Bewusstes "falscherzählen" gegeneinander ausspielen?

Meine Tochter (9 Jahre alt ) hatte in vielen Jahren eher schlechten Umgang zu ihrem Vater. Die damalige Freundin kümmerte sich mehr, als er. Als die Beziehung zerbrach, brach auch der Kontakt ab.
Sie litt sehr, fragte viel, war damals gerade mal 4 Jahre alt.
Nach langem hin und her, mal Kontakt ja, dann nein, war dann über viele Monate Pause.
Ich musste den kindsvater anzeigen , weil er 8 Jahre keinen Unterhalt zahlte und das Jugendamt mir dazu riet.
Dann plötzlich Kontakt Aufnahme seiner jetzigen Freundin.
Gerichtsverhandlung - 3 Monate Haft auf Bewährung, da er gegen die Auflagen verstoßen hat - und dazu in Revision gegangen ist, zieht sich das.
Meine Tochter freute sich an dem plötzlichen Interesse ihres Vaters, nahm die Umgangstermine freudig an und nach zwei treffen wollte sie unbedingt bei ihm wohnen und hat sich mir gegenüber total verschlossen.
Ich dachte, das ist jetzt eine Phase, sie freut sich, auch wenn ich das Gefühl hatte und habe, dass alles nur deswegen passiert, damit sich das in seinem Urteil im neuen Verfahren auswirkt …
Sie hat ein teures Handy bekommen, sie haben mittlerweile zwei Hunde dort und das Handy darf sie auch nicht hier her nehmen (seine Aussage : ich würde es ihr wegnehmen - nicht korrekt )
Nach jetzt vier langen Wochen - ohne dass sie sich viel gemeldet hat - zwei arztterminen - einmal floh Stiche, einmal Bauchschmerzen ) kam sie jetzt her, wollte bei mir sein, erzählte - dort wäre es so eklig, die rauchen (sie stinkt auch wirklich von oben bis unten nach Rauch) überall, die Hunde kacken und pinkeln über all hin, sie essen nicht zusammen, wenn dann Tiefkühl (nur) , sie muss sich essen allein machen, weil die so lange schlafen, in der Früh frühstückt sie nicht bevor sie zur Schule geht, weil sie kurz vor knapp aufstehen, keine Zähne werden geputzt, sie sagt sie ist nur drinnen, gehen nicht raus und jetzt ziehen sie um, weil die dort mietschulden haben, ihr ist dauernd schlecht, also komplett negativ - dass dort alles so eklig ist und sie sich schämt so stinkig in die Schule zu gehen und sie will doch hier sein… und sie freut sich so wieder hier zu sein, dass wir zusammen essen, und alles sauber ist und wir raus gehen. Sie ihre Oma wieder sieht …
Und meine Kommentare dazu waren- dass es ja dann Zeit wird, dass sie wieder hier ist und ich mich freue und aber auch traurig bin, dass sie solche Erfahrungen machen musste, aber das ja auch wichtig ist, weil sie so weiß, bei Mama hat sie ihr zu Hause und ihren Papa kann sie besuchen. Dann wenn er wirklich Zeit hat.

So, jetzt zur eigentlichen Hauptsache -
Heute wollten wir dort ein paar Sachen holen, die sie braucht. Sie ging hoch, kam mit der Freundin ihres Vaters runter und meinte Mama ich bleib hier. Unter Tränen hat sie sich verabschiedet.
Abends bekam ich eine Nachricht von der Freundin des Vaters:

Wieso ich überhaupt noch wolle das mein Kind her kommt, sie wäre total traurig darüber dass sie nicht bei ihrem Vater sein darf und warum ich es ihr so schwer mache und sie wolle gar nicht mehr bei mir sein. Sie wäre unter Tränen hoch zu ihr und hätte gesagt sie soll mit runter weil sie nicht mehr mit möchte …

Könnt ihr mir sagen, was da passiert ??? Ich bin total fassungslos .
Lügt ein Kind bewusst ? Oder spielt ein Kind bewusst Eltern aus- was möchte sie erreichen? Oder ist der Einfluss von seitens ihm und seiner Freundin ?
Ist es die Angst von ihr, dass er sich, wenn sie sagt sie möchte bei mir sein, nicht mehr um sie kümmert ?

