Berlinerisch, wie kann ich den Unterschied erkennen?

Hallo, ich bin Marga aus Spanien und lerne gerade Deutsch in Berlin. Ja, und das ist die Frage, wie unterscheidet man den Akzent oder den Dialekt zwischen Ost- und Westberlin, gibt es bestimmte Wörter, gibt es auch einen Berliner Dialekt, also für ganz Berlin?
Ich bin ein wenig verwirrt und gleichzeitig fasziniert. :see_no_evil:

[Verschoben: SprachenDialekt - Mod Kreszentia]

Hallo Marga,

da gibt es zwei Faktoren:

Der erste davon spielt in vielen größeren Städten eine Rolle: In den Teilen der Stadt, in denen eher sozial besser gestellte Leute wohnen, wird ein Dialekt gesprochen, der näher bei der Standardsprache liegt, während in den proletarisch geprägten Vierteln ein stärker ausgeprägter Dialekt gesprochen wird. Die „besseren“ Viertel von Berlin lagen eher im Westen, so dass sich während der 40 Jahre, die die Stadt geteilt war, im Westteil auch in den anderen (Kreuzberg, Neukölln, Wedding) eine Art „gemäßigtes Berlinisch“ herausbildete.

Der andere ist spezifisch für Berlin: West-Berlin war vierzig Jahre lang von seiner Umgebung völlig isoliert, gleichzeitig zogen viele Leute aus Westdeutschland (der BRD) dort hin, die nur oberflächlich Berlinisch lernten, wenn überhaupt. Das hat die Sprache in West-Berlin auch beeinflusst und ausgemacht, dass dort heute von vielen Leuten eine Mischung aus Standarddeutsch und Berlinisch gesprochen wird.

Wegen besonderer „Schlüsselwörrter“ oder „Erkennungszeichen“ gebe ich weiter an @Ann_da_Cava, die in einer Stadt lebt, die heute zu Berlin gehört, aber schon eine Stadt war, als Berlin noch eine Ansammlung von Bauern- und Fischerdörfern mit einem Schloss dabei war.

Schöne Grüße

MM

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Hallo,
also erst mal vielen Dank für die Erklärung, macht natürlich Sinn. Die Dialekte sind natürlich eng mit der Geschichte der Stadt verbunden.

Hallo MM,

das reinste Berlinerisch sprich man übrigens im Barnim bzw. der damaligen Mark Brandenburg :smiley:

@Marga99: Seit eben weiß ich, dass es sich bei dem heutigen Berlinerisch nicht um einen Dia-, sondern um einen Metrolekt handelt :slight_smile:

Der folgende Artikel beschreibt die Eigenheiten dieses -lekts besser als ich es beschreiben könnte.

Schöne Jrüße
Ann da Cava

Salü,

darf man

(West)

und

Scheene Jrieße

(Ost)

als Exempel nehmen?

Schöne Grüße

MM

nee da muß ick dir widasprechen!

„Scheene Jrieße“ kommt wohl mehr aus Ostpreußen (Danzig).

schöne Jrüße

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Hallo Marga,
ich unterstelle mal, dass du gerne erkennen würdest, ob einer deiner Gesprächspartner aus Ost- oder Westberlin stammt. Das wird (auch) ein wenig davon abhängen, wie alt dein Gegenüber ist.
Die Generation, die die Grenzöffnung nur als kleine Kinder erlebt hatten, wird man oft nur noch selten an der Aussprache identifizieren können.
Ich bin im Westteil vor dem Mauerfall aufgewachsen. In der Schule (zumindest im Deutsch-Unterricht) sollte nicht „berlinert“ werden. Der Akzent galt bzw. gilt nicht als richtiger Dialekt. Bei damaligen Besuchen in Ost-Berlin hat man aber schnell festgestellt, dass sich dort die alte Aussprache besser erhalten hatte. Der Unterschied zwischen Ost- und West war erkennbar. Den Rest haben die anderen User schon recht gut erklärt.

