Beschleunigte Lebensdauerprüfung

Hallo,

für einen unserer Kunden müssen wir eine jährliche Requalifizierung eines unserer Produkte, ein mechatronisches Gerät, durchführen. Die Requalifizierung erfolgt durch einen Dauerlauftest des Produktes unter wechselnden Belastungen (Temperatur, Kraft, Strom, Spannung). Die Anzahl der Zyklen für den Dauerlauftest beträgt 1,4 Millionen und dauert ca. 10 Monate. Dies ist sehr kostspielig.

Zur Kostenvermeidung ist nun eine beschleunigte Lebensdauerprüfung wie z.B. durch Raffung, Step-Stress-Methode, HALT etc. geplant. Ziel ist es, die Anzahl der Zyklen wesentlich zu verringern bei gleicher Aussagefähigkeit Dauerlauftests.

Frage 1.
Welche Methode der beschleunigten Lebensdauerprüfung (Raffung, Step-Stress-Methode, HALT,…) bietet mir dies?

Frage 2.
Gibt es eine Methode, die wir sofort anwenden können, ohne zunächst das Ausfallverhalten unseres Produktes durch einen „normalen“ Dauerlauftest (>= 1,2 Mio. Zyklen) bestimmen zu müssen?

Vielen Dank im voraus und Grüße!
Udo

Hallo,
man kann beliebig hohe Belastungen erfinden, bei denen das Geraet frueher zerstoert wird. Mit mehreren solchen unterschiedlich starken belastungen kann man ein Woehlerdiagramm erstellen. Einmal muss man dennoch in die Naehe der tatsaechlichen Belastung. Hat man den Kurvenverlauf im Woehlerdiagramm ermittelt, koennen weitere Geraete anhand dieser Kurve beschleunigt geprueft werden.
Soweit die Theorie. Wer es glauben soll, der Kunde, wird nach Beweisen fragen, die zu erstellen auch wieder dauert. Ausserdem habt ihr mehrere Parameter, das kann umfangreich werden. Fuer eine Musterpruefung aufgrund von Aenderungen sicher geeignet, fuer die Freigabepruefung je nach Kunde vielleicht nicht.
Gruss Helmut

Hallo,
so einfach ist das leider nicht pauschal zu beantworten. den die Gültigkeit bzw. zulässigkeit eines beschleunigten Lebensdauertests setzt die Kenntnis des lebensdauerbestimmenden Versagens- oder Verschleissmechanismus voraus. es hängt also davon ab, ob die mech. Beanspruchung/temp./elektr. Schaltvorgänge etc. entscheidend sind. Um die Prüfzeit zu verkürzen, liegt es nahe, die Belastung zu erhöhen, allerdings kann dies zu anderen Versagensmechanismen führen (und damit zu falschen Schlussfolgerungen).
Die genannten Methoden wurde alle für spezielle Fälle entwickelt und sind nicht vorbehaltlos auf andere Anwendungen übertragbar. Einen guten Überblick gibt:
Holger Wilker (Autor) ,
Weibull-Statistik in der Praxis.
Leitfaden zur Zuverlässigkeitsermittlung technischer Produkte.
Bei der Lebensdauerprüfung bei mech. Belastung kenn ich mich ganz gut aus, zur Vorgehensweise bei elektr. Lebensdauerrpüfung oder Korrosionsprüfung wirds etwas dünn…

Sonst noch Fragen?
Gruß
Martin

Hallo Martin,

in der mir vorliegenden Literatur meint man, die Belastung könne soweit erhöht werden, solange der Formparameter der Weibullverteilung erhalten bleibt (oder so ähnlich). Kann man dann sagen, dass dann auch die lebensdauerbestimmenden Versagens- oder Verschleissmechanismen identisch sind? Ich weiß dann zwar immer noch nicht unbedingt, welcher Mechanismus zum Ausfall führt, aber das brauche ich eigentlich auch nicht, solange er immer der gleiche ist, oder?

Ist es möglich, dass beschleunigte Lebensdauerprüfungen für unseren (komplexen?) Anwendungsfall (Elektronik, Mechanik, Metall, Kunststoff, viele unterschiedliche Stressfaktoren) schlecht anwendbar ist? Ich lese bei Deiner Erklärung heraus, daß man beschleunigte Lebensdauerprüfungen bei einfacheren Modellen anwendet, z.B. Scherkraft einer Schraube (ein Material, ein Stressfaktor), wo der Versagensmechanismus eindeutig ist?

