Bindigkeit von P und S in Säuren

Hallo,

Hab mal eine Frage zu Schwefelsäure und Phosphorsäure. Der Schwefel in Schwefelsäure hat 6 Bindungen zu den Sauerstoffatomen und der Phosphor in Phosphorsäure 5 Bindungen. Steht jedenfalls so in meinem Chemiebuch. Wie kann das sein? Wird da nicht die Oktettregel gebrochen? Meine Lehrerin kann mir das auch nicht beantworten. Sie meinte nur das es richtig ist.

Habt Ihr eine vernünftige Erklärung?

Andi

Hallo Andi,

Hab mal eine Frage zu Schwefelsäure und Phosphorsäure. Der
Schwefel in Schwefelsäure hat 6 Bindungen zu den
Sauerstoffatomen und der Phosphor in Phosphorsäure 5
Bindungen. Steht jedenfalls so in meinem Chemiebuch.

bis vor kurzem wäre die Antwort einfach gewesen. Und ein noch deutlicheres Beispiel ist https://de.wikipedia.org/wiki/Schwefelhexafluorid.

Wie kann das sein? Wird da nicht die Oktettregel gebrochen? Meine
Lehrerin kann mir das auch nicht beantworten. Sie meinte nur
das es richtig ist.

In der dritten Schale gibt es auch sogenannte d-Orbitale. Dort ist die Oktett-Regel eben nur eine Regel, im Gegensatz zur 2. Periode, wo sie ein Gesetz ist, weil einfach nur 4 Orbitale mit je 2 Elektronen vorhanden sind.

Vielleicht bist du ja bereit, mit mir etwas vorzuspreschen. Die 3d-Orbitale werden bei den ersten Übergangsmetallen nach und nach aufgefüllt, und da sind 6 Bindungen, also ein Bruch der Oktettregel, eher die Regel als die Ausnahme. Die stark oxidierten Phosphat-, Sulfat- und Perchlorat-Ionen sowie Schwefelhexafluorid und andere sind also Vorgriffe auf etwas, das wenige Elemente weiter normal ist.

Habt Ihr eine vernünftige Erklärung?

Das ist die Erklärung, wie sie in den meisten Chemiebüchern stehen dürfte. Und die deine Chemielehrerin kennen sollte, wenn sich ihr Interesse an Chemie nicht auf Farbe und Haftkraft ihres Nagellacks beschränkt.

Aber leider gibt es immer ein Aber. Jüngste präzise Berechnungen sollen gezeigt haben, dass die 3d-Orbitale energetisch zu hoch liegen, um besetzt zu werden. Das Sulfat-Ion hat also ein S2+ im Zentrum und vier einfach gebundene O- drumrum. Doppelbindungen gibt es dann nicht. Schwefelhexafluorid hätte demnach ebenfalls S2+ im Zentrum und vier einfach gebundene F und 2 ionisch gebundene F- drumrum.

Ich kann diese Rechnungen nicht nachvollziehen, dazu weiß ich nicht genug. Zumindest breiten sie sich in Wikipedia aus. Kann aber behaupten, dass sie mir unsympatisch sind. Und ich wünschte, sie würden widerlegt. Dass mein „Gefühl“ kein guter Maßstab ist, wissen alle, sogar ich. Ob da mal jemand gegenrechnet, kann ich nicht sagen.

Es bleibt so oder so festzustellen, dass du die Antwort auf deine Frage nur dann verstehen kannst, wenn du mal eben den Stoff des übernächsten Schuljahrs mitnimmst. Was auch gar nicht schwierig ist, wenn man Interesse daran hat. Die Regeln, z.B. die Oktettregel sind eben nur Vereinfachungen. Aber sehr hilfreich. Wenn man immer das Grundprinzip an den Anfang stellte, Theorie pur, und nach 2 - 3 Jahren mal den ersten Stoff durchnähme, wäre das zwar richtiger, aber alle Schüler wären eingeschlafen.

So wie der Unterricht aufgebaut ist, ist es schon richtig. Bis auf die, die Chemie studieren, haben alle bis zum Moment des Abschaltens zwar vereinfachte, aber hilfreiche Regeln gelernt. Und so soll es sein.

