Bitte um Euren Rat - Beurteilung Arbeitszeugnis

Hallo liebe Experten,

ich hoffe, ihr hattet schöne Weihnachtsfeiertage!

Eine Freundin von mir verfasst sich selbst gerade ein Zwischen-Arbeitszeugnis. Ihr Team wechselt demnächst in eine andere Abteilung/Zuständigkeiten ändern sich und der bisherige Teamleiter wechselt. Deshalb hat sie den Teamleiter gebeten, ihr ein Zwischenzeugnis auszustellen, das sie allerdings schon mal vorformulieren soll (sie verstehen sich sehr gut, ihr Zeugnis soll einer 1 entsprechen).
Könnt ihr bitte mal über den Text drüberschauen und sagen, ob man das so nehmen kann? Wie könnte man das Zeugnis verbessern?

Frau Heike Mustermann, geboren am XX.XX.19XX, war im Zeitraum vom 1. November 2008 bis 31. Dezember 2015 durchgehend für meine Abteilung als Video Operatorin tätig.
Bei den Video Operatoren handelt es sich um eine interdisziplinäre Service-Einheit, die als Schnittstelle zwischen Fernsehen und Online-Angebot des Name des Medienunternehmens dient.
Zu den Aufgaben von Frau Mustermann gehörte es, Programminhalte aus dem linearen Fernsehen so zu konfektionieren, dass diese als eigenständige Bewegtbildangebote im Netz funktionieren. Dazu gehörten der Videoschnitt inklusive

  • Setzen und Texten von Bauchbinden,
  • Erstellen von Blur-Effekten,
  • Setzen von Fades und Weißblitzübergängen an Schnittstellen,
  • Sichten und Zusammenschnitt von Mantelbeiträgen zu einem Gesamtbeitrag,
  • Zusammenschnitt von Highlights aus politischen Diskussionssendungen.
    Außerdem gehörte zu ihrem Aufgabenbereich
  • die Weiterverarbeitung von Videos und Bestückung mit Metadaten im Name des Medienunternehmens-internen Online-Audio-Video-System MIR,
  • Hochladen von Videos im YouTube-Channel des Name des Medienunternehmens,
  • Erstellen und Nachbearbeiten von Standbildern zu Teasingzwecken mithilfe eines Bildbearbeitungsprogramms.

Dazu dienten PCs mit spezieller Video-Schnittsoftware (Avid) und einem Bildbearbeitungsprogramm (Adobe Photoshop Elements), die Frau Mustermann mit großem Fachwissen eigenständig bediente.
Frau Mustermann, die vom ersten Tag an Teil des Teams war, zeigte sich stets hochmotiviert und zuverlässig. Selbst an arbeitsintensiven Tagen, etwa bei Sondersendungen oder außergewöhnlichen Events, konnte man sich stets auf sie verlassen.

Ihr Engagement, auf neue Technologien oder Arbeitsabläufe zu reagieren, ist ohne Beispiel. Auftauchende Probleme bewältigte sie umsichtig, eigenständig und sorgfältig. Auch zeigte sie sich äußerst flexibel bei den Arbeitszeiten. Spät- oder Wochenendschichten scheute sie nicht. Nicht selten sprang sie auch kurzfristig für erkrankte Kollegen ein, selbst wenn das für sie Doppelschichten bedeutete.
Heike Mustermann gehört zu den beliebtesten und zuverlässigsten Arbeitskräften unseres Hauses. Wir bedanken uns für ihre bisherige Mitarbeit und werden auch in Zukunft gerne mit ihr zusammenarbeiten.

Was meint ihr? Habt ihr Tipps und Ratschläge?

Vielen herzlichen Dank für Eure Hilfe!

Stefanie

Hallo Stefanie,

der Text liest sich wegen der Vergangenheitsformen wie ein Schlusszeugnis, bis man dann ganz am Ende sieht, dass es keines ist: Zwischenzeugnis immer im Präsens formulieren, alldieweil die beurteilte Tätigkeit ja noch andauert (auch wenn die Abteilung gewechselt wird). Außer dem Präsens ist auch die Angabe „bis 31. Dezember 2015“ im Eingangssatz missverständlich; „ist seit“ und allenfalls in der Schlussformel ein Hinweis auf „Zwischenzeugnis wegen Wechsel der Abteilung“ ist im Textfluss klarer verständlich.