Habt jemand von euch schon mal so heftige Erfahrungen gemacht ?

Die Missstände sind so massiv - ich kann sie als sorgeberechtigte doch nicht dort lassen!
Wenn diese wirklich so sind, wie sie sie geschildert hat.

Er verweigert noch die Gespräche mit dem Jugendamt .

Ich weiß nicht weiter.
Stelle ich mich dazwischen, zerstöre ich ihr ihre kleine „Welt“ - falls er sich dann wirklich nicht mehr kümmert.

Würde mich sehr über zahlreiche Meinungen freuen!

Danke schon mal !

Hallo,

"Die Missstände sind so massiv - ich kann sie als sorgeberechtigte doch nicht dort lassen! "

Du hast es gut zusammen gefasst. Dann mach es auch!

Eine Absolution kann ich Dir hier nicht geben. Sorgeberechtigte bis Du.

Selber denke ich: Die Aufgaben, die mir das Leben stellt kommen immer in dem Moment, in dem ich in der Lage bin, sie zu meistern. Wenn ich die Augen verschließe, kommen die gleiche Aufgabe später eh wieder. Dann doch lieber gleich anpacken. Leicht gesagt. Tut aber gut, wenn man es auch macht.

Alles Gute,

Uwe

Nein, ein Kind lügt nicht in einer solchen Situation normalerweise nicht bewusst.
Es liebt Mutter und Vater und möchte es beiden recht machen. So kann es zu solchen scheinbar irrationalen Verhaltensweisen kommen.

Ähnliche Reaktionen gibt es durchaus häufig bei „Abholsituationen“ vom anderen Elternteil.
Eine Freundin von mir hatte das so gelöst, dass die Kinder dann nicht „abgeholt“, sondern „gebracht“ werden, weil sie dann nicht direkt aus der anderen Umgebung „herausgerissen“ werden.

Ich würde an Deiner Stelle das Gespräch mit dem Jugendamt suchen und um Rat bitten. Da er sich diesbezüglich verweigert, hast Du da schon mal bessere Karten.

Viel Erfolg
Beatrix

In genau diesem Kontext sehe ich die Ursachen für das Verhalten eurer Tochter. Ich schreibe bewusst „eurer“, denn genau hier liegt das Problem.

Das Kind erlebt, dass Mama und Papa nicht gut miteinander auskommen und hört - vermutlich auf beiden Seiten - auch immer wieder konkrete Negativaussagen über den jeweils anderen Elternteil. Diese müssen gar nicht direkt dem Kind gegenüber getätigt werden, da genügen ein paar aufgeschnappte Gesprächsfetzen eines Gesprächs unter Erwachsenen.

Die Welt einer 9-Jährigen bietet nicht allzu viele Möglichkeiten, wenn sie sich trotz aller widrigen Umstände die Liebe beider Elternteile wünscht. Sie kann auch nicht auf Anhieb differenzieren, ob Zuwendungen - seien sie nun materiell oder emotional - ein Ausdruck von Zuneigung oder ein Mittel zur Manipulation sind.

Die große Schwierigkeit, die sich nun auftut ist, dass sie mittlerweile wohl die Erfahrung gemacht hat, dass Mama und Papa es nicht wirklich gut aushalten können, dass sie auch den jeweils anderen lieb hat. Auch das muss man nicht explizit aussprechen. Kinder merken das an den Reaktionen auf ihre Erzählungen von den Kontakten mit dem anderen Elternteil.

