Bier bestellen in Deutschland

Hallo liebe Bier-Experten!

Ich wollte meine portugiesische Freundin in die deutschen Gepflogenheiten des Bier-bestellens einweisen und musste leider feststellen, dass ich dabei bald an meine Grenzen stoße, weil ich eigentlich nur mit der südlichen Bierkultur vertraut bin (sie wohnt jetzt in Sachsen)… Habe jetzt gegoogelt ob’s nicht irgendwo eine Liste gibt, wie man in verschiedenen Bundesländern am besten ein „normales“ Bier bestellt, bin aber leider nicht fündig geworden…

Aus Bayern kenne ich es, dass man in Kneipen (ohne auf die Karte zu schaun) ein Helles oder eine Halbe bestellt. In Ba-Wü wurde ich allerdings beim Bestellen von einem Hellen schonmal dumm angeschaut: hier sagt man am besten Export oder Halbe.

Aus diesem Thread Bier-Frage habe ich jetzt schon gelernt, dass es sich in den meisten nördlicheren Bundesländern beim „normalen“ Bier um ein Pils handelt. Heißt das, man bestellt dort in der Regel einfach „ein Pils“ (oder „ein Köllsch“ etc.)? Kann man auch eine Halbe bestellen oder ist das was Südliches? Und sind helle (oder Export-) Biere dort dann nur nach einem Blick auf die Karte zu haben?

Hoffe, es gibt hier ein paar Bier-Experten oder Bewohner nördlicher (also nicht-südlicher halt ;)) Bundesländer, die mir helfen können.

Vielen Dank schonmal!

Herzliche Grüße,
Rayma

Servus,

wenn Du erlaubst, dass man auch vom 50. Breitengrad aus antwortet:

  • Keine, auch nicht die Bierkultur, hängt von Bundesländern ab. Die Bundesländer sind Verwaltungseinheiten, nicht wenige davon nicht älter als etwa sechzig Jahre; die Bierkultur in ihrer heutigen Form stammt aus dem 19. Jahrhundert.

„Ein Bier“ - ohne „normal“ - ist im Süden tendenziell eine Halbe (= Export, Lager, Helles), gegendweise auch ein Kleines (0,3 l). Ungefähr ab dem 51. Breitengrad nördlich ist „ein Bier“ ein Pils zu 0,3 oder 0,4 Liter. Den Halben (maskulin!) gibt es dort auch, er hat 0,4 oder selten 0,5 Liter, ist in der Regel Pils (es gibt Ausnahmen) und immer im Seidel.

Eine Halbe zu bestellen sollte man außerhalb Schwabens, Bayerns und Frankens unterlassen - sie wird bereits in der Kurpfalz und im Badischen nicht unbedingt verstanden, und es kann im Extremfall sein, dass der Kneipier glaubt, man wolle ihn auf den Arm nehmen - wie es dem in Braunschweig gegangen ist, bei dem ich in der Naivität meiner zwanzig Jahre einen Sauren Sprudel geordert habe.

Ein Pils zu in Auftrag zu geben ist in der Pilsbierebene in der Mitte und im Norden normal und so eindeutig wie im Süden. Trinkbares Exportbier gibt es gegendweise noch zwischen 51. und 52. Breitengrad, vereinzelt auch nördlich davon, aber vor dem dortigen Weizen sollte man sich hüten!

Ob Kölsch als Bier bezeichnet werden darf, ist umstritten. Auch dieses sollte eindeutig bestellt werden, ungefähr so:

„Ein Bier.” „Wir haben nur Kölsch.” „Gut‚ nehm’ ich. Macht wieviel?” „2 Euro, bitte.” „Hier.“ „Knöpfe?” „Kein richtiges Bier, kein richtiges Geld!”

Die Karte braucht man sich bei solchen Sachen nicht anschauen, man kann leicht fragen: „Haste Export?“ und bekommt dann zur Antwort „Ja, aber nur Flaschen“ oder „Nee, dat brook wi nech“.

Schöne Grüße

MM

Hi,

Klar, aber die erste Frage des Wirtes wird sein: „Welches? Wir haben (und dann zählt er auf was er auf den Zapfhähnen hat)“. Am besten man sagt „Ein Pils bitte, welche haben Sie?“. Ausser man geht in Hamburg in den Silbersack und bestellt ein Bier - da bekommt man was alle bekommen: ein Astra in der Flasche.

Zu den Größen: ein „kleines“ ist üblicherweise ein 0,2l, ein „normales“ ein 0,3l und ein „großes“ ist ein 0,4 oder 0,5. Aber auch hier wird man gefragt.