Es fällt auf, dass der zentrale Satz zur Gesamtbeurteilung „… erfüllt die ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer uneingeschränkten Zufriedenheit“ (oder ähnlich, gibt sicherlich Besseres) fehlt. Außerdem ist die „beliebteste und zuverlässigste Arbeitskraft“ ziemlich vage formuliert, man kann da leicht eine Bemerkung zur persönlichen Wertschätzung konkret durch Vorgesetzte, Kollegen und Geschäftspartner (oder wer auch immer bei dieser Tätigkeit in Frage kommt) vermissen und überlegt sich dann, bei wem genau und wie genau die Mitarbeiterin wohl angeeckt ist.

Ob die Reihenfolge der Tätigkeiten in der Beschreibung deren Bedeutung folgt, lässt sich von außen nicht gut beurteilen; auch nicht, welche der Tätigkeiten wie anspruchsvoll ist (wenn man hier die Möglichkeit bekommt, selber zu texten, kommt die anspruchsvollste Tätigkeit auch als wichtigste oben hin, falls das nicht ganz offensichtlicher Blödsinn ist, weil jeder weiß, wie selten sie ist).

Wenn eine Mitarbeiterin für eine immerhin siebenjährige Tätigkeit mit nicht völlig schematisierten Abläufen so hoch gelobt wird, fragt man sich, warum innerhalb dieser sieben Jahre keine konkreten persönlichen Erfolge des Mitarbeiters zu verzeichnen waren: Ob er mit einem guten, aber vage bleibenden Zwischenzeugnis „hinausgelobt“ werden soll oder ob es vielleicht andere Motive für das gute Zeugnis gibt („kennt die Leichen im Keller vom Chef“, „hat die Affäre glänzend zurechtgebügelt, als seine Gattin sich scheiden lassen wollte“ oder sowas).

Der Hinweis auf mögliche Verstöße gegen das ArbZG lässt sich wahrscheinlich etwas weniger deutlich formulieren.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

ergänzend zum Kommentar meines Vorredners: da zeigt sich mal wieder, daß es zwar nett ist (wenn es denn nett gemeint ist; oft verbirgt sich dahinter auch schlichte Faulheit seitens des Vorgesetzten), wenn man sein Zeugnis selbst schreiben kann (und dazu noch auf die Bestnote auslaufen darf), das aber zu Problemen führt, wenn man keine Ahnung von der Zeugnissprache hat. So kommen dann Formulierungen dabei heraus, die entweder der gewünschten Note nicht ganz entsprechen oder sogar Zweifel an der Kompetenz und am Verhalten der Mitarbeiterin hervorrufen.

So fehlt ein Satz hinsichtlich des Verhaltens ggü. Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden, der schlichtweg zum Standard gehört und bei dem auch die Reihenfolge der genannten Personenkreise wichtig ist, die Bemerkung „arbeitete stets hochmotiviert und zuverlässig“ läßt Raum für Interpretationen und der Satz „Ihr Engagement, auf neue Technologien oder Arbeitsabläufe zu reagieren, ist ohne Beispiel“ ist schlicht eine Katastrophe („sein Engagement hinsichtlich der Neugestaltung der Infrastruktur und des Stadtbildes war ohne Beispiel“ - Kaiser Nero, 37-68 n.Chr.) .

Die Liste ließe sich fortsetzen. Man kann Deiner Freundin nur raten, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen oder darauf zu warten, daß sich hier jemand die Mühe macht, das Zeugnis Stück für Stück und ohne genaue Kenntnis des Arbeitsumfeldes und der Aufgaben komplett zu schreiben oder zumindest gründlich zu überarbeiten. Alternativ könnte man seinen Vorgesetzten bitten, freundlicherweise seinen Aufgaben nachzukommen und dieses dann anschließend prüfen und ggfs. nachjustieren zu lassen.

Gruß
C.

Hallo,

ich hatte deine einleitenden Worte nur überflogen.
Als ich die überschwenglichen Formulierungen „allerbeste Mitarbeiterin von allen“ las