Hallo Jersey,
ich bin selbst kurz davor, Bäcker zu werden. Der Chef und ich sind uns seit Wochen einig. Es hängt nur noch an den Behörden, die mich derweil zwingen, weiterhin Bewerbungen zu schreiben. Nun zu Dir!
Die bloße Aufzählung von Schlüsselqualifikationen (Dein letzter Absatz) ist wenig überzeugend. Wenn etwas selbstverständliches wie Zuverlässigkeit ausdrücklich erwähnt wird, kann sogar der gegenteilige Eindruck entstehen.
Die täglichen Aufgaben sind der richtige Ansatz. Aber mache den Text lebendiger wie eine Erzählung, so dass der Chef in Farbe und 3D sich vorstellen kann welchen Eindruck Du bei der Arbeit machen wirst. Nimm als Beispiel meine Bewerbung:
Betreffzeile = Facharbeiter für Maschinenbau, Instandhaltung und Störbeseitigung bietet kompetente Mitarbeit
Im automatisierten Lager und in der Fabrik prüfe ich gewissenhaft, schmiere und halte den Betrieb produktiv in Bewegung. Wenn eine Maschine nicht so will, wie sie soll, tut das nichts zur Sache – ich repariere sie! Ich hole alle nötigen Informationen und bleibe bei der Sache bis ich das Problem gelöst habe.
Mit veränderlichen Arbeitszeiten komme ich zurecht weil ich Erfahrung im Zweischichtbetrieb und mit Überstunden habe. Außerdem habe ich einen Führerschein Klasse B und ein Auto.
Arbeitsbereiche wie Leitern, Gitter und Förderbänder sind kein Problem für mich. Ich ertrage gelassen den Blick nach unten und leiste zuverlässig die aufgetragene Arbeit. Da ich sehr auf Sicherheit bedacht bin schaue ich zuvor gründlich, welcher Teil der Anlage abgeschaltet werden muss. Bei elektrischen Anschlussarbeiten betrachte ich kritisch das eigene Werk.
Ich wünsche mir eine Arbeitsstelle mit gutem Betriebsklima, an der ich gemäß meinen Fähigkeiten langfristig eingesetzt werde. Ich bin immer bereit für ein Vorstellungsgespräch. Die Arbeitsstelle mit der Nummer 1000000994 halte ich für geeignet.
Meine bevorzugte Struktur heißt AIDA: Attention, interest, desire, action.
Attention = Aufmermsamkeit erzeugen. Dafür verwendet man eine plakative Betreffzeile, die sich i.d.R. auf mehrere Zeilen erstreckt. Betreffzeilen werden ohnehin per Standard fett gedruckt. In diesem Zusammenhang empfehle ich dringend, den Betreff zu zentrieren. Zeilenwechsel und Trennstriche so wählen, dass das Ding optisch was hermacht.
Interest = Interesse des Lesers wecken. Das ist der Hauptteil des Textes. Mindestens 70% des gesamten Inhalts gehören hierhin. Nach Möglichkeit nichts wiederholen was schon im Betreff steht.
Desire = Verlangen. Es steht irrigerweise für das eigene Verlangen. Ja auch Du darfst und sollst etwas erwarten. Das zeigt Selbstbewusstsein. Ohne dies wirst Du entweder gar nicht eingestellt oder ausgenutzt. In meinem Beispiel erwarte ich gutes Betriebsklima. Hierhin gehört auch die Gehaltsvorstellung wenn im Stellenangebot danach gefragt wurde.
Action = Handlung. Was soll der Leser meiner (Be)werbung tun? Im Fall einer *Be*werbung beläuft sich das immer auf ein Vorstellungsgespräch. Wichtig: Wir bitten nicht, wir bieten. Ein Dozent bestand sogar darauf, dass wir nur bieten und nicht anbieten. Das Wort „anbieten“ sei reserviert für das horizontale Gewerbe. Na gut. Dann mache ich dem Chef eben ein Angebot, damit wir ins Geschäft kommen. Wichtig ist: Nicht bitten! Wenn ich nichts zu bieten habe, kann es bleiben lassen.
Desire und Action sind die kürzesten Teile. In meinem Fall sind sie so kurz, dass ich sie aus optischen Gründen in einen Absatz gequetscht habe. Streng von der Struktur her gesehen ist beides ein eigener Absatz.
Ich gebe Dir gerne dieses Wissen weiter. Aber so lange sich die Umstände nicht ändern wird es nicht viel nützen.
Mitte 2011 wurde ich mit einer Postkarte eingestellt. Damals hatte ich die Auswahl zwischen drei Chefen, die nur auf meine Entscheidung gewartet haben. Die von mir gewählte Arbeitsstelle hat genau sechs Monate lang gehalten. Von Ende 2011 bis Anfang 2013 habe ich zwei 8cm-Ordner mit gesammelten Stellenangeboten, Bewerbungen und Protokollen gefüllt.
Abschließend muss ich noch sagen, dass ich mich aus wer-weiss-was zurückziehen werde. Ich finde es einfach zu dumm, dass man keine Emailadressen oder Telefonnummern austauschen darf. Falls Du noch fragen hast gib bei Ixquick oder Google folgende Zeile ein:
„Arbeitnehmerüberlassung“ „reg ich mich auf“
viele Grüße