Beschriftung Bildstock

Hallo,
wir haben einen Bildstock im Ort von ca. 1700. Die Beschriftung ist teilweise unleserlich. Evtl. kann man aus den Resten einen damals gebräuchlichen Text rekonstruieren.
Er lautet: ISTE LOVUS SACER EST IN QVO CHRISTE … VICTOR AB EO …??IN TRANS
(Ich habe das U wie auf dem Bildstock als V geschrieben)
Die Übersetzung könnte lauten:
Dieser Ort ist heilig, an dem du, Christus … Sieger …
Wer hat hier eine Idee?
Danke von RPK

Servus,

der Ort ist LOCUS.

Nachdem im weiteren von (mutmaßlich Christus) als VICTOR die Rede ist, kommen für diesen Ort nur der Ort der Erfüllung des Erlösungswerks Christi Golgatha und das Grab Christi als Ort der Auferstehung in Frage - der Ort der Himmelfahrt bei Bethanien am Ölberg wird kaum gemeint sein, weil von diesem nur recht vage (und eh nur bei Lukas) berichtet wird.

Kannst Du vielleicht ein Foto von der Schrift machen und hier hochladen? Inschriften aus dem oberschwäbischen Barock hab ich schon einiges gelesen, vielleicht könnte ich auch trotz schlechten Erhaltungszustandes mit der Inschrift was anfangen?

Schöne Grüße

MM

Bei archäologischen Videos habe ich gesehen, dass Gravuren im Stein mit einem aufgelegten Papier kopiert werden. Über das Papier wird mit einem Stift (oder Kreide?) gestrichen, dann bilden sich auch kleinste Unebenheiten ab, die man fotografisch kaum einfangen kann.

muenze

Haben wir als Kinder mit Münzen gemacht, damit wir Spielgeld hatten. Papier auf Münze und mit dem stumpfen Ende eines Bleistifts drübergerieben.

Gruß, Kurti

Wow,
danke für die tollen Antworten!


Hier ist der Bildstock von ca. 1700
Grüße
RPK

Hier noch einmal mit von mir nachbearbeiteter Schrift

Hallo RPK,

nein, tut mir leid, da kann ich auch nicht mehr lesen als „Iste locus sacer est in qui (…) (…) victor ab eo (…) intrans.“ Der Darstellung nach geht es um Golgatha, „Dieser Ort ist heilig, wo (…) (…) als Sieger von dort (…) eingetreten ist.“ Besonders die wenigen, vielleicht drei Buchstaben zwischen „ab eo“ und „intrans“ geben Rätsel auf, sowas wie irgendeine Form von caelum oder regnum hat da keinen Platz.

In solchen Golgatha-Gruppen ist der Jünger rechts, der außer Maria links am Kreuz steht, normalerweise Johannes. Naheliegend wäre, dass der gesuchte Text in der Vulgata irgendwo bei Johannes zu finden ist. Mir fällt nichts dazu ein, aber das will nichts heißen.

Schöne Grüße

MM

Hallo,
vielen Dank für die Mühe. Zwei von den drei Buchstaben zwischen ab eo und intrans könnten ?nd lauten? Ich habe mal versucht, Texteile in der Vulgata zu finden - nichts. Es ist spannend, weiter zu suchen…
Grüße von RPK

Servus,

-ND kommt im Lateinischen nicht vor; an dieser Stelle ist eine Ablativ-Endung (zu EO) oder eine Nominativ-Endung (zu INTRANS) wahrscheinlich. Dass die nur drei oder höchstens vier Buchstaben an dieser Stelle ein ganzes Wort bilden sollen, ließe noch an eine Abbreviatur denken - davon gibt es „unheimlich“ viele, die zu der Zeit in Gebrauch waren.

Symmetrisch zu dem „ab eo“ könnte übrigens am Anfang stehen: "ISTE LOCUS SACER EST IN QEM (mit platzsparend unterdrücktem U) … , das wäre der Rahmen für eine hübsch in sich gerundete barocke Aussage. Die nicht mehr lesbaren Wörter enthielten dann irgendwas darüber, wie Jesus nach Gogatha ging, um den Ort am Ende als Sieger zu verlassen.

