Hallo Sven Hutzler,
Neben den beiden hebräischen Bezeichnungen für Gott (die meistens in eigenständigen Abschnitten stehen) gibt es weitere Anzeichen; das wichtigste ist wohl, dass Noah im einen Abschnitt „zwei Tiere“ von jeder Tierart mitnehmen soll, „ein Männchen und ein Weibchen“ (Gen 6,19), im andern Abschnitt wird das aber etwas genauer gesagt: Noah solle von den „reinen“ Tierarten je sieben Paare, von den „unreinen“ je ein Paar mitnehmen (Gen 7,2; 8,20). Man mag darin eine Verfeinerung sehen, dennoch ist es gut möglich, dass hier eine andere Variante der Geschichte mit ins Boot geholt wird oder wenigstens eine Interpretation der Geschichte in streng jüdischem Sinn getroffen wird.
(Du weisst vermutlich schon, dass Juden reine und unreine Tiere unterscheiden, wie es Moses in den anschliessenden Büchern nach dem Buch Genesis vorschreibt. Reine Tiere sind solche, die man essen, berühren und von denen man ungehemmt sprechen darf, unreine sind solche, deren Namen man in religiösen Zusammenhängen nicht einmal erwähnen soll. „Rein“ sind z. B. das Rind und viele andere mehr, „unrein“ der Hase und viele andere mehr.)
Eine weitere Besonderheit ist, dass die Geschichte von genauen Zeitangaben (40 Tage, 150 Tage) spricht, aber dass nicht ganz klar ist, was diese bedeuten. Regnete es 40 Tage lang oder stieg das Wasser 150 Tage lang? Beides ist möglich, aber es fällt schon auf, dass mit so genauen Angaben davon gesprochen wird und ohne nähere Erklärungen. Es könnte sein, dass Varianten der Geschichte auch hier verwoben sind.
Es können also eine, zwei oder mehr Geschichten sein. Angenommen wird im allgemeinen:
- eine Verwandtschaft der Sintflutgeschichte mit dem Gilgamesch-Epos aus dem babylonischen Raum, also ist möglich, dass eine eigenständige Überschwemmungsgeschichte darin verwoben ist
- die Gegenwart der jüdischen Religion/jüdischer Riten, welche aber nicht allgegenwärtig sind (siehe oben die Stelle mit den „zwei“ bzw. „sieben“ Tierpaaren)
- die eigenständige Geschichte in Gen 9 (Sem, Ham und Jafet im Zelt)
- Mehr als ein Stil: Der Stil dieser Zelt-Geschichte kommt im übrigen Teil der Noahgeschichte bisweilen auch vor und wechselt sich mit dem übrigen Schreibstil ab; dem Stil der Zeltgeschichte wird der Gottesname Jahwe und werden genaue Zahlenangaben zugeordnet, dem übrigen der Gottesname Elohim und etwas allgemeinere Zahlenangaben; mehrere Teile der Bibel zeigen diese beiden Arten des Schreibens.
Das ist aber alles nur Theorie. Man hat seit dem 18. Jahrhundert in reformierten Kreisen immer wieder versucht, in der ganzen Bibel „Erzählstränge“ zu finden, also z. B. einen, der von Gott als „Jahwe“, einen andern, der von Gott als „Elohim“ redet und weitere mehr. Ganz auseinanderhalten kann man sie bis heute nicht; die Forschung ist auch von diesen Unterscheidungen wieder weggekommen. Das gilt auch für die Sintflutgeschichte: Obwohl es Indizien gibt, ist die Sache für die Wissenschaftler längst nicht geklärt.
Gruss,
Mike