Betreuung und Unterbringung psychisch Kranker

Liebe/-r Experte/-in,
wir haben in unserer Familie ein riesiges Problem!

Mein Bruder: seit mind. 25 Jahren psychisch krank (Schizophrenie)- alle anderen sind krank, nur er nicht!!-, lehnt Medikamente ab, wohnte bisher alleine in einer 1-R.-Wohnung. Wegen extremer Ruhestörung ist er nach mehrfacher Abmahnung gekündigt worden. (Er brüllt die halbe Nacht auf dem Balkon oder in der Wohnung, läuft brüllend durch das Wohnviertel, wirft schon mal Einrichtungsgegenstände ( z.Bsp.Fernseher) aus dem Fenster.Zerstört Haustür oder auch Innentüren.
Ihm ist per Gericht ein Betreuer zugeteilt worden, der auch über sein Konto wacht. Mein Bruder kann nicht wirtschaften, hat 4 Tage nach Erhalt der Rente kein Geld mehr. Er bekommt Kradite, die er nicht zurück zahlen kann. Er gibt Geld für Bücher aus, die er nicht mal liest.
Es geht soweit, das er ab Monatsmitte nicht mal mehr Geld zum Leben hat, sich nur von gekochtem Reis- wenn überhaupt- ernährt. Er war immer stark übergewichtig und hat in kürzester Zeit massiv abgenommen.
Meine Eltern- fast 80- sind oft finanziell für ihn aufgekommen, können das nun aber nicht mehr. Mein Bruder hat an die 3000 € Schulden bei ihnen.
Er ist immer sehr ungehalten meinen Eltern gegenüber, benutzt Schimpfwörter, beleidigt sie, brüllt sie an - auch andere Menschen.
Sie sind nervlich und körperlich am Ende.
Da eine Zwangsräumung ins Haus stand und sich der Zustand meines Bruders nochmal verschlechterte, wurde er vom Gericht zwangseingewiesen für 6 Wochen. Meine Eltern haben indessen die Wohnung gesäubert( die extrem verschmutzt war) und alles für einen Umzug vorbereitet. Der Betreuer hatte eine Unterbringung in einer betreuten Wohngruppe vorgeschlagen, die mein Bruder aber aufs äußerste ablehnt. Er hat in der Klinik während dieses Gesprächs einen Tobsuchtsanfall bekommen.
Was nun?? Gegen seinen Willen kann man ihn nirgends unterbringen, in einem normalen Wohngebiet kann er aber auch nicht bleiben, und sich selbst kann er gar nicht mehr versorgen. Die Familie ist völlig verzweifelt.
Es soll doch auch zu seinem Besten geregelt werden!
Ich wohne leider fast 700 km weit weg, kann dieses Elend aber auch nicht mehr ertragen.
Was können wir unternehmen? Welche Möglichkeiten gibt es?

Vielen Dank für jeden Hinweis, jede Meinung, jede Hilfestellung!

MFG Doreen

Hallo Doreen,

das von Dir skizzierte Problem ist mir leider nur zu bekannt. Positiv für eine auf das Wohl Deines Bruders gerichtete Lösung ist schon mal, dass ein Betreuer bestellt worden ist.

Wenn der Betreuer den Aufgabenkreis „Aufenthaltsbestimmungsrecht“ hat, kann er auch gegen den Willen Deines Bruders eine Heimaufnahme initieren, da diese (Heimaufnahme) offensichtlich dem Wohle entspricht. Das Wohl des Betreuten ist der zentrale Leitpunkt des Betreuungsrechtes. Jegliche Handlung muss darauf abzielen, dem Wohle zu dienen. Auch dann, wenn sich die Entscheidung für den Betroffenen nicht erschließt.

Im Falle Deines Bruders ist aus der Ferne betrachtet die notwendige Vorgehensweise folgende:

  1. Wohnungsauflösung Achtung! Hierfür ist immer die ausdrückliche Genehmigung des Betreuungsgerichtes erforderlich.
  2. Auswahl eines geeigneten Heimes; ggf. muss es eine geschlossene Abteilung haben, um Deinen Bruder am Fortlaufen zu hindern.
  3. Beantragung der Heimkosten beim zuständigen Sozialamt.
  4. Heimaufnahme

Der Betreuer benötigt für die vorgenannten Schritte folgende Aufgabenkreise:

Vermögenssorge mit Einwilligungsvorbehalt (wichtig zur Schuldenregulierung)
Aufenthaltsbestimmungsrecht
Genehmigung von freiheitsentziehenden Maßnahmen
Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen
Vertretung gegenüber der Einrichtung (Heim)
Wohnungsauflösung

Es ist sicherlich für Dich erschreckend, wie hart der Betreuer bestimmte Entscheidungen durchsetzen muss. Im wohlverstandenen Intersse Deinem Bruder gegenüber erscheint mir diese Vorgehensweise jedoch erforderlich.

Falls sich noch Fragen ergeben, einfach melden.

Gruß crickelcrackel

Liebe/-r Experte/-in,
wir haben in unserer Familie ein riesiges Problem!

Mein Bruder: seit mind. 25 Jahren psychisch krank
(Schizophrenie)-


Hallo Doreen, keine wirklich angenehme Geschichte, noch dazu, wenn es in der eigenen Familie ist. Es ist ja ein rechtlicher Betreuer eingesetzt. Handelt es sich um einen Betreuer, der dies berufsmässig tut? Welche Aufgabenkreise sind gerichtlich angeordnet? Hast Du Kontakt zu dem Betreuer? Schicke mir die Antwort bitte direkt unter : [email protected] und Infos zum Betreuungsrecht und einige Links findest Du unter : www.rechtliche-betreuer.de liebe Grüsse andre

Hallo crickelcrackel!

Vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort!