Sie spüren, dass echte Freude beim Zuhörer fehlt, wenn sie von schönen Erlebnissen erzählen. Und natürlich nehmen sie auch wahr, dass es den Eltern anscheinend besser gefällt, wenn sie nicht ganz so positiv über den jeweils anderen Elternteil sprechen.

In genau dieser Zwickmühle scheint sich deine - eure - Tochter zu befinden. Es zerreißt sie zwischen euch. Sie versucht verzweifelt, jedem von euch zu versichern, dass sie ihn besonders liebt, vielleicht sogar mehr als den anderen. Dahinter steckt schlicht und ergreifend die Angst, eure Liebe zu verlieren, wenn es ihr nicht gelingt, jeden einzelnen von euch zu überzeugen, dass er ihr wichtiger ist als der andere. Erschwerend kommt hinzu, dass sie schon Beziehungsabbrüche - und damit Liebesentzug - erlebt und damit ein großes Stück Sicherheit und Vertrauen verloren hat.

Aus diesem mächtigen Konflikt entstehen die Geschichten, die sie erzählt.

Was tun? Ideal wäre, wenn es euch Erwachsenen gelänge, eurer Tochter im wahrsten Sinne des Wortes die Erlaubnis zu geben, den jeweils anderen Partner lieb zu haben. Das mag banal klingen, braucht aber einiges an Anstrengung von euch.

Ihr müsst ihr sagen, dass ihr versteht, wie schwer es für sie ist, euch nicht einfach beide immer haben zu können. Vor allem aber müsst ihr ihr sagen, dass sie sich nicht zwischen euch entscheiden muss, sondern dass es okay ist, dass sie euch beide lieb hat. Wenn euch das gemeinsam an einem Tisch gelingen würde, wäre das ideal, aber zur Not hilft auch schon, wenn nur du das tust.

In der Folge bedeutet das natürlich auch, dich von nun an zu freuen, wenn deine Tochter etwas Schönes vom Besuch bei ihrem Papa erzählt - egal, wie du das bewertest.

Was die Wohnsituation betrifft: Ich finde gut, dass deine Tochter die Möglichkeit hatte, bei ihrem Papa zu wohnen. Nun möchte sie zurück - und nun ist in meinen Augen auch der Moment gekommen, Nägel mit Köpfen zu machen und diesen Umzug für die nächsten Jahre gültig zu machen.

Euer Kind braucht Sicherheit. Dazu gehört auch ein Nest, in das sie nach dem Ausflug unter Papas Fittiche nun zurückkehren kann. Aus diesem Grund würde ich darüber auch nicht mehr diskutieren und weiteres Hin- und Herziehen vermeiden. Als Begründung müssen da auch nicht die Lebensumstände des anderen herhalten, es genügt zu sagen, dass ihr ja beides ausprobiert habt und sie jetzt eben wieder bei dir wohnt und das auch erst mal so bleibt.

Vielleicht gelingt es ja, dem Papa die schwierige Position eures Mädchens begreiflich zu machen. Wenn du ihm dazu noch klar signalisierst, dass du bereit bist, jeden Besuch bei ihm freudig für das Kind zu gestalten und dir wünscht, dass es ihm umgekehrt auch gelingt, damit es der Kleinen besser geht, findet sich vielleicht eine Lösung.

Jule

Das Gefühl habe ich ihr immer versucht zu vermitteln, und ich habe mich wirklich immer total mit ihr gefreut, wenn sie bei ihm sein durfte, erzählt hat, was sie oder was sie nicht gemacht haben, ich habe in keinsterweise gesagt, dass ich es schlecht finde , ob sie nun vor dem Fernseher gesessen hat, egal was- sie erzählt hat, ich habe sie aufgefangen. Ob Sie enttäuscht war, dass versprechen nicht eingehalten wurden, oder sie sich total gefreut hat dass ihre Cousine dort zu Besuch war.

Ich bin ja froh darum, wenn er den Kontakt aufrecht erhält.

