Hi,
meine längsten Beziehungen währten drei Jahre, zwei an der Zahl. Alle anderen Beziehungen hatten eine Verweildauer zwischen 3 Wochen und 1,5 Jahren. Dass irgendwas bei mir „schief“ lief, war mir immer wieder kurzfristig klar (nicht nur wegen der kurzen Zeit), aber ebenso schnell wieder verdrängt.
Eines Tages ging mir dann ein Licht auf. Für mich gibt es drei wichtige Eckpfeiler einer Beziehung: gegenseitige Liebe, die Gesprächsbasis muss stimmen und die Sexualität.
Mir wurde bewusst, dass ich mich nie ganz auf einen Mann eingelassen hatte, sondern einen der drei Komponenten stets ausgeklammert hatte.
Das war der Tag, ab dem ich mich als beziehungsunfähig bezeichnet habe.
Aus meinem Freundeskreis hörte ich die gleichen Sprüche, die ich auch hier lese: Das redest du dir ein; das gibt es gar nicht, jeder kann sich auf eine Beziehung einlassen; etc…
Mir jedoch war klar, dass ich ein Problem mit Bindungen habe, wollte diesen Zustand allerdings für mich nicht so akzeptieren und setzte alles dran, ihn zu verändern.
Mir wurde bewusst:
-
Ich habe mich stets in Männer verliebt, die entweder vergeben waren oder welche, die meine Gefühle nie erwidern werden oder aber selbst ein Problem haben, sich auf eine Partnerschaft einzulassen.
-
(Entweder) ich habe mich in einer Beziehung nie richtig geöffnet. Meist war ich mit meinen Aussagen beim Gegenüber, von mir habe ich nur wenig preisgegeben.
-
(Oder) (1x passiert) ich habe mich geöffnet und mich selbst aufgegeben, meine Interessen, meine Freunde,… letztendlich mein Ich.
-
Sobald in einer Beziehung die Möglichkeit bestand, dass mehr Gefühle ins Spiel kommen oder dass es enger wurde, trat ich die Flucht an.
-
Es gelang mir stets, so viele Fehler an dem Partner zu finden, dass ich immer einen Grund hatte, emotionale Distanz aufzubauen.
-
Ich habe mitunter meinen Partner solange gequält, bis er sich trennte, um dann wieder um ihn zu kämpfen und ihn wieder zu erobern.
-
Ich lehnte stabile Partnerschaften (womöglich noch mit Kind oder gar verheiratet) kathegorisch ab.
-
Ich lebte mehr als häufig Partnerschaften mehr in meiner Phantasie als real, habe oftmals jahrelang unerwidert einem Mann meine Liebe geschenkt.
(Um nur einige meiner Macken zu nennen )
(Um nur einige Faktoren von „Beziehungsunfähigkeit“ zu nennen)
Was habe ich im Internet gesucht nach „Beziehungsunfähigkeit“, aber die Suche war absolut vergeblich!
Nach ca. 5 Jahren Beschäftigung mit diesem Thema bin ich dann auf den Begriff „Bindungsangst“ gestoßen und somit hatte das Kind endlich einen Namen!
In meinem Fall ist der Hintergrund Verlustangst (aufgrund einer eher unschönen Kindheit mit sehr vielen Beziehungsabbrüchen und fehlender Liebe seitens der Bezugspersonen) - und um das Gefühl eines potentiellen Verlustes präveniv zu vermeiden, habe ich eine Angst vor Bindungen, die intensiv werden könnten, aufgebaut.
Sicherlich liegt nicht bei jeder Person, die sich beziehungsunfähig nennt, eine Bindungsangst dahinter.
Wovon ich jedoch überzeugt bin, ist, dass der Prozentsatz an Menschen, die sich beziehungsunfähig nennen und damit nur eine gute Ausrede suchen, weil sie sich auf den Gegenüber nicht einlassen wollen, doch verschwindend gering ist.
Wohingegen die meisten Menschen doch unter ihrer „Beziehungsunfähigkeit“ leiden werden, denn sehnt sich nicht jeder nach Nähe, Lieben und geliebt werden, nach Sex, der nicht nur auf Geilheit basiert sondern auch auf Liebe, nach einem Partner an seiner Seite?
Nein, beziehungsunfähig sein bzw. Bindungsangst ist nichts schönes, mit dem man lapidar um sich schmeißt bzw. schmeißen sollte.
Daher sollte das Umfeld diese Selbstdiagnose akzeptieren und sensibel damit umgehen.
„Beziehungsunfähigkeit“ ist ein sehr unglücklicher Begriff, wie ich irgendwann einsah. Denn kein Mensch ist unfähig, eine Beziehung einzugehen, sei sie noch so oberflächig. Es ist die Qualität, die die Beziehung ausmacht. An der kann es jedoch mitunter so mangeln, dass man nicht mehr von einer „funktionierenden“ Beziehung oder gar von Liebe sprechen kann.
Allgemein würde ich behaupten, an was es bei „Beziehungsunfähigkeit“ mangelt, ist Vertrauen.
Bei mir ist es das Urvertrauen, das mir fehlt.
Bei den meisten Männern, die ich mit diesem Problem kennengelernt habe, ist es ein zerstörtes Vertrauen in die Liebe nach einer langjährigen Beziehung, die mit viel Leid in die Brüche ging.
Herzlichen Dank!
Gern geschehen!
jeanne