Bierne im gehiern?

hallo ihr sprachgewaltigen,

bei einigen leuten ist mir aufgefallen, daß diese das i zum ie werden lassen.
aus birne wird bierne, aus gehirn gehiern usw.
auch beobachtete ich, daß vielfach eine lautverschiebeung von ir zu ia stattfindet.
vor den berliner 7.00 uhr nachrichten im fernsehen läuft eine kinderfernsehserie in deren abspann irgendwelche kinder singen, sie wären die stars von „muogen“. auch ist von „kiaschen“ die rede.
weiß jemand, aus welchem dialekt das ungefähr stammen könnte?
oder handelt es sich um allgemeine sprachschluderei?

strubbel

Hi strubbel,

die Bierne kommt eindeutig aus Gelsenkierchen; muoagen und kiaschen klingt auch nach Parkstadion: „Kalle, gib mich ma die Kiasche rübba!“

Gruß Ralf

ähm
hallo ralf,

eine freundin mit dieser aussprache kommt aber aus fulda, watt nu?

strubbel

eine freundin mit dieser aussprache kommt aber aus fulda, watt
nu?

nu fragst Du sie nach ihrem Umgang. Wirst ja sehen, ob sie Dich dann noch grüßt! Übrigens: Aus dem Weserbergland kenne ich die „Büane“.

Gruß Ralf

Nu mal ernsthaft!
hallo strubbel,

Meiner Beobachtung nach lautet die Aussprache eher:
Bia:ne, Hia:n, a:ba auch A:beita Va:ta

a: = langes a; a = kurzes a

Diese Aussprache des „R“ liegt wohl daran, dass das „R“ schon immer ein zur Aspiration und Vokalisation neigender Konsonant war, weshalb das „Ρ“ (Rho) im Griechischen am Wort- oder Silbenanfang in anderen Sprachen stets „rh“ transskribiert wurde: Rhetor, Rheuma etc. .

Daher wohl auch die englische Aussprache des „R“: a: (aaaar).

In den süddeutschen Dialekten wird ein „R“ nach einem Vokal auch nach „a“ hin modifiziert,
Äa:biara = Erdbirne. Herrgott, schmeiß Hia: (Hirn) ra:!

Dass das „R“ nach Vokalen vokalisiert ausgesprochen wird, scheint - wenigstens in den germanischen Sprachen - also nichts Besonderes zu sein.

Ähnliches gilt auch vom „L“, weshalb denn im Bairisch-Österreichischen das Wort „Geld“ wie "Gö:d, oder „Göü:d“ klingt. Auch im Polnische klingt das „L“ vokalisch, weshalb denn der Name Lech Walensas den deutschen Reportern so wunderlich von der Zunge ging.

Dieses Phänomen ist also wohl ein Allgemeinsprachliches bei uns.

Dass das Schluss „-er“ inzwischen zu einem kurzen „a“ mutierte, habe ich zuerst bei Hamburgern bemerkt; eine Bekannte erklärte:

A:ba mein Va:ta wa: schon imma Hambuaga Hafna:beita. Das liegt schon zwanzig Jahre zurück.

Dann bemerkte ich diese Aussprache bei noch mehr Norddeutschen - unter Norddeutschland verstehe ich hier: nördlich der Bernrather Linie, der Grenze zwischen oberdeutschen und niederdeutschen Dialekten - , auch bei Berlinern.

Wir haben ja im Deutschen drei Arten das „R“ zu sprechen:

  • das vorne gerollte „R“, das ältere Schauspieler noch drauf haben oder hatten, manche Dialekt - das Fränkische etwa teilweise, auch im Norden gibt es diese Aussprache in manchen Gegenden - , diese Aussprrrrache ist durrrrch einen grrrrroßen deutschen Führrrrrerrrr in Misskredit geraten und aus der Hochsprachen fast verschwunden;

  • das hinten unten am Gaumensegel gerollte „R“, das Uli Wickert so gut kann, das manchen Leuten Schwierigkeiten bereitet, ich z. B. muss reichlich Flüssigkeit im Mund haben, wie beim Gurgeln etwa, ehe ich es richtig kann;

  • und das hinten gesprochene, nicht gerollte „R“, das dann fast schon wie ein dumpfes „a“ klingt.

Seit bestimmt fünfzig Jahren kann man in der Hochsprache die Tendenz zu diesem dritten, ungerollten „R“ beobachten. Ich sehe und höre das beim Vergleich der Heimatfilme der 50er, den „Zur Sache Schätzchen“-Filmen der 70er und der heutigen Situation.

Sicher spielt dabei die Erfahrung des dritten Reiches eine Rolle, in dem sehr viele „Größen“ die gerollte Aussprache, dem Meister folgend, verwendeten. Man wollte und will eben nicht so reden wie diese.

Aber auch eine gewisse Tendenz zum „gezierten, softiemäßigen (um drastischere Kennzeichnungen zu vermeiden)“ Reden, die sich auch in der Vermeidung des offenen, klaren ÄÄÄÄÄÄÄÄÄ zeigt - wer sagt denn heute noch Määädchen oder Käääse? Überall höre ich „Meeeeedchen und Keeeeese“ - könnte bei dieser Entwicklung der Phonetik mitwirken.

Also eine Marotte mehr!

Soviel aus meiner Warte.

Fritz

Hallo !

In Ostfriesland wird das „i“ langgezogen

Grüße Max.

Dass das Schluss „-er“ inzwischen zu einem kurzen „a“
mutierte, habe ich zuerst bei Hamburgern bemerkt; eine
Bekannte erklärte:

A:ba mein Va:ta wa: schon imma Hambuaga Hafna:beita. Das liegt
schon zwanzig Jahre zurück.

Hallo !
Na, da kam die Gute aber wohl aus Berlin. Hamburger sprechen ähnlich den Meeklenburgern.

Grüße Max.

Hallo,
ich kenne diese Aussprache aus dem südwestlichen Niedersachsen (so die Gegend Osnabrück). Dort sagt man Bierne, Kiersche, Gehiern und sogar Geschierr. Hinweise, daß dies wegen des doppel-R doch reichlich unlogisch sei, verhallten ungehört :wink:
Auch sagt man dort zB aufwaschen statt abwaschen, wie ich es von hier (Schleswig-Holstein) kenne, oder Schlef statt Suppenkelle.
Jede Gegend hat halt ihre Eigenarten. Und wer in die Fremde zieht denkt sich wahrscheinlich immer „können die noch nicht mal richtig sprechen hier…“
Andersrum kennen südliche Besucher norddeutsche Begriffe wie Feudel, plietsch, spaken oder auf den Swutsch gehen nicht.
Ist mir in den USA auch aufgefallen. Sprechen zwar alle Englisch, aber überall anders, nicht nur was die Aussprache angeht.
Zumindest das lange i ist also keine Sprachschlamperei.
Schönen Abend noch
Nils