Jedes Kind braucht seinen Vater.
Die Rückschläge die sie erleiden musste, haben sie deutlich geprägt und sie weiß, dass sie nicht um die Liebe (meinerseits ) kämpfen muss. Ich habe ihr oft gesagt, dass sie Dinge nicht schlecht reden muss, sie darf sich freuen, darf traurig sein, es findet kein „aushorchen“ nach den Treffen statt.
Ich frage sie wie es ihr geht, ob es ihr gefallen hat, der Umgang ist seine Sache, er darf frei entscheiden was er mit ihr unternimmt .

Aber um den gesundheitlichen Schäden, der ihr durchs rauchen, den kot der Hunde usw in den Räumlichkeiten zugesetzt wird, macht mir sorgen.
Solche Missstände erfindet man doch nicht einfach so? Oder ?

Ich habe heute mit dem Jugendamt telefoniert. Haben am 8.2. ein Gesprächstermin.

Es ist doch wichtig, gerade jetzt in der 4. klasse zu vermitteln, Kind, hier ist dein lebensmittelpunkt und dein Vater ist jeder Zeit da, wenn du ihn brauchst.
Nur gibt er ihr das Gefühl wenn sie hier her möchte, dass es für ihn nicht ok ist.

So was darf doch nicht sein ?

Ich verstehe alles, was du mir mitteilen möchtest.

Und so langsam offenbart sich mir einiges,
Es ist gut, antworten von euch zu bekommen!

Somit geht man gedankenwege auf die man von selbst nicht gekommen wäre.

Danke!

Wenn das Kind dauerhaft dort lebt, ist vor allem das Nikotin sicher nicht zuträglich. Darüber gibt es ja nun auch hinreichend Belege, die vielleicht beim Gespräch mit dem Jugendamt auch als Grundlage dienen mögen, das Rauchen in der Wohnung einzustellen, wenn das Kind zu Besuch kommt. Durchsetzen und kontrollieren kann das natürlich keiner, und ihr solltet vermeiden, das Kind als „Petze“ zu benutzen.

Den Rest würde ich nicht überbewerten. Sie ist kein Baby mehr und kann einiges an „Dreck“ gut vertragen. Zudem ist ja nicht sicher, inwieweit das tatsächlich so stimmt.

Nunja. Möglicherweise sagt ihr kindlicher Verstand, dass das Schildern von Negativbeispielen beim anderen ein gutes Gefühl bewirkt. Kinder schreiben sich hier oft mehr Verantwortung zu, als sie tatsächlich haben. Auf ihre kindliche Weise sorgt sie in ihrem Verständnis damit vielleicht dafür, dass du dich besser fühlst.

Ich würde vermuten, dass sie nicht alles erfindet, aber möglicherweise ein wenig dramatisiert. Meine Idee zum Umgang damit wäre, ihr zu sagen, dass das nicht so angenehm klingt, aber dass es dem Papa ja vielleicht gefällt, so leben und dass du das auch nicht verändern kannst.

Jule

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Hallo

Ich glaube, dass du in dem Wunsch, alles richtig zu machen, etwas übertrieben hast.

Dass du dich mit ihr gefreut hast, das ist natürlich gut, und auch dass sie dir alles erzählen kann. Aber trotzdem könntest du auch einfach mal verbieten, dass sie mal eben umzieht in eine Wohnung, die du anscheinend noch nie gesehen hast?

Und dass sie da trotz Flohstichen und trotzdem sie nach kalten Tabakrauch riecht da weiterhin wohnen bleiben darf?

Oder habe ich da was falsch verstanden?

Aber anscheinend glaubt sie doch, dass sie um die Liebe ihres Vaters kämpfen muss?
Ich denke, dass es auch wichtig wäre, ihr zu erklären, dass es nicht an ihr liegt, wenn der Vater mal Interesse an ihr hat und mal wieder nicht, und dass sie es auch nicht beeinflussen kann. -

Viele Grüße