Gruß, Zoelomat

Lieber Zoelomat,

jaaa, die Geschichte mit den d-Elektronen bei Hauptgruppenverbindungen hält sich hartnäckig. Sie ist ja auch so schön einfach zu verstehen. Ab der 3. Periode stehen einem die d-Orbitale zur Verfügung und schon kann man die Oktettregel aufweichen. Und für den Schulgebrauch ist es als Erklärung auch absolut ausreichend!
Selbst durch einige Vorlesungen im Chemie-Grundstudium kommt man locker mit der d-Elektronen-Erklärung (auch wenn sich jedem Hauptgruppenchemiker dabei die Fußnägel hochrollen und Schreikrämpfe erzeugt werden).

Allerdings soo jung sind die Berechnungen auch nicht mehr. Immerhin haben die Ergebnisse auch schon seit den 90ern Einzug in die gängigen Lehrbücher der Chemie gehalten. Dass sie also irgendwann nochmal widerlegt werden ist wohl eher unwahrscheinlich. Sehr schön finde ich dazu z.B. den Steudel Kap.8.3 http://books.google.de/books?id=Fm58JCOZ9SQC&pg=PA26… (geht auf S. 260 los, leider sind S. 265 und 266 nicht bei google books anschaubar).

An den Ursprungsposter Andi98:
Merke: Oktettregel ist nur eine Faustregel mit der man sich das Leben leichter macht. Sie gilt für die 2. Periode streng. Ab der 3. Periode können auch mehr als acht Elektronen beteiligt sein.
(Falls Du aber irgendwann Chemie studieren möchtest, wirst Du bald merken, dass das alles viel komplizierter ist und so einfache Erklärungsmodelle nicht mehr ausreichen werden. Aber bis dahin…)

Viele Grüße,
ente

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Hi Ente,

Allerdings soo jung sind die Berechnungen auch nicht mehr.
Immerhin haben die Ergebnisse auch schon seit den 90ern Einzug
in die gängigen Lehrbücher der Chemie gehalten.

was dann eben nach meiner Zeit war. Und mein Eindruck war, dass gerade in Wikipedia der Einzug in den letzten Jahren stattgefunden hat, wo ich gern einfach stöbere, um mich in Form zu halten. Aber vielleicht ist es mir auch nur verstärkt aufgefallen.

Dass sie also
irgendwann nochmal widerlegt werden ist wohl eher
unwahrscheinlich. Sehr schön finde ich dazu z.B. den Steudel
Kap.8.3
http://books.google.de/books?id=Fm58JCOZ9SQC&pg=PA26…
(geht auf S. 260 los, leider sind S. 265 und 266 nicht bei
google books anschaubar).

Herzlichen Dank für den Link. Man kann sich halt verrennen, und einfache Hinweise einfach mal vergessen. So den, dass lokalisierte Bindungen zwischen je genau 2 Atomen immer eine Vereinfachung sind, aber außer bei Borverbindungen und eben „delokalisierten“ Elektronen zur Beschreibung reichen.

Hatte noch überlegt, wie ich 1 s- und 3 p-Orbitale hybridisieren soll, um eine oktaedrische Koordination kommen soll. Das ist doch der Klassiker d2sp3! Dass die p-Orbitale des Schwefel die eine Keule zum einen F, die andere zu Gegenüber zur Bindung benutzen, da kätte ich drauf kommen können.

Und wenn ich das so gelesen hätte, hätte mich das auch gleich überzeugt. Stattdessen wird gern von teilionischen Verbindungen gesprochen, was nicht (viel) richtiger ist als das Konstrukt mit den d-Orbitalen. Oder nur insofern, dass eine Bindung F-S-F eben nur eine ist, mit der Siebenzentrenbindung des Schwefel-s-Orbitals also 4 für sechs F.

Schön, dass du mir eine Beschreibung gezeigt hat, die man auch direkt versteht. Schlaflose Nächte hatte ich nicht, aber von einem Magengrummeln hast du mich befreit.

Gruß, Zoelomat