Das hier sollte ganz nützlich für dich sein:

https://www.spreetaufe.de/berlinerisch-berliner-jargon/woerterbuch-berlinisch-p-z/

Ostberliner wirst du vielleicht eher an ein paar Spezialworten erkennen, die aber nichts mit „Berlinisch“, sondern mit Resten des alten DDR-Wortschatzes zu tun haben:

Die sind bei „Ossis“ oft immer noch in Gebrauch.
„Plaste“ (anstelle von Plastik) höre ich inzwischen auch von einigen ehemaligen West-Berlinern.

Beste Grüße
rakete

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es kommt von meinem Freund Andreas, der seine Berufsausbildung beim VEB Kranbau Eberswalde (also ungefähr in der Gegend, von der aus das Berlinerische nach Berlin gekommen ist) gemacht hat, bevor er nach Leningrad zum Studium ging bzw. abgeordnet wurde.

Es kann freilich von ihm, der insbesondere am Telephon zu kabarettistischen Überzeichnungen neigt, ein wenig über-akzentuiert ausgesprochen sein.

Schöne Grüße

MM

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Dit Problem mit dit Berlinerische is, dit it zu viele Menneken hiea gibt, die janich aus Berlin kommen. Dit is ähnlich wie mit de Bayan in Münschen - wenn de nach Münschen kommst, hörste ooch nur bestet Hochdeutsch, weil keena meha bayrisch versteht.

Im Ernst (und dem, was ich vom Hochdeutschen beherrsche :wink: ): Sowohl im „Osten“ als auch im „Westen“ war Berlinerisch verpönt, galt als Jargon und nicht als Dialekt. Aus dem Grunde hat man auf beiden Seiten der Mauer versucht, den Menschen das Berlinern abzugewöhnen. Die große Anzahl an Rucksackberlinern sorgte zusätzlich für eine Kultivierung der Sprache Richtung Hochdeutsch.

Bis auf ein paar DDR-Worte, wirst Du keinen Unterschied im Berlinerischen zwischen Charlottenburg und Lichtenberg hören. Dafür reichte die Trennung durch 40 Jahre unterschiedliche Systeme und 29 Jahre Mauer nicht aus. Zumal man auf beiden Seiten die Fernseh- und Radioprogramme der anderen Seite hören und damit eine gemeinsame Sprache pflegen konnte.

Wenn Du echtes Berlinerisch hören möchtest, musst Du in die Mark Brandenburg fahren. Die hatten weniger Zuwanderung und offenbar weniger rigide Lehrer.

Grüße
Pierre

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  • ach, und um die Widersprüchlichkeiten noch zu komplettieren, hier ein Liebeslied an Berlin vom „Berliner Urgestein“ Klaus Hoffmann aus Charlottenburg, der jut berlinern kann (wie man z.B. in seinem Lied von der Krummen Lanke hören kann), aber diese Hymne an „sein“ Berlin in ganz sauberem Standarddeutsch singt:

Schöne Grüße

MM

Hallo, hey wow, vielen Dank für die interessanten, informativen und auch humorvollen Antworten.
Ich höre hier oft „Allet Jut“, ist das denn „berlinerisch“? Also Ost und West? Und dann gibt es auch „Icke“ statt Ich.

Hallo Pierre und vielen Dank,
nach Brandenburg? Das ist kurios, wird nicht dort „brandenburgische“ Dialekt gesprochen?

LG

Die gibt es tatsächlich. Allerdings verschwinden diese Unterschiede jetzt so langsam.

Ein paar Beispiele:

West = Fax -> Ost = Xerox
West = Kopie -> Ost = Abzug
West = Besprechung -> Ost = Beratung
u.v.m.

Neben dem normalen Sprachgebrauch gibt es Ausdrücke, die auf unterschiedliche Weise der Berliner Schnauze Ost und West entsprungen sind:

Transparentpudding (Ost: Götterspeise)
Proletarierintensivhaltung (Ost: Mietverhältnisse in Plattenbauten/Hochhäusern)
Nuttenbrosche (Ost: Brunnen am Alexanderplatz)
Waschmaschine (Ost + West: Kanzleramt)
Bürgerablage (West: Strand an einer Badestelle)
u.v.m.

