Servus,
wie bereits gezeigt, ist Francisco José de Goya y Lucientes wahrscheinlich der Maler des „Wahnsinns“ schlechthin. Was man zu dem Thema bei Goya unbedingt im Original anschauen sollte (allein schon das ist eine Fahrt nach Madrid und einen Besuch im Prado wert), sind die Folgen von Radierungen ‚Caprichios‘ und ‚Desastres de la Guerra‘, vor allem aber auch die ‚Pinturas Negras‘ - wie kaum ein anderer dokumentiert hier Goya seine eigene Person, die von einem absurd dekadenten feudalen Staatswesen und einem machtbesessenen, geisteskrank verzerrten Katholizismus wahnsinnig gemacht worden ist.
Dazu zu lesen der Roman ‚Goya‘ von Lion Feuchtwanger und anzuschauen dessen großartige Verfilmung von Konrad Wolf 1971 ‚Goya – oder der arge Weg der Erkenntnis‘, nicht zu verwechseln mit der schwülstigen, sensationslüsternen West-Version des Themas.
Eine Sammlung von vielen im Sinn des zwanzigsten Jahrhunderts wahnsinnigen Künstlern hat der Psychiater Hans Prinzhorn angelegt, kleine Teile davon sind heute in Heidelberg im gewesenen Hörsaal der alten Medizinischen Klinik zu sehen - wenn man den heute leider kaum vermeidlichen ‚museumspädagogischen‘ Scheißdreck zielbewusst mit Scheuklappen durchschreitet, sind die gezeigten Teile der Sammlung durchaus wertvoll.
Immer wieder sind auf Ausstellungen Teile des Werks von Gustav Mesmer, des ‚Ikarus vom Lautertal‘, zu sehen. Auch diese seien Dir warm ans Herz gelegt.
Mit etwas Glück findest Du Werke von Erich Müller, bis zu seinem Suizid ca. 1980 (ich weiß es nicht mehr genau) als unheilbar im PLK Schussenried interniert, mein Vater hat als Arzt mit dem zuständigen Sozialamt erbitterte Sträuße darum ausgefochten, dass Erich Müller seine Werke verkaufen durfte, um wenigstens das Material, das er für sein Schaffen brauchte, bezahlen zu können. Die Bilder von Erich Müller zeigen in einer magischen Mischung aus Neo-Expressionismus mit impressionistischen Farb- und Lichtnuancen die unerhörte Qual eines Malers, der ein Werk schafft und es nicht vollenden darf - von jedem einzelnen dieser gezwungenermaßen unvollendeten und dadurch in einer gewaltsamen Spannung stehenden Bilder geht eine ganz besondere Ausstahlung aus. ‚Alles Gelungene ist eine Form von Gewalt‘ - HRK.
„Offiziell“ anerkannte künstlerische Werke von Wahnsinnigen sind außer den bereits genannten auch u.a. das von Jackson Pollock, bedingt auch von Jean Tinguely und natürlich Niki de Saint Phalle. Obwohl es mit Eisenbahn und Fahrrad eine mordsmäßige Aktion war, werde ich den Besuch des ‚Zyklopen‘ bei Milly-la-Forêt, den die beiden zusammen unter Mitwirkung von vielen anderen geschaffen haben, als eine wichtige Station in Erinnerung behalten: Man kann dort innen durch den Kopf eines Wahnsinnigen gehen und betrachten, was dort vorgeht. Auch das ist ein Werk, das man nur im Original richtig sehen und erleben kann.
Schöne Grüße
MM