Bewegte Menschen mit Hintergrundunschärfe fotografieren

Hallo,
bisher habe ich mit meiner Canon 600d nur im Automatikmodus fotografiert. Wollte aber nun in die manuelle Fotografie übergehen. Erste Versuche scheiterten bedauerlicherweise.

Ich möchte gerne einen bewegten Menschen (beim laufen zB) mit unscharfem Hintergrund fotografieren. Leider ist bei mir der Mensch auch immer mit unscharf. Der Sucher ist auf den Menschen gerichtet. Oder brauche ich für diese Art der Bilder ein Stativ? Ich habe auf der Kamera folgendes Objektiv: Tamron AF 18-200mm F/3.5-6.3 XR Di II LD.

Ich wäre sehr dankbar, wenn man mir eine Hilfestellung gibt welche Einstellungen ich vornehmen soll. Die Bilder werden hauptsächlich bei Tageslicht fotografiert.

Tausend Dank für die Hilfe!!!

PS: So stelle ich mir die Bilder vor (ich weiß, das sind Profi Bilder, ich meine dies nur zur Veranschaulichung)
http://www.theblondesalad.com/wp-content/uploads/2016/07/11.jpg

Hallo,

die rein manuelle Fotografie würde ich da nicht vorschlagen.
Dein Fotoapparat hat sicher ein Programm, wo man die Blende fest vorwählen kann.
Mit Hilfe dieses Programms stellst du die Blende 2,8 ein. Dann mußt du nur noch das Sucherkreuz (oder Sucherquadrat) auf die Person richten. Die automatische Nachführung stellt auf die Person scharf ein und die Belichtungszeit wird vom Gerät ebenfalls selbständig gewählt.
Um den Hintergrund noch unschärfer zu gestalten, kannst du auch Blende 1,8 ausprobieren.

Hallo!

Grundsätzlich solltest du erstmal die Basics der Kamera verstehen, um dann von dem automatischen Modus weg zu gehen.

Wichtig ist hier vor allem die Blende. Die Blende verengt den Strahlengang durch die Kamera, ähnlich wie die Iris des Auges. Das dient dazu, die Lichtmenge, die in die Kamera fällt, zu regulieren. Aber sie hat noch eine zweite Auswirkung: Mit ihr lässt sich die Tiefenschärfe regulieren. Je kleiner die Öffnung ist, desto größer ist der Entfernungsbereich, der scharf dargestellt wird. Für ein Landschaftsfoto wählt man dabei eine möglichst weit geschlossene Blende, so daß sowohl die Blumenwiese, als auch der Bergkamm am Horizont scharf ist. Für ein Portrait, oder das, was du hier willst, wählt man eine möglichst offene Blende. Hier sind nur Dinge in einem gewissen Abstand scharf, alles was weiter weg oder näher dran ist, dagegen unscharf.

Die Größe der Blende wird mit einer Zahl angegeben. Je größer sie ist, desto stärker ist die Blende geschlossen. Du willst also einen möglichst kleinen Wert für eine möglichst offene Blende.

Dein Objektiv ist ein … f/3,5-6,3… Das bedeutet, wenn du maximal raus zoomst, kommst du runter bis auf 3,5, wenn du maximal rein zoomst, kommst du nur auf 6,3. Das ist einfach das Maximum, was dein Objektiv kann. Denn das Gehäuse selbst definiert ja auch die maximale Lichtmenge, die durchgeht.

Auch damit kannst du zwar den Hintergrund unscharf machen, aber du wirst nicht exakt dieses Bild erzeugen können. Denn den Informationen deines Bildes entnehme ich, daß es mit einer Brennweite von 85mm bei einer Blende von f/1,4 geschossen wurde (und einer Belichtungszeit von 1/2500s, und ISO200). Das ist schon ziemlich heftig, und das einzige Objektiv für Canon, das ich grade finde, und das diese Werte kann, kostet 1750€…

Dennoch kannst du mit deiner Kamera solche Effekte machen. Geh weg vom Automatik-Modus, und wähle den Modus „A“ (Aperture, engl. für Blende). Dann kannst du mit dem Drehrad an der Kamera den zu benutzenden Blendenwert wählen. Gleichzeitig siehst du, wie die Kamera Belichtungszeit und ISO-Wert justiert, damit unterm Strich genug Licht rein kommt. Probier damit mal etwas rum, zunächst an ruhenden Objekten. Und: Je näher das „scharfe“ Motiv vor der Kamera ist, desto unschärfer bekommst du den Hintergrund.