Schöne Grüße

MM

Hallo,
danke für die interessanten Gedanken. Ich werde beim nächsten Besuch einmal versuchen, die evtl. Vertiefungen der Buchstaben durch seitliche Blitzbeleuchtung hervorzuheben.
Das Auflegen von Papier und Durchmalen (wie bei einem Geldstück) scheidet leider aus.
Grüße von RPK

Der erste Teil des Spruches assoziiert an die berühmte Formel aus Exodus 3.5. Die Formulierung in der Vulgata lautet:

„solve calciamentum de pedibus tuis locus enim in quo stas terra sancta est.“

Er ist eine wortwörtliche Übersetzung der Septuaginta.
„… ὁ γὰρ τόπος, ἐν ᾧ σὺ ἕστηκας, γῆ ἁγία ἐστίν.“

Der Satz wird hier von Jahwe gesagt.

Wiederholt wird er in einer (völlig unmotiviert eingefügten Episode) leicht variiert in der Vulgata Liber Iosue (Josua) 5.16

"solve inquit calciamentum de pedibus tuis locus enim in quo stas sanctus est "

(ebenfalls wortwörtlich aus Septuaginta Ιησους 5.15)
Der Satz wird hier aber von einem „Fürsten des Heeres Jahwes“ gesprochen.

Jedenfalls ist dort immer genau der Ort gemeint, wo der Angesprochene sich gerade befindet. An das AT-Zitat anlehnend wird auch in anderen mittelalterlichen christlichen Formulierungen oft ein „iste locus sanctus est“ benannt. Geschrieben im selben Sinne an genau den Orten, wo sich der Leser befindet, bzw. es bezieht sich auf solche.

Der Unterschied zu dem Textteil auf der Säule „Iste locus sacer est in quo …“ ist auffallend das „sacer“. Es ist einer drei lateinischen Termini, die in der Regel für „heilig“ benutzt werden, aber es gibt einen Unterschied in der Semantik: „sanctus“ ist von Gott „geheiligt“, es übersetzt das griechische ἱερος (hieros) und ἁγιος (hagios) (wie in den AT-Zitaten oben), aber „sacer“ bedeutet „geweiht, gesegnet, rein“. Er entspricht dem griechischen ἁγνος (hagnos). Hier ist etwas von Menschen „geheiligt“, „geweiht“, oder es ist damit „rein, keusch, fromm“ gemeint.

In den Vulgata-Texten ist aber nur von „sanctus“ die Rede, Das wort „sacer“ kommt darin nicht vor. Das griechische ἁγνa, hagna der LXX wird in Vulgata immer mit sancta, oder casta, oder pudica übersetzt.

Deshalb ist es kein Wunder, daß du das Zitat „iste locus sacer est“ in der Vulgata nicht findest.

Jedenfalls ist mit „iste locus“ genau der Ort gemeint, wo eben diese Säule steht! Und der ist ein „geweihter“, „gesegneter“ Ort.

Und darauf dürfte sich auch „ab eo“ beziehen: Ich lese dort „ab eo hic intrans“.

Wenn du dir die Mühe machst, das Objekt noch mal deutlicher zu fotografieren: dann bitte scharf! Das kann heute ja jede Handy-Kamera. Und dann am besten in Dunkelheit (damit kein diffuses Licht einfällt) und mit Beleuchtung von schräg vorn und von schräg oben. Und wenn deine Kamara das zulässt, in schwarz/weiß! Dann haben sicher die Worte zwischen „in quo“ und „victor“ eine optimale Chance auf Entzifferung.

Ja, und die Personen unter dem Kreuz sind nach traditioneller Ikonographie Johannes und Maria (die Mutter, nicht die Magdalena). Es bezieht sich auf Joh.-Ev. 19.26+27.

Gruß
Metapher

2 Like

Wow, von so tollem Expertenrat hatte ich nicht zu träumen gewagt! Vielen , vielen Dank.
Ich werde bei nächster Gelegenheit hinfahren (30 km) und passendem Wetter hinfahren und die Spezialaufnahmen machen. Aus dem bestehenden Material habe ich mit Photoshop einmal verschiedene Arbeitsstufen eingestellt. Da ich bei der Umwandlung in SW keine Verbesserung erkennen konnte, habe ich auch nur farbige Bilder eingestellt. Es wäre eine Sensation, wenn wir hier den richtigen Text rekonstruieren könnten. Ich melde mich spätestens in einigen Tagen mit neuen Fotos.
Grüße und nochmals danke von RPK.

