Der Streit, welche Priorität das Wissen hat, ist heute meines Erachtens ganz klar: Wissen soll nützen! Die Uneinigkeit darüber, was nützlicher ist, das Wissen über die Natur oder über den Menschen, ist so alt, wie unsere westliche Philosophie. Die Emanzipation des philosophischen Wissens gegenüber dem von der Gesellschaft vorgeschriebenen GLAUBEN war zuerst das Wissens über die Natur, daraus entstand später dann die Naturwissenschaft.
Der Begriff der „Wissenschaft“ entstand aber erst mit der „subjektiven Wende“ des SOKRATES, der das Wissen der Naturphilosophie als für das praktische Leben keinesfalls als das nützlichste ansah, zumindest nicht so nützlich wie das politische Wissen und das Wissen zur subjektiven Selbsterkenntnis. Seit dieser Zeit der „subjektiven Wende“ durch SOKRATES gibt es diese „zwei Kulturen“ (vgl. C. P. Snow), die noch heute miteinander im unversöhnlichen Streit liegen um die Priorität des Wissens, wobei die Naturwissenschaft den eigentlichen unzweifelhaften Sieg errungen hat. Was wäre unsere hochtechnisierte Welt ohne die philosophischen Grundlagen der Mathematik, Geometrie, Physik und Chemie???
Was aber wäre die zukünftige Welt mit nur noch der Herrschaft des rein naturwissenschaftlichen „neutralen“ und „unpolitischen“ Wissens??? Bedenken wir unsere naive Autoritätsgläubigkeit gegenüber dem Absolutheitsanspruch der Naturwissenschaft und gegenüber der technischen Machbarkeit, so sehen wir die extreme Begrenztheit von Wissen durch die Herrschaft des Reduktionismus, der durch den Fokus auf die einzelnen Teile die Ganzheit des Menschen aus dem Blick verloren hat. Denken wir an die verheerenden Umweltkatastrophen der Industrialisierung und der Vernichtung des eigenen qualitativen Lebensraumes.
Die Betrachtungs- und Wirklichkeitsebenen werden sich nur dann „aufklären“, wenn wir die Wissenschaften nicht mehr nur unter dem Aspekt der „neutralen“ und „unpolitischen“ Naturphilosophie bzw. der Naturwissenschaft betrachten, sondern unter dem Aspekt des politischen SOKRATES. „Sokrates ist unser Vorbild“, sagt die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum, die als Professorin Philosophie lehrt an der Universität Chigago. Das ist eine Orientierung für ein lebenslanges Lernen am praktischen Nutzen für das Leben. Und aus dieser Neu-Orientierung eines „subjektwissenschaftlichen“ bzw. „expansiven Lernens“ (vgl. die Psychologie von Prof. Klaus Holzkamp), stellen sich die Betrachtungs- und Wirklichkeitsebenen für mich folgendermaßen hierarchisch dar:
Mathematik, Geometrie, Physik, Chemie, Biologie, Soziologie, Psychologie und Philosophie, in dieser Reihenfolge von unten nach oben, die nicht reduzierbar ist nur auf eine Einheitswissenschaft oder Falsifikation und Verifikation, sondern die Philosophie beinhaltet das gesamte Wissen der Menschheit zum Nutzen des einzelnen Menschen zu seiner „Wahl“. Der Fokus liegt hierbei also nicht mehr auf einer Betrachtungs- und Wirklichkeitsebene, wie beim Physikalismus als Leitwissenschaft, sondern auf dem SUBJEKTIVEN Lernen zum praktischen Leben. Dagegen ist und bleibt das Wissen des SOKRATES das höchste Wissen in einer Hierarchie der Betrachtungs- und Wirklichkeitsebenen, jedenfalls ist dieses Wissen für mich persönlich nützlicher als nur die „Mechanik“.