Noch ein paar Tipps:

Im Sucher findest du mehrere Punkte, die bei halb gedrücktem Auslöser aufleuchten. Das sind die Sensoren, mit der die Kamera scharf stellt. Du hast hinten einen Knopf mit einem 3x3-Schachbrett-Symbol. Mit dem (und dem Drehrad) kannst du einstellen, welche Punkte zum Scharf stellen genutzt werden sollen. Ich nehme nur den in der Mitte, denn so habe ich die beste Kontrolle drüber, was die Kamera scharf stellt. Das erfordert aber u.U., das Motiv genau aufs Korn zu nehmen, den Auslöser halb zu drücken, dann die Kamera so zu bewegen, daß das ganze wie gewünscht aussieht, und dann den Auslöser durch zu drücken.

Der Effekt der Blende ist im Sucher nicht zu sehen, weil die Blende immer ganz offen ist, damit das Bild im Sucher schön hell ist. Außerdem fällt es dann einfacher, das Bild scharf zu stellen. Von vorn gesehen gibt es einen kleinen Knopf unten rechts nahe am Objektiv. Wenn du den drückst, stellt die Kamera die Blende auf den gewünscten Wert ein. Das merkst du an einem dunkler werdenden Bild im Sucher, und ggf. zunehmender Tiefenschärfe.

Vielleicht ein Tipp, wenn du ein wenig Geld ausgeben möchtest: Von Canon gibt es ein 50mm f/1,8 für rund 100€, das schon ziemlich gut für solche Zwecke ist. (Ist allerdings kein Zoom, genausowenig wie das o.g. 85mm)

Danke für Deinen Kommentar. Und welche Messmethode kannst du empfehlen? Die Mehrfeldmessung? Mit dem unscharfen Hintergrund klappt schon ganz gut, jedoch ist die Person im Vordergrund oft auch unscharf wenn sie sich bewegt.

Hallo!

Je größer die gewählte Blende, desto kleiner wird der Entfernungsbereich mit scharfer Abbildung. Die größte zur Verfügung stehende Blende Deines Objektivs ist 3,5. Die stellst Du ein. Dazu kurze Brennweite. Um die auf Dich zugehende Person scharf abzubilden, musst Du es schaffen, den Abstand einigermaßen konstant zu halten. Du wirst mit der auf die Person gerichteten Kamera rückwärts gehen müssen. Weil alles in Bewegung ist, Du auch die Kamera nicht wirst ruhig halten können, brauchst Du viel Licht, um eine kurze Belichtungszeit wählen zu können.

Aber vorher solltest Du mit der Kamera spielen und den Tiefenschärfebereich bei offener Blende im Bereich kleiner Brennweite ausprobieren.

Dein Teleobjektiv ist für viele Anwendungen nutzbar, stößt aber an Grenzen, wo man große Öffnung braucht. Ein mit 1 oder 1,4 geöffnetes Objektiv (das allerdings keine 200 mm Brennweite bietet, wenn es irgend bezahlbar und transportabel sein soll) wäre besser geeignet, wenn es darum geht, nur einen kleinen Bereich scharf darzustellen, wenn man also unscharfen Hintergrund bewusst als Gestaltungsmittel verwenden möchte. Ich würde zusehen, das eine oder andere (gerne gebrauchte) Objektiv mit Festbrennweite und möglichst großer Öffnung zu beschaffen. Handelsüblich sind Öffnungen ab etwa 0,7. Das ist für den genannten Zweck viel besser als Blende 3,5.

