Bibelkanon der orthodoxen Kirche

Grüß Gott,
der Bibelkanon der evangelischen Kirchen unterscheidet sich ja im Alten Testament von dem Kanon der kath. Kirche.
Wie ist das nun bei den orthodoxen Kirchen: Entspricht deren Kanon dem katholischen, dem evangelischen oder gibt es einen eigenen Kanon der orthodoxen Kirchen?
Ich vermutete bisher, das sich Katholiken und Orthodoxen den gleichen Kanon teilen, aber nun hatte ich eine russiche Bibel in der Hand, die dem evangelischen Kanon entspricht (Wir hatten das Buch Tobit gesucht und nicht gefunden…). Nun kann ich kein russisch und kann deshalb nicht genauer prüfen, ob es eine russische Ausgabe der evangelischen Bibel ist oder von der russisch-orthodoxen Kirche herausgegeben wurde.

Für Hilfestellungen danke ich bereits im voraus
liebe Grüße
Manfred

Lieber Manfred,

grundsätzlich gilt in allen christlichen Kirchen der gleiche biblische Kanon. Unterschiede gibt es in der Bennenung einzelner Bücher (z.B. evang. Hesekiel, kath. Ezechiel bzw. Hiob oder Job). Das hängt mit der Übersetzungstradition in den Kirchen zusammen; alle Texte sind ja ursprünglich (alt-)hebräisch (Altes Testament) oder (alt-)griechisch (Neues Testament) geschrieben. Diese Texte haben die Reformatoren übersetzt und danach die Namen der Bücher gebildet. Die Katholiken lesen die Bibel dagegen als Übersetzung aus dem Lateinischen (Hieronymus).
Neben den unterschiedlichen Namen gibt es auch unterschiedliche Anordnungen der Bücher. Martin Luther hat z.B. im Neuen Testament den Brief des Jakobus ziemlich weit nach hinten in seiner Bibel gerückt, weil er ihn in Teilen als unevangelisch empfand. Andere orientieren sich an jüdischen Textsammlungen (Altes Testament) bzw. frühkirchliche Zusammenstellungen.
In beiden Testamenten unterscheidet man außerdem zwischen dem Grundkanon und sog. Spätschriften (Apokryphen), - nach Luther „der Bibel nicht gleichzustellen, aber gut zu lesen“ -  wobei die alttestamentlichen Spätschriften (z.B. Weisheit, Tobit, Jesus Sirach) sehr viel häufiger in Bibeln mit abgedruckt sind als die neutestamentlichen (Brief des Hermas, Didache, Hebräerevangelium).
Seit Beginn der historisch-kritischen Bibelforschung (Ende des 19. Jh.) hat das neue Wissen über den Zeitpunkt der Entstehung einer Schrift bzw. über die geschichtliche Zuverlässigkeit ihres Inhalts neue Fragen aufgeworfen und manche Schriften mehr in den Blickpunkt gerückt, andere dagegen in den Hintergrund. Auch das Verhältnis von Altem zum Neuen Testament wird in der Gegenwart anders beurteilt als früher, weil die Christen allmählich lernen, ihren jahrhundertealten Antijudaismus (Antisemitismus) zu überwinden.
In allen christlichen Kirchen gibt es seitdem eine mehr oder weniger große Spannung zwischen der traditionellen Lesart der Bibel und neuen Sichtweisen. Das drückt sich auch in einer neuen Vielzahl von Bibelausgaben mit unterschiedlicher Übersetzung und Zählweise der Bücher aus.

Mit freundlichem Gruß

Klaus  http://klaus-von-mering.blogspot.com/

Hallo,

der Bibelkanon der evangelischen Kirchen unterscheidet sich ja im Alten Testament von dem Kanon der kath. Kirche.

So ist es.

Wie ist das nun bei den orthodoxen Kirchen: Entspricht deren Kanon dem katholischen, dem evangelischen oder gibt es einen eigenen Kanon der orthodoxen Kirchen?

Es gibt einen eigenen Kanon der orthodoxen (byzantinischen) Kirchen. Er unterscheidet sich vom römisch-katholischen aber in nur ganz wenigen Schriften, mithin weniger als vom evangelischen. Das bezieht sich natürlich nur auf das AT. Bzg. NT gibt es seit dem 4. Jhdt. keine Differenzen mehr.

Eine übersichtliche Auflistung, auch im Vergleich zu Tanach und LXX, findest du → hier.

Unterschiede gibt es zwischen den Dreien noch in der Einschätzung der Bedeutung der Apokryphen.

Gruß
Metapher

Hallo

grundsätzlich gilt in allen christlichen Kirchen der gleiche biblische Kanon.

Du meinst sicher „der gleiche“ - bis auf die nicht unerheblichen Unterschiede? :wink:
(siehe oben)

Gefragt war ja nach dem jeweiligen → Kanon. Im Unterschied dazu sind natürlich in den akademischen Theologien der genannten Konfessionen alle atl. Schriften gleichermaßen von Interesse. Ebenso wie auch die atl. Apokryphen (die btw. keineswegs alle „Spätschriften“ sind).

Schönen Gruß
Metapher

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Hallo Klaus,

grundsätzlich gilt in allen christlichen Kirchen der gleiche
biblische Kanon.

es kommt darauf an, was du unter grundsätzlich verstehst.

Unterschiede gibt es in der Benennung einzelner Bücher

Das ist natürlich nicht grundsätzlich unterschiedlich.
Aber das Buch „Jesus Sirach“ wurde von den „Protestanten“ aus dem B-Kanon gestrichen
obwohl Hinweise darauf schon im NT zu ersehen sind.
Auch bei den Juden wird es nicht zu den hl.Schriften gerechnet.
Trotzdem könnte man noch sagen (fast) „grundsätzlich“, aber eben nicht übereinstimmend.
Deine weiteren Ausführungen hierzu - ob richtig oder ungenau - berühren aber die
Fragestellung kaum.

Gruß Viktor

Danke für den Link mit der Übersicht. Hätte ich eigentlich auch selbst finden müssen, aber manchmal ist man halt blind…
Nun weiß ich also, dass die mir vorliegende Bibel den evangelischen Kanon in russischer Sprache wiedergibt: wir haben weder Tobit noch Jesus Sirach gefunden, die - wie ich nun gelernt habe - Bestandteil des orthodoxen Kanon sind.
Danke nochmal
Gruß Manfred Heitz

Lieber Klaus,
danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, so ausführlich zu schreiben. Meine Frage war zwar damit nicht beantwortet, aber die Mühe ist ehrenwert. Leider kann ich als kath. Theologe nicht alles so stehen lassen.

grundsätzlich gilt in allen christlichen Kirchen der gleiche
biblische Kanon.

Dies ist leider nicht richtig. Ich muss bei einer Lutherbibel schon aufpassen, ob die „Apokryphen“ mit drin sind, um halbwegs den gleichen Inhalt zu haben wie in der kath. Bibelausgabe. Die Elberfelder Übersetzung hat die Texte garnicht mit aufgenommen.
Die Unterschiede kommen daher, dass die Kirche den Kanon des Alten Testaments vor den Juden verbindlich festgelegt hat und alttestamentarische Texte mit aufgenommen hat, die nicht auf herbäisch, sondern auf griechisch vorlagen. Es handelt sich dabei um Texte, die zur Zeit Jesu im Judentum auch gelsen wurden, auf manche Stellen bezieht sich ja auch das NT.
Martin Luther hat sich bei seiner Übersetzung ins Deutsche auf den jüdischen Kanon bezogen. Die „fehlenden“ Texte werden heutzutage oft (aber eben nicht immer) als so genannte Apokryphen dem AT angehängt.

Unterschiede gibt es in der Bennenung
einzelner Bücher (z.B. evang. Hesekiel, kath. Ezechiel bzw.
Hiob oder Job). Das hängt mit der Übersetzungstradition in den
Kirchen zusammen; alle Texte sind ja ursprünglich
(alt-)hebräisch (Altes Testament) oder (alt-)griechisch (Neues
Testament) geschrieben. Diese Texte haben die Reformatoren
übersetzt und danach die Namen der Bücher gebildet.

Stimmt

Die Katholiken lesen die Bibel dagegen als Übersetzung aus dem Lateinischen (Hieronymus).

Stimmt nicht wirklich. Selbstverständlich übersetzt die kath. Kirche auch direkt aus den „Urtexten“. Bei unterschiedlichen Lesarten wird die lat. Übersetzung mit befragt.

Nichts für ungut.
mit freundlichen Grüßen
Manfred

Hier steht das wichtigste in Übersicht:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bibelkanon

Allerdings sind hier Besonderheiten einzelner Orthodoxer und Altorientalischer Kirchen nicht berücksichtigt. Manchmal ist nur die Anordung der Bücher verschieden. Insagesamt sollte man die Frage nicht überbewerten, weil es bei den Unterschieden im Kanon nicht um Unterschiede in den Glaubensfragen geht - da sind die Schrift, um die es geht nicht zentral. Es hängt vielmehr mit der Frage zusammen, wie mit den auf Griechisch überlieferten Schriften des AT umzugehen ist (oder den Schriften, die Zur Zeit Luthers nur aus Griechisch vorlagen). Aber wie gesagt: Das betrifft keine besonderen Abweichungen in Glaubensfragen.

Hallo ManfredEinen Teil deiner Frage kann ich dir beantworten. Du sagtest, das sich der Kanon der Katholischen und der Evangelischen Kirche unterscheidet. Das hat einen recht einfachen Grund. Bei der Katholischen Kirche wurden noch sogenannte Apokryphen mit in die Bibel aufgenommen. Das war allerdings erst 1546. Ursprünglich hatte der Kanon nur 66 Bücher. In der Evangelischen Bibel findest du daher nur diese 66 Bücher. Was die Apokryphen angeht, da sei bitte ein wenig vorsichtig, da sie nicht zu den Inspirierten Schriften zählen. Wenn du 2 Timotheus 3:16 liest, dann ist mit diesem Text nur der Ursprüngliche Kanon, ohne die Apokryphen gemeint. Inwieweit die Verschiedenen Orthodoxen Kirchen auch über Apokryphen in ihren Bibeln verfügen, das weiß ich leider nicht. Übrigens, das von dir Erwähnte Buch gehört zu diesen Apokryphen. Vorsche einfach mal nach, was dieser Begriff bedeutet, und inwieweit man den Apokryphen wirklich vertrauen kann.Viele Grüße

Hans

Ausblendung der eigenen Hilfsbedürftigkeit…
Hallo,

Grüß Gott,

Grüß dich Mensch!

der Bibelkanon der evangelischen Kirchen unterscheidet sich ja
im Alten Testament von dem Kanon der kath. Kirche.
Wie ist das nun bei den orthodoxen Kirchen: Entspricht deren
Kanon dem katholischen, dem evangelischen oder gibt es einen
eigenen Kanon der orthodoxen Kirchen?

Sitze ich auf einem oder auf beiden Ohren? WAS??? Macht es UNTERSCHIED oder GLEICHHEIT? Bin ich Christ oder WAS??? Lieber ganzer Mensch, statt Christ, ist viel BESSER!!!

Ich vermutete bisher, das sich Katholiken und Orthodoxen den
gleichen Kanon teilen,

Na ja, SIEHSTE!!!

aber nun hatte ich eine russiche Bibel
in der Hand,

Das als Christ?!

die dem evangelischen Kanon entspricht (Wir
hatten das Buch Tobit gesucht und nicht gefunden…). Nun kann
ich kein russisch und kann deshalb nicht genauer prüfen, ob es
eine russische Ausgabe der evangelischen Bibel ist oder von
der russisch-orthodoxen Kirche herausgegeben wurde.

Wie schon oben festgestellt, liegt die Erkenntnis nicht in den „heiligen Schriften“ der Religionen und auch nicht in den „heiligen Schriften“ von Superman, Goofy und Micky Mouse etc., sondern, ob man nur auf einem oder beiden Ohren sitzt sein Leben lang, VERSTEHST?!

Für Hilfestellungen danke ich bereits im voraus

Es gibt unendlich viele „Hilfestellungen“, wobei alle Religionen letztlich ein fach nur ein einheitliches Bedürfnis unaufgeklärter Kinder wie unaufgeklärter Erwachsener befriedigen. Die effektivste „Hilfestellung“ liegt nicht darin, den gleichen „Kanon“ der unterschiedlichsten Religionen mitzusingen, sondern die Selbsterkenntnis, dass alle religiösen „Hilfestellungen“ letztlich nur eine Ausblendung der eigenen Hilfsbedürftigkeit sind…

Ich begrüße dich, PROLET!

Ausblendung
Es ist immer wieder erstaunlich, was für Gestalten aus den dunklen Windungen der vormals nicht-öffentlichen „Expertensuche“ ans Licht des öffentlichen Forums krauchen!

Sitze ich auf einem oder auf beiden Ohren?

Sicher. Und nicht nur dort! Du hast nicht den geringsten Schimmer eines Hauchs von Ahnung, worum es im UP geht! Aber irgendetwas, das nichtmal als „Meinung“ durchgeht, muß trotzdem unbedingt ins Brett gerotzt werden:

aber nun hatte ich eine russiche Bibel in der Hand,

Das als Christ?!

Das ist fast das Intelligenzniveau der w-w-w-internen Suchmaschine.

nur eine Ausblendung der eigenen Hilfsbedürftigkeit …

Gut für dich, daß du sie nicht ausblendest.

PS: @Mod: Kann gerne mitsamt dem Vorgängerartikel gelöscht werden.

3 Like

Hallo!

… Macht es UNTERSCHIED oder GLEICHHEIT? Bin ich Christ oder WAS??? Lieber
ganzer Mensch, statt Christ, ist viel BESSER!!!

In diesem Brett geht es um Religions wissenschaft. Was darunter zu verstehen ist und insbesondere, worum es dabei nicht geht, erkennst du nach Lektüre des einschlägigen Wiki-Beitrags http://de.wikipedia.org/wiki/Religionswissenschaft.

Wertungen der von dir gebrachten Art gehören jedenfalls nicht ins Fachgebiet.

Btw: Um Geschichte und Gegenwart zu verstehen, kann es auch für Atheisten oder Agnostiker hilfreich sein, sich für Religionswissenschaft zu interessieren. So finde ich es spannend und erhellend, den Wertekanon verschiedener Kulturkreise zu vergleichen. Solche Betrachtungen können unmittelbaren Bezug zum beruflichen Alltag haben, etwa wenn man täglich mit Menschen aus verschiedenen Kulturen eng zusammenarbeitet, Aussagen einordnen und Verträge schließen muss. Diesen praktischen Aspekt der Kulturwissenschaften erwähne ich, um zu verdeutlichen, dass es eben nicht um Theologie oder persönliches Glaubensbekenntnis geht.

Gruß
Wolfgang

Begrifflichkeit in meinem Kulturverständnis benötigt keinen religiösen „Kanon“ zum Mitsingen. Genau das ist der UNTERSCHIED, der den Unterschied macht, und zwar mit oder ohne „Wissenschaft“. Ich muss diese „wissenschaftliche“ Disziplin nicht bedienen, wenn ich auf einer kritischen Metaebene diese Art von wahnhaften Zwangsvorstellungen kritisiere.