Schöne Grüße
Ann da Cava

PS: Die Ausdrücke aus der SZ habe ich jetzt mal nicht aufgenommen. Hatte ja MM schon.

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In die Mark Brandenburg. Berlin liegt fast mitten in der Mark Brandenburg, ein wenig südlich von der Mitte. Ein (jenseits des „Speckgürtels“ von Berlin) sehr ländliches, auf purem Sand eher ärmliches und wunderschönes Gebiet. Dort hat sich die Zeit langsamer bewegt als in Berlin selbst, und der alte Dialekt ist besser erhalten geblieben.

Der Hinweis von Pierre ist ungefähr wie „Wenn Du richtiges Castellano hören möchtest, fahr nach Chinchón“.

Lese- und Ausflugstipp: Theodor Fontane, „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“

Schöne Grüße

MM

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Hmm, wurde Xerox tatsächlich für Fax benutzt? In Rumänien wurde xerox auch benutzt, allerdings für den Kopierer.

Stimmt, du hast recht :hugs:

„Alles jut“ und „icke“ sind gesamtberlinerische Ausdrücke :smiley:

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Hallo,

ich kenne die Aussprache eigentlich nur aus Filmen wie die „Blechtrommel“ oder übers Warschauer Getto…

Gruß und schönen Abend noch

Thomas

tach ooch,

„Transparentpudding“? echt?..den kannt ick noch nich :smile:

Nich zu vergessen jibbet ooch noch:
„Schrippe“ -> für Brötchen
„Bimmel“ -> für Strassenbahn
„ne Molle“ -> für ein Glas Bier
„Bulette“ -> für Hackfleischklops
„Pfannkuchen“ -> für die Backware die im Rest der Welt „Berliner“ heisst
„Eierkuchen“ -> für eine Eierspeise die im Rest der Welt „Pfannkuchen“ heisst :innocent:
„Jöre“ -> Kind
„Atze“ -> Bruder
„Ihsche“ -> für „Käte“ -> für Freundin…wobei das (Ihsche) wohl eher eine einberlinerte sächsische Vokabel ist…
„Berlina Schnitzel“ -> für ???..na für nen Berlina Schnitzel eben :rofl:

Früher jabs bei Union imma son Programmheft bei den Heimspielen…da jabs auf der Rückseite immer een Beitrag von „Tute“ in „Berlinerisch“…totale Katastrophe :grin:…den konnt nich mal ick verstehn.

Selbst innerhalb vom „demokratischen“ Teil Berlins jab et und jibt es unterschiedliche Aussprachen zB. von „gibt es“ oder „gab es“…wohl je nach Einfluß der „Provinzler“.
In Marzahn kamst dir vor als wenn du in „Dresden-Gorbitz“, „Leipzig-Grünau“ oder Erfurt bist.
Obwohl man sich ja heute in einigen Teilen von Berlin fühlt als wenn man im „Ländle“ ist.

Ick hoffe nur das die janzen Provinzler dit Berlinerische nich versaun sondern eher durch neue Vokabeln bereichern. Ausjenommen natürlich die Semmel…die heisst für alle Zeiten „Schrippe“!

schmunzelnde Grüße

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„Scheene Jrieße“ klingt in der Tat eher nach Jiddisch. Wenn man sich aber mal dem Berlinerischen beschäftigt, stellt man fest, dass das eine große Melange von schlecht ausgesprochenen Worten und Phrasen aus dem Jiddischen, Französischen, Russischen, Polnischen, Schwäbischen, Bayrischen, Plattdeutschen …. sind.

Berlin war schon immer eine Einwanderungsstadt. Vor allem im Bereich der niedrigen Einkommen und geringen Bildung. Entsprechend wenig Hochsprache wurde gepflegt. Und so fanden alle möglichen Floskeln Eingang in eine Umgangssprache, die (aus meiner Sicht zu unrecht) nicht als eigener Dialekt akzeptiert wird.