Hallo,
jetzt habe ich den Bildstock noch einmal (hoffentlich besser) fotografieren können. Die Beschriftung gibt mir weiterhin Rätsel auf und ich hoffe sehr auf fachkundige Ermittlungen.
Grüße von RPK

Servus,

ja, hier ist jetzt mehr zu erkennen, und gleich der Anfang macht die Geschichte noch rätselhafter als bisher: Da steht eindeutig ISTI, und dieser Dativ gibt mit dem, was folgt, erstmal keinen Sinn. Die einzige Möglichkeit, die mir dazu einfällt, wäre eine Sperrung und ein weiterer Dativ in dem nicht lesbaren Teil an der linken Dachschräge. Wäre aber merkwürdig, weil sacer („glaube ich“) mit Genitiv zu konstruieren wäre, der Dativ klingt mir da ziemlich deutsch.

Wahrscheinlicher scheint mir, dass die Schrift entweder in „naivem“ Latein verfasst oder später in einem solchen nachgearbeitet worden ist.

An dem seltsamen „QEM“ ohne U täte ich gerne festhalten, die Buchstaben dahinter könnten DEI heißen, dann läge für die linke Dachschräge „DEI FILIUS“ und für die rechte „DOMINUS VICTOR“, und damit würde das vollkommen kurios, weil dann nirgendwo Platz für ein Verb wäre, das man in jedem Fall bräuchte, auch wenn mein geratenes „IN QEM“ falsch wäre.

Die ungefähr drei Buchstaben zwischen „AB EO“ ? und „INTRANS“ wären ein wichtiger Schlüssel zum Ganzen, aber sie kommen mir genauso verändernd nachgearbeitet vor wie das I in ISTI - es wäre schon gut, wenn sie im Original HIC geheißen hätten, aber zu dem, was da jetzt steht, will mir kein lateinisches Wort einfallen.

Und jetzt sehe ich, dass dort, wo ich gerne „DEI FILIUS“ läse, genauso gut oder besser auch „DEI MATER“ (mit Bezug auf Maria Muttergottes am Kreuz) stehen könnte und bin völlig aus der Bahn.

@Metapher mit seinem schier unerschöpflichen Fundus an Texten und Wendungen kann hier wahrscheinlich mehr und Besseres deuten.

Schöne Grüße

MM

Hallo, trotzdem vielen vielen Dank für die Bemühungen, die Beschriftung „zu enträtseln“. Vielleicht kommen wir ja doch zu einem Ergebnis. Fatal wäre, wenn in den letzten Jahrzehnten ein „Verschlimmbesserer“ hier falsch nachgemalt hätte!
Frohe Pfingsten!
RPK

Hi MM,

Könnte vielleicht auch Adverb ISTI = „dort“ sein?

Und SACER dann nicht prädikatives sondern attributives Adjektiv „Dort ist der heilige Ort“).

IN QEM scheint mir jetzt auch eindeutig. Danach scheint mir ein DOMINUS zu blinzeln.

Vor dem VICTOR meine ich die Buchstaben ??HANNS zu sehen. Ich denke an ein verderbtes JOHANNIS. Das könnte ja ikonologisch passen.

Zwischen AB EO und INTRANS steht eine Zeichenfolge, die wie ?NCI oder ?MCI aussieht. Könnte das eine Jahreszahl sein? Und darauf nicht IN sondern zusammen ?MCIIIV (1147)? Obwohl dann ein isoliertes TRANS als Rätsel übrig blieb?

spiritus sancte adiuva! :pray: :roll_eyes:

Gruß
Metapher

Hallo,
Im Jahr 1971 hat schon einmal jemand versucht, den Text zu entschlüsseln.
Er hat geschrieben:
ISTE Locus Sacer est in quo tu christe … Victor ab eo …?
Seine Übersetzung:
Dieser Ort ist heilig, an dem du, Christus… Sieger…
Merkwürdig ist, dass er Iste geschrieben hat, obwohl das I von isti doch eindeutig zu erkennen ist.
Ich hatte durch meine Fragen hier gehofft, dass es sich um einen häufiger gebrauchten Text handelt und die lesbaren Wortteile den Schlüssel dazu liefern. Das scheint wohl nicht zu sein. Der Bildstock stammt aus dem 17. Jahrhundert. Also vertraue ich weiter auf die hier sehr kundigen Experten…
Grüße RPK

Ja, und er liest ein „quo“, wo es deutlich erkennbar nicht steht. Und von „tu christe“ erkenne ich auch nichts.

