Bildungsreform, keinen Phrasen-Rundumschlag
hallo Matthias,
finde auch: die dort veröffentlichen Missstände sind ganz ernst! erst sein wenigen monaten gibt es einen deutlichen umschwung in der deutschen bildungspolitik und es wird endlich wieder diskutiert. deshalb hier gern auch mein senf zu deinen vorschlägen. kernthese: hier mischt sich vernünftiges mit unsinnigem.
Meiner Meinung müssten erstmal an folgenden Punkten die
Reformen ansetzen:
- Vereinheitlichung der Lehrerausbildung in Deutschland
(„offene Grenzen“)
- Anpassung aller Lehrpläne in allen Bundesländern
wären eine hilfe, der kern des problems liegt aber woanders.
- weniger Bürokratie,
sagt sich immer leicht, sagt fast nie wirklich etwas.
mehr Eigenständigkeit und
Handlungskompetenzen der Gemeinden bei der Einstellung der
Lehrer und nicht „Zuweisung von den Schulämtern“.
nach meiner erfahrung sind die gemeinden nicht viel kompetenter. kommt aber immer auf die gesamteinbettung dann der jeweiligen organisation an. letztlich geht auch dies am problem vorbei.
- Verkleinerung der Klassen (ab 25 Schülern den Teiler
ansetzen) -> damit alternierten Unterricht mit jeweils der
Hälfte der Klasse einführen (funktioniert in der
Deutsch-Schweiz hervorragend) -> Unterrichtsqualität steigt
eher.
wichtiger punkt.
- Abschaffung des Beamtentums bei Lehrern, dadurch a) mehr
Flexibilität der Lehrer auch in anderen Berufen
reinzuschnuppern und b) Gewährleistung, dass junge,
ideenreiche, hochmotivierte Lehrkräfte die Schule
modernisieren.
im prinzip richtig, nur müsste dann aus finanziellen gründen das deutsche sozialversicherungssystem mitreformiert werden. eher
geht ein elefant auf ein schülerklo.
War da nicht noch was mit internetanschluss in jedem klassenzimmer?
die häufigste forderung der möchtegernbildungspolitiker wird in keiner weise durch die wiederholung richtiger.
- weil die computer in den klassenzimmern die pausen nicht überleben.
- weil sie im unterricht nicht sinnvoll zu verwenden sind (wie soll ein einzelner schüler am computer etwas tun, während die anderen im stoff weiterkommen?) viel hilfreicher wären computerräume, die technisch wirklich sinnvoll ausgestattet wären
und die auch regelmäßig aktualisiert würden, ohne dass es die fachschaft mathe an so einer schule regelmässig die ferien kostet. und wo es wirklich und wahrhaftig genug funktionierende computer für j e d e n schüler und jede schülerin einer klasse gäbe. ist selbst für bestberufene schulen ein wunschtraum.
nächster schritt wären sinnvolle computerprogramme für die einzelnen fächer. denn computerei an sich ist ja wohl kein sinnvolles lernziel, bezweifle, ob man das überhaupt lehren kann.
aber es gibt ja sehr oft noch nicht einmal anständige bücher.
und was auch nicht schlecht wäre: computerprogramme, die lehrern wirklich in der täglichen arbeit helfen würden, zum beispiel, die den stupiden verwaltungskram effektiv erleichern würden. damit könnten tausende von lehrern motiviert werden, die hemmschwelle zu überwinden; sie könnten diese motivation an schüler weitergeben. aber die idee wird zum beispiel an meiner schule als reines ketzertum verstanden.
jede schule wurstelt mit selbstgestrickten progrämmchen vor sich hin. an meiner zum beispiel funktioniert der zeugnisdruck nur auf einem uralten äpple in der physik, der ausdiesem grund gehütet wird wie der jeep des direktors. mir völlig unverständlich, warum es da nicht schon längst ein vom kumist professionell erarbeitetes programm gibt. wieviel zeit und energie auf diese kleinschulische weise verschleudert wird!
ein weiterer vorschlag ist: die kinder sollten eher mit dem lernen anfangen. englisch im kindergarten undsofort.
