorerbin ist, von der Du da sprichst.

Zuerst einmal vielen Dank für deine ausführliche Antwort und dafür, dass du für einen unbekannten „Nichtwisser“ so viel Zeit aufwendest!

Mit Vorerbin ist in dem geschilderten Fall Frau B gemeint, also die Ehefrau von Herrn A. Meine Frage zielte allerdings nicht darauf, wie sich sich der Pflichtteil berechnet, sondern wer ihn aus welchen Mitteln an die leibliche Tochter von Herrn A bezahlen muss. Wenn, wie in unserem Beispiel, Frau B den Pflichtteil aus eigener Tasche bezahlt, würden ja ihre eigenen Kinder, also die Stiefkinder von Herrn A, später weniger erben. Umgekehrt wäre das Erbe des leiblichen Sohnes von Herrn A höher, da das Haus durch die Pflichtteilzahlung nicht belastet wurde.

Wie schon geschrieben muss das Pflichtteil aus dem Erbe aufgebracht werden. D.h. wenn der Hauseigentümer als erster Ehegatte verstirbt, der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird, und ihm gegenüber ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird, dann muss er diesen aus dem Erbe auszahlen.

Und da liegt in dieser Konstruktion der Hase im Pfeffer, weil es hier an einer Strafklausel fehlt, die sicherstellt, dass ein leibliches Kind des Erstversterbenden, sich auf diesem Wege nicht zunächst mal den Pflichtteil und danach dann noch mal nach dem Letztversterbenden noch zusätzlich einen Erbteil sichern kann. Somit wird die Gerechtigkeit, die man angesichts der Patchworkfamilie eigentlich erzielen wollte ad absurdum geführt, weil so die Zufälligkeit der Reihenfolge des Versterbens gerade angesichts der unterschiedlichen Vermögenshöhen wieder entscheidend für das werden kann, was wessen Kinder am Ende unter dem Strich erhalten.

BTW:

stimmt so natürlich auch nicht, weil das was sie als Vorausvermächtnis erhält natürlich nach ihr wieder in ihre Erbmasse fällt, die dann ja wieder den Topf für die Schlusserbfolge ausmacht. D.h. da ist dann eben nicht nur das Haus im Topf, sondern auch alles andere, was nach der Ehefrau noch so an Werten (und Schulden) so übrig ist.

Nochmals vielen Dank für die Auskunft! Recht und Gerechtigkeit sind, wie wir alle wissen, nicht immer dasselbe :angry:

Diesen Einwand kann ich hier nicht nachvollziehen und lasse ich auch nicht gelten.

Es hätte mehrere Möglichkeiten gegeben, die nun offenbar eingetretene Situation ganz legal im Rahmen der Gesetze zu vermeiden. Aber lass mich raten: „Geiz ist geil, und Anwälte sind ja ohnehin schlechte Menschen, die unverschämter Weise Geld für ihre Arbeit verlangen, von dem sie auch noch Kanzlei und Personal bezahlt haben wollen.“ Also spart man sich kompetente Beratung für ein paar hundert Euro, auch wenn es um alles geht, was man so an Hab und Gut über zwei Leben erwirtschaftet hat, bastelt sich mit aus unbelegten Quellen zusammengelesenem Halbwissen ein Dokument, das Testament heißt, aber dummerweise nicht die Folgen herbei führt, die man aus Laiensicht meinte, dass es sie herbeiführen sollte, und macht dann das große Gerechtigkeitsfass auf, wenn die Geschichte in die Hose geht.

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