Wir haben noch gar nicht über die Größe des Ganzen geredet: Wie groß ist der Kopf der Stele überhaupt?

Ganz eindeutig erkennbar ist, daß die Farben später, sehr viel später, darübergemalt wurden. Besonders deutlich das INRI und die Kleidung von Maria und Johannes. Und die Haare usw.

Aber ärgerlich ist, daß offensichtlich auch die Buchstaben sowohl nachgemalt als auch teilweise darübergemalt sind. So hat z.B. - sehr deutlich - beim O von EO ursprünglich gar kein O gestanden, und beim R von TRANS - ebenfalls eindeutig - kein R. Auch dem V von VICTOR traue ich nicht mehr. Und bei den Buchstabn davor, wo ich vorhin [JO]HANN[]S vermutete, könnte durchaus zwischen N und S ein I gestanden haben, was der Lesung JOHANNIS entgegenkäme.

ist recht sicher nicht der Fall.

Weiterhelfen könnten jetzt nur noch kontrastreiche (durch entsprechende Beleuchtungswinkel) Teilaufnahmen von jeder einzelnen Buchstabenstelle. Auf jedenfall aber ein professioneller Restaurator, der mit der Art des Steines vertraut ist und ggf. die drübergemalte Farbe wieder aus der Schrift rauslöst (da sie ja eh nicht original ist).

Gibt es Informationen, in welchem Umfeld die Stele ursprünglich stand?

Gruß
Metapher

Hallo,
erneut bedanke ich mich und bin hocherfreut, dass hier so viele interessante Gedanken genannt werden.
Zunächst zum Standort mit einem Google-Streetview 360 Grad Foto:

Die Größe dürfte 50x4 cm sein.
Da ich 30 km entfernt wohne, kann ich die genauen Daten erst wieder beim nächsten besuch liefern.
Mehr in meiner nächsten Nachricht.
Gruss RPK

Hallo,
zunächst Korrektur: 50 x 40 cm.
Nun zur Beantwortung der Fragen:
Ja, da hat offensichtlich „ein Maler“ ziemlich viele unsachgemäße Veranderungen vorgenommen. Der Bildstock wurde wohl in der Zeit nach 1630 errichtet als in der Nähe auf einem Berg eine (beliebte) Wallfahrtskapelle errichtet wurde. Seit 815 muss es hier auch ein Kloster gegeben haben. Ich werde weiter recherchieren um etwas über die „Nachbemalung“ usw herauszufinden. Sollten mir weitere Detailaufnahmen gelingen, stelle ich sie auch hier ein.
Gruss RPK

Hallo,
wenn man so fachkundige Hilfe erhält, gerät man in Versuchung, gleich weitere Probleme aufzuzeigen.
Zu der geplanten Dokumentation der Bildstöcke in dieser Region gehören auch 7 Bildstöcke mit je 2 der 14 Nothelfer. Auch hier hat wohl der „Maler“ bei der Beschriftung „zugeschlagen“. Daher hier meine Fotos mit den bisher ermittelten Texten und der Bitte um Hilfe.


Das könnte es heißen: (wurde 1971 von einem „Kundigen“ so aufgeschrieben.
Per saevum spasmum vis …Erasmum
Icluit Pantaleon vincere
Durch eine grausame Zeitspanne … Erasmus. Pantaleon wird berühmt indem er den … Löwen besiegt.
Ich bin mir sicher, dass es zur „verschönerung“ nachgemalt wurde - wie aber die folgenden Rückseiten der anderen Bildstöcke zeigen, wurden hier Fehler geschrieben.
Evtl. kann man aus dem Zusammenhang und unter Berücksichtigung einiger Worte sinnvolle Sätze ermitteln.
Hier der nächste Bildstock:


Text von 1971:
Martyr ebis unus Dionysi fers tibi funus… Cyriakus Daemonem…
Als einziger Martyrer gehst du, Dionysius und bringst dir das Leichenbegängnis. Den Daemon … Cyriakus


Text von 1971
Ut vitulum Vitum in … ira petitum
Christi Christophori fert cor amore…
Wie ein von Wut gefordertes Schlachtopfer wird Vitus… Des Christen Christophorus Herz trägt mit Liebe…

Bei den übrigen Bildstöcken waren die Gravuren in den Steinen noch so tief und gut sichtbar, dass hier beim „Nachmalen“ keine Fehler entstanden sind.

Gruss RPK