in der tat fangen englische und französische kinder eher mit dem lernen an. im prinzip gibt es im kindergarten gute möglichkeiten der frühförderung, die oft auch bereits genutzt wird. ist aber auch eine frage der finanzierung: bildungs- und förderkindergärten sind teurer als verwahranstalten. meine meinung dazu: bei der familienpolitischen diskussion wird gerne fiktiv geld an die familien verteilt. dieses ist viel besser in kindergärten und anderen förder- und spielinitiativen für kinder aufgehoben. da würde es gezielt für den ausgleich der benannten, höchst verschiedenen defizite bei den kindern eingesetzt werden können. das würde vor allem auch den frauen ermöglichen, zu arbeiten und damit die finanzielle und psychische misere entscheidend mildern, die gerade menschen mit höherem bildungsabschluss davon abhält, überhaupt erst kinder zu bekommen. also man würde mehrere fliegen mit einer klappe schlagen. aber das will man nicht. denn die arbeitsmarktpolitik in deutschland ist keine arbeits-förderungspolitik, sondern eine stellen-freihaltepolitik. und frauen, die sich allein zu hause um ein kind kümmern, besetzen keine stelle. die politik denkt: prima, wieder eine arbeitslose weniger. nur die fatale auswirkung auf die kinder und die frauen und die familien und nicht zuletzt auch auf die sozialen sicherungssysteme (denn letztlich fehlt eben doch das geld, das diese unfreiwillig kinder betütelnden frauen nicht in renten-,kranken- usw.-versicherung einzahlen)wird nicht bedacht…das hatten wir schon.
dasselbe gilt letztlich für die ganztagsschule. denn diese fehlt in deutschland und genau auch das geht nur auf dem rücken letztlich der frauen. hausaufgaben sind in den familien ein riesenproblem (hatten wir neulich auf diesem brett), sie werden nicht gemacht und nicht selten von den lehrern auch unsinnig gestellt. die mütter werdens schon richten. die mütter tuns und die kinder lernen nix. ein teufelskreis. hausaufgaben sind gemacht von der halbtagsschule.
es liegt aber auch an der überfrachtung der schule, einmal mit lernstoff, vor allem aber mit allgemeinen erziehungsaufgaben.
also von gesundheitserziehung (ernährung, zähneputzen, sucht- und aidsprophylaxe) zu verkehrserziehung und umwelterziehung und toleranzerziehung und und und. grade dafür bräuchte man auch die ganztagsschule. nachmittags können die schüler gern dann kochen lernen und fahrradfahren und so. die halbtagsschule wird verwässert und überfordert mit den ganzen anderen sachen, obwohl diese anliegen alle vollkommen berechtigt sind.
bei den schulen jedoch in deutschland, die ganztagsschulen sind, klappt es allerdings noch weniger. denn dort kann man bis zur neunten klasse gar nicht oder nur im extremfall durchfallen. es gibt dort kaum eine möglichkeit, aus einem bestimmten verhalten von schülern irgendwelche ernsthaften konsequenzen zu ziehen - das heißt, die schüler können dort überhaupt nicht erzogen und zu leistung angehalten werden. sie lernen nicht, dass es sich lohnt zu lernen. und das hat auch auswirkungen mindestens auf die haupt- und realschulen. die preise werden verdorben, das system schwächelt eben an seinem schwächsten glied. dies geht zurück auf eine grundsätzlich verkehrte integrationsideologie aus den siebziger jahren, die zum glück im rahmen der gegenwärtigen bildungspolitischen diskussion kaum mehr eine rolle spielt. hier liegt eine große chance. denn diese entwicklungen werden langsam, sehr langsam, zurückgedreht. viel wichtiger ist dies als der allgegenwärtige computer in jedem klassenzimmer.
wichtiger auch als das englisch in kindergarten und grundschule. denn dieser vorschlag ist vor allem auf dem hintergrund der sprachentwicklungsforschung berechtigt, hat jedoch nur am rande etwas mit allgemeiner leistungssteierung an der schule zu tun. hier kommt sehr viel auf das wann und wie dieses sprachenlernens zu tun, und ganz schnell sind wir wieder beim thema ganztagsschule und förderkindergarten, siehe oben.
so, das war lang.
die meinung der anderen dazu interessiert mich sehr
danke im voraus,
juliane