Das sind Informationen, die mir schon ein ganz Teil weiter helfen.

Zur Zeit können wir diesen Schritt wohl noch nicht gehen, weil die Justiz da nicht mitmacht, aber ich weiß wenigstens schon mal, wie man dann vorgehen muß!

Ich danke Dir!

Mit freundlicchen Grüßen, Doreen.

Hallo Doreen!

Zunächst können Sie und ihre Eltern für Ihren Bruder leider garnichts tun. So hart das auch ist.
Sie haben (erstmal) recht, wenn Sie schreiben, dass Ihr Bruder gegen seinen Willen nicht untergebracht werden kann.
Das geht nur, wenn er sich, oder andere durch sein Verhalten erheblich selbst gefährdet.
Wann das der Fall ist, ist nur im Einzellfall zu entscheiden. Den Antrag, stellt der gesetzliche Betreuer, genehmigen/entscheiden tut der Richter beim zuständigen Gericht, auf Grundlage ärztlicher Gutachten etc.

Es gibt auch Wohngruppen für psychisch kranke Menschen, die geschlossen sind. Wie gesagt, dazu bedarf es aber eines richterlichen Beschlusses. Aus Ihren Schilderung allein, würde ich schon genügend Anhaltspunkte dafür sehen, die diesen, doch massiven, Eingriff in die freiheitsrechte Ihres Bruders dennoch rechtfertigen würden.
Denn Ihr Bruder schädigt sich ja in massiver Weise selbst, in dem er durch sein krankhaftes Verhalten seine Wohnung verliert, sich verschuldet und gesundheitlich (Gewichtsverlust) gefährdet. Und er ist krankheitsbedingt wohl nicht dazu in der Lage für sich selbst adäquat zu sorgen. Aber, wie gesagt, dass muss der Richter entscheiden und das tun die nur, wenn auch der Gutachter zu dem Ergebnis kommt, dass dies angezeigt ist und auch der gesetzliche Betreuer der Meinung ist, da dieser den Antrag stellen muss.

Ich kann Ihnen und Ihren Eltern folgendes raten:

  1. Suchen Sie das Gespräch mit dem Betreuer und dem Richter und äußern Sie Ihre Wünsche und Sorgen. (Aber Achtung! Die Entscheidung ob, oder ob nicht trifft der Betreuer, bzw. der Richter!)
  2. Sollte der Richter einen Antrag auf „dauerhafte“ geschlossenen Unterbringung ablehnen, legen Sie Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Dann geht die Sache vor das Landgericht und ein anderer Richter sieht sich die „Sache“ nochmal an. Was nicht heißt, dass der dann anders entscheidet.
  3. Suchen Sie und/oder Ihre Eltern einen Betreuungsverein (den gibt es eigentlich in jeder Stadt/Kreis) auf und lassen sich beraten. Bzw. nehmen Sie Kontakt zur Betreuungsstelle/Betreuungsbehörde, bei der Kommune/Stadt/Kreisverwaltung auf und lassen sich dort beraten. (Je nach Bundesland ist das anders organisiert).
  4. Ihren Eltern und evtl. auch Ihnen empfehle ich eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von psychisch Kranken Menschen (Selbsthilfegruppe für Psychiatrie Erfahrene und deren Angehöriger) aufzusuchen. Nicht mit dem Ziel Ihrem Bruder zu helfen, sondern sich selbst zu helfen, mit der Situation umzugehen.

Ich hoffe, Ihnen damit ein wenig geholfen zu haben und wünsche alles Gute!
Für Nachfragen stehe ich natürlich zur Verfügung.

S. Jacobsen

Hallo!

Vielen Dank für die wertvollen Ratschläge und Informationen!
Ich hoffe,daß sich bald alles zum Guten wendet! Wir alls Familie werden alles Erdenkliche tun,um meinem Bruder zu helfen.

Mit freundlichen Grüßen, Doreen.

Hallo Doreen,
zuerst solltet Ihr gemeinsam mit dem Betreuer einen Termin mit dem behandelnden Arzt vereinbaren, um Näheres über Medikation, Prognose ect. zu erfahren.
Der Unterbringungsbeschluss kann auch verlängert werden, bis eine geeignete Einrichtung gefunden ist, in der Dein Bruder leben kann. Dies entscheidet der Vormundschaftsrichter in der Regel nach Absprache mit dem Arzt und dem Betreuer.
Ihr müsst dabei auch kein schlechtes Gewissen haben, Schizophrene haben nur geringe Krankheitseinsicht solange sie medikamentös nicht passend eingestellt sind bzw. bis die Medikamente richtig anschlagen.

Alles Gute
Gabi

Hallo Gabi!
Vielen Dank für die Informationen!
Ich werde diese Woche ja erfahren, wie es weiter geht! Hoffentlich findet sich bald eine gute Lösung für alle!

Mit freundlichen Grüßen, Doreen.

  1. Einen Einwiligungsvorbehalt sollte der Betreuer beim Gericht beantragen. Alle Rechtsgeschäfte des Bruders wären dann schwebend unwirksam.
  2. Wohnsituation: der Bruder könnten in einer spychitrischen Tagesklinik untergebracht oder eingebunden werden. Dort können dann die Medikamente verabreicht werden, die Wäsche gewaschen werden usw. Der sozialspychitrische Dienst/Sozialamt /Gesundheitsamt des Bezirkes/Landkreises kann hierzu nähere Auskünfte geben.

Hallo,

vielen Dank für deine Antwort!

Inzwischen hat sich unser Problem gelöst: Mein Bruder lebt jetzt in einer betreuten Wohngemeinschaft für psychisch Kranke und fühlt sich nach einer Eingewöhnungszeit recht wohl dort. Wir sind alle total erleichtert.

Liebe Grüße, Doreen