Da lobe ich mir doch Düsseldorf. Rein in die Kneipe, mit einem freundlichem Lächeln den Zeigefinger in die Höhe, langsam bis 5 zählen und ein 0,2 Alt steht vor einem. Ab dann braucht man nichts mehr zu sagen bis der Bierdeckel auf dem Glas dem Kellner signalisiert dass man zahlen will.

Gruss
K

Hey MM,

bin begeistert :smile: !! Vielen Dank für die superschnelle und hilfreiche Antwort! 50. Breitengrad geht graade noch so durch… :wink: Bzw. es waren eig auch alle mit Biererfahrung im Norden gefragt. Warst du nicht zufällig sowieso der/die gleiche, der auch auf den anderen Bier-Thread geantwortet hat? Wenn das nicht anonym gewesen wär, hät ich dich direkt nochmal angeschrieben, weil ich die Antwort so gut fand ;). Mit den Bundesländern hast du natürlich recht, hätte vielleicht eher Regionen schreiben sollen. Und inwieweit sich Köllsch von Bier unterscheidet kann ich zu meiner Schande nicht beurteilen, müsst ich erst noch testen :relaxed:.
Von dem männlichen Halben hat ich tatsächlich auch noch nie gehört, werd ich das nächste Mal im Norden gleich ausprobieren ;).

Also besten Dank nochmal!
Grüßle, Rayma

Ohhhh, wir waren am Wochenende in Köln. Sowas darf man da nicht sagen. Unser Brauhausführer ließ sich da auf keine Diskussionen ein. Kölsch ist genauso ein obergäriges Bier wie Pils. Da ich mich eher im Bereich Sekt auskenne, konnte ich das nur zur Kenntnis nehmen. Woher kommt eigentlich der Spruch, dass Kölsch kein „richtiges“ Bier sei?

Neugierig

Gesine

Noja - es riecht nicht wie Bier, es schmeckt nicht wie Bier, es sieht nicht aus wie Bier: Da wäre es doch ziemlich überraschend, wenn es sich um Bier handelte. Und dann wird es noch in kuriosen Kindergläslein ausgeschenkt, in die man sonst vielleicht Waldmeisterbrause oder sowas reintut, aber jedenfalls kein Bier.

Es sei allerdings zugegeben: Mit viel Worten unterstrichene Abneigung gegen Kölsch hat (im größeren Rahmen) wohl eher damit zu tun, dass in der Gegend allerlei Nord-Südliches mitsamt allen Animositäten aufeinandertrifft: Köln ist eigentlich eine rheinabwärts verirrte süddeutsche Stadt - das hat kurz vor der westfälischen Pilsebene keinen leichten Stand. Und im Kleineren sind das die üblichen Foppereien unter Nachbarn - Düsseldorf sozusagen ein vorgeschobener Posten des Altbierlandes (neinnein, das Herz liegt linksrheinisch, in Korschenbroich). Ob man Alt als Bier durchgehen lassen kann, wäre ja noch eine separate Frage…

Schöne Grüße

MM

Als bekennender Sektliebhaber kann ich da natürlich nicht mitreden. Aber die drei Glas, die ich mittrinken musste, sind mir genauso quer runtergegangen, wie „echtes“ Bier.
Du hast natürlich Recht, die Animositäten gegen Düsseldorf waren allgegenwärtig.
Bei uns in der Gegend gibts nur eine Sorte, Herforder. Die sind hier echt der Platzhirsch. Die Einzigen, die noch mithalten können, sind Barre. Obwohl ja auch viele Bierliebhaber behaupten, man könne es schmecken, dass Herforder jetzt zu Warsteiner gehört.

Gesine

Servus,

die Kölner sind das aber nicht, die die alten Frotzeleien immer wieder neu aufbügeln - das sind die Düsseldorfer, die haben ja sonst kein Vergnügen.

Zurück zu den Bieren: Der grundsätzliche Unterschied liegt hier zwischen obergäriger und untergäriger Brauweise. Obergärige Biere wie Weizen, Kölsch, Alt schmecken eher frisch und oft irgendwie unfertig, grasig und unausgewogen und haben leicht einen belanglosen Abgang. Wenn man das mit der Verwendung Darrmalz ausgleichen möchte, kommt dabei Alt, Porter oder Stout heraus.

Die „Fernsehbiere“ Herforder und Warsteiner nehmen sich nicht so viel, finde ich: Die schönen Pilsbiere Westfalens kommen normalerweise aus viel kleineren Brauereien und in einigen Fällen nicht über das Land und kaum über ihren Ort hinaus.

Schöne Grüße

MM