Vielen Dank und Gruß vom Bodensee!
Udo

Hallo Helmut,

bin auch mal auf die Wöhlerkurve gestoßen. Es sah aber so aus, als ob man sie nur mei mechanischen Baugruppen anwenden kann. Wenn sie aber auch bei unseren Produkten anwenden kann, wäre das vielleicht die Lösung. Hast Du einen Literaturtipp mit Anwendung der Wöhlerkurve auf komplexe Produkte (Elektronik, Mechanik, Metall, Kunststoff, viele unterschiedliche Stressfaktoren)? Oder heisst „Ausserdem habt ihr mehrere Parameter, das kann umfangreich werden“, dass man für jeden Parameter (=Stressfaktor) eine Wöhlerkurve, also auch einen eigenständigen Lebensdauertest benötigt? In diesem Fall wäre der Aufwand für Bestimmung der Wöhlerhurven wahrscheinlich größer als der eigentliche Lebensdauertest?

Den Kunden lassen wir erst einmal ausser Betracht. Die sind momentan sehr pflegeleicht.

Vielen Dank und Gruß vom Bodensee!
Udo

Hallo,

man kann sicher den „Lebensdauertest“ abkürzen, indem man den Test „schärfer“ macht. Zum Beispiel kann man die mechanischen Schwingungen auf einem Shaker mit Klimakammer nachbilden.

Man kann die Schwingungsintensität und die Klimabelastung erhöhen.

Das Problem dabei ist die Findung einer Formel, die besagt, um wieviel stärker die Belastung sein muss, um den Dauerlauftest um einen bestimmten Wert anzukürzen.

Vielleicht kommen Sie auf dieser Seite dazu etwas weiter http://www.gus-ev.de/

Hilfreich ist es sicherlich, zu wissen, welche Belastungen in der regel zum Ausfall führen und gezielt diese Belastung erhöhen. Sie haben als Lebensdauer eine bestimmte Anzahl von Zyklen definiert. Wie ist diese Definition entstanden und wie ist die Definition der Zyklenzeit entstanden ? Wenn man diese Fragen beantwortet, dann kann man vielleicht auch sagen, wo Ansätze für eine stärkere Belastung zu suchen sind.

Hallo Udo,

in der mir vorliegenden Literatur meint man, die Belastung
könne soweit erhöht werden, solange der Formparameter der
Weibullverteilung erhalten bleibt (oder so ähnlich). Kann man
dann sagen, dass dann auch die lebensdauerbestimmenden
Versagens- oder Verschleissmechanismen identisch sind? Ich
weiß dann zwar immer noch nicht unbedingt, welcher Mechanismus
zum Ausfall führt, aber das brauche ich eigentlich auch nicht,
solange er immer der gleiche ist, oder?

der Formparameter beschreibt ja eigentlich nur die Form meiner Verteilung und die Form eminer Verteilung bleibt gleich, wenn ich stehts den gleichen (oder einen bestimmten Versagensmechanismus) habe. Hier beisst sich das Ganze also in den Schwanz.
Wenn ich mehrere Mechanismen habe, dann bekomme ich letztendlich auch nur eine Summenverteilung (die wahrscheinlich auch nicht mehr Weibull-verteilt ist)

Wenn du viele unterschiedliche Belastungsarten hast, stehst Du ja eh vor dem Problem, wie du die Belastung erhöhst bzw. beschleunigst.
z.B. Alles pauschal mit 150 % belasten ? dazu müsste man sich das Bauteil bzw. das, was ihr nachweisen wollt, genauer anschaun.
Ich sehe das ganze eher von der werkstoffabhängigen Seite eines Versuchsingenieurs. Sinnvollerweise reduziert man das System im Versuch eben auf den maßgeblichen Einflußfaktor (denn ich ggfs. so anpasse, dass die Versuchszeit verkürzt wird.

Du hast dir das ganze erstmal aus theoretisch-statistischer Sicht angeschaut.

Kann ich Dir noch irgendwie helfen ?
vielleicht hilfst, wenn Du mir mal konkret das Bauteil nennst.
(gerne auch direkt per mail)

Gruß
Martin

Hallo,

Hilfreich ist es sicherlich, zu wissen, welche Belastungen in
der regel zum Ausfall führen und gezielt diese Belastung
erhöhen. Sie haben als Lebensdauer eine bestimmte Anzahl von
Zyklen definiert. Wie ist diese Definition entstanden und wie
ist die Definition der Zyklenzeit entstanden ? Wenn man diese
Fragen beantwortet, dann kann man vielleicht auch sagen, wo
Ansätze für eine stärkere Belastung zu suchen sind.

Hauptsächliche Belastung während des Tests (Stressfaktoren) sind:

  • Anzahl der Betätigungen: Belastung von Mechanik und elektrischen Kontakten
  • Variation der Betätigungskraft (von normaler Kraft bis überdurchschnittlicher Kraft)
  • Temperaturzyklen (schrittweise von -40°C bis +80°C)

Gruß!
Udo