Anekdote dazu: Vor einigen Jahrzehnten arbeitete ich in einem Konzern, der zu lange von zu vielen Idioten geführt wurde und dann pleite ging. Ein Entwicklungsprojekt war beendet und gleichzeitig sollten Lagerkosten gesenkt werden. So wurden also speziell für das abgeschlossene Projekt beschaffte Sachen entsorgt, statt sie einzulagern. Auch ganze Paletten voller Normteile, die dann eben fürs nächste Projekt neu gekauft wurden. Zu den zu entsorgende Sachen gehörte auch ein Spiegelobjektiv, wenn ich richtig erinnere 1000 mm Brennweite, Blende 1. Das riesige Teil hätte einen eigenen Palettenplatz gebraucht, der laufend intern Kosten verursacht hätte. Damit das nicht passierte, konnte man das Ding als Mitarbeiter für den symbolischen Preis von 1 DM kaufen. Bis heute ärgere ich mich, dass ich das Objektiv nicht kaufte, weil es nicht durch die Tür meines Käfers passte. So freute sich ein Kollege daran.

Gruß
Wolfgang

Hallo,
vielen Dank für die ausführliche Antwort! Ich werde Deinem Rat folgen und mir das erwähnte Objektiv zulegen. Danke! Mit Hilfe Deiner Erklärung verstehe ich nun endlich wie ich die Messpunkte justieren kann.

Noch eine Frage: und für welche Zwecke eignet sich mein derzeitiges Objektiv? Ich möchte ungern, dass dieses nun ungenutzt im Schrank liegt…

Herzlichen Dank!

Mit dem Objektiv F/3.5-6.3 kann man das nicht einstellen, ansonsten der richtige Weg, Blende auf und Zeit entsprechend kurz.

Hallo!

Was du mit Mehrfeldmessung meinst, ist die Belichtungsmessung.

Ich meine folgendes, womit ich mich auch ein wenig korrigiere. Drücke den Knopf mit der Lupe und dem kleinen „+“ rechts oben. Du siehst dann ein Menü mit den Kreuzsensoren. Drehe am Rad, bis nur noch der mittlere Sensor ausgewählt ist.

Wenn du jetzt durch den Sucher guckst und den Auslöser halb drückst, sollte es in der Mitte des Sucher-Bildes aufblitzen, das ist das Zeichen, daß er dort scharf stellt. Natürlich muß an der Stelle auch ein gewisser Kontrast sein. Wenn du der Dame auf deinem Bild genau auf den Bauchnabel zielst, kann die Kamera gut scharf stellen. wenn du nur auf den Oberbauch zielst, sieht die Kamera nur ne schwarze Fläche und kann nicht (richtig) scharf stellen.

Als nächstes solltest du auf die Belichtungszeit achten. Ist die zu lang, bekommst du Bewegungsunschärfe. Im Bild wurde 1/2500s benutzt, damit kannst du Raketen fotografieren… Du solltest deutlich unter… sagen wir 1/50s liegen, damit wenig Bewegungsunschärfe auftritt.
Die offene Blende ist da vorteilhaft, weil die viel Licht rein lässt. Zur Not kannst du auch den ISO-Wert (Lichtempfindlichkeit des Sensors) hoch drehen, dazu dient der „Pickel“-Knopf oben auf der Kamera. Einen Wert von 400-800 kannst du nehmen, darüber fängt das Bild langsam an zu rauschen.

(Nebenbei, meine Beschreibung bezieht sich auf meine 700D, ich denke, eine 600D ist nicht so viel anders)

:hushed: :sob: :facepunch:

Zur Technik ist schon alles gesagt. Aber zum Model: Lass Dich aber nicht vom Ergebnis blenden. Es gibt m.E. keinen Hinweis, dass dieses Model wirklich läuft. Ganz im Gegenteil, Tasche, Haare und die Strippen am Oberteil liegen an, die Arme sind nahezu parallel (nicht den Beinen entsprechend gekreuzt).

Gäbe es ein Foto vom Set, dann wären da vielleicht sogar die Hiwis mit ihren Spiegeln und Leinwänden zu sehen, die allein für das richtige Licht sorgen.

Hallo!

Ist ein gut zu gebrauchendes Universalobjektiv für alltägliche Foto. Zusammen mit Automatik braucht man nur auf die gewünschte Größe zu zoomen und auf den Auslöser zu drücken. Sobald man nur wenig Licht hat und/oder Schärfe und Unschärfe gestalterisch nutzen möchte, braucht man mehr Öffnung, größeres Glas. Das sind dann Festbrennweiten oder allenfalls ein kleiner Zoombereich. Solche Objektive machen Dein Universal-Zoomobjektiv nicht überflüssig. Man braucht für verschiedene Einsatzfälle verschiedene Objektive.

Gruß
Wolfgang

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Blende 2,8 wird mit einem 3,5er Objektiv nur schwer gehen.

Hallo!

Wie stellt man an einem Objektiv 18-200mm F/3.5-6.3 Blende 1,8 ein?

Gruß
Wolfgang

Das war auch meine Überlegung, ohne von der Technik etwas zu verstehen (so gerne ich es auch täte, aber so ambitioniert war ich an der Stelle noch nicht).

Wobei die Bewegungsunschärfe in der Art von Fotografie eher nicht das Problem ist, da die benötigten Linsen eine große Blendenöffnung haben sollten. Das Problem können dann eher die kurzen Belichtungszeiten werden, wenn man - was ich als kleinsten Nenner empfehlen würde - mit einem Aufhellblitz arbeitet und in den Bereich kommt, wo die Verschlusszeit für eine „normale“ Synchronisation zu kurz ist (je nach Kamera so etwa ab 1/200 Sek). Man kann versuchen, die FilmSensorempfinflichkeit soweit zu reduzieren, dass man nicht Belichtungszeiten hineinläuft, die für eine Blitzsynchronisation zu kurz sind. Oder man macht sowas wie HSS - sofern es der Blitz unterstützt. Das braucht aber eher viel Power am Blitzgerät und wird mit dem kleinsten Aufsteckblitz nicht klappen. Auch oder gerade mit HSS gilt: um Blitzleistung zu sparen eher die Filmempfindlichkeit runter regeln und damit die Belichtungsungszeit möglichst lange wählen

Sebastian

Irgendwas mit einem großen Bohrer …

SCNR

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Zumal man bei dem Objektiv etwas „Spaß“ mit der korrekten Fokussierung haben kann. :smile:
Es gibt aber das wesentlich günstigere 1,8/85 mm.

Das „plastic fantastic“ :slight_smile: Das Beispielbild wird mit 85 mm an Vollformat gemacht worden sein (hab mir die Exif-Daten nicht angesehen), da die OP aber Crop („nicht-Vollformat“) benutzt, ist sie mit einem 50 mm Objektiv sicher besser beraten als mit einer 85 mm -Linse.

Sebastian

„üblich“ ist das in meinem (Canon-)Universum keinesfalls, ich meine, dass es von Zeiss ein paar Objektive mit einer solchen Öffnung gibt. Bei Canon geht es mit Blende 1,2 bei 50 und 85 mm los (das 50/1,0 wird nicht mehr produziert und taugt - sofern man nicht fotografieren möchte - auch sehr gut als Wertanlage).

Auch Blende 1,2 ist schon recht speziell und fordert Fotografen und (Auto-)Fokussiervermögen …

Sebastian

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Es ist eh schon alles gesagt, ABER: Auch mit deinem jetzigen Objektiv ist einiges möglich.
Die Tipps wurden schon gegeben:

  • Blende „aufreißen“ (also den geringsten Blendenwert einstellen)
  • Tele raus auf Anschlag und so Nahe wie möglich ran
  • Verschlusszeit so gering wie möglich

Ich selber fotografiere Fußball bei Tag mit dem Tamron 70-300 VC USD, Blende bei 5,6 (max. Blende bei 300mm) und verstelle lediglich den ISO-Wert, dass ich wenn möglich nicht unter 1/500 Sek. komme.
Wird es Abend, kommt das Canon 85mm f1.8 drauf.
Früher benutzte ich das Tamron 70-200 f2.8, aber da waren mir entweder die 200mm oder die f2.8 zuwenig.

Die Bilder vom letzten Samstag (http://www.simmeringer-sc.at/?page_id=9455) werden es zwar nie auf Sportseiten schaffen, aber für die Vereinsseite reichts und die Lichtverhältnisse waren auch nicht gerade optimal (halbes Spielfeld in greller Sonne, die andere Hälfte im dunklen Schatten).

Und Sport ist sowieso etwas eigenes, da heißt es üben, üben, üben.

In der Firma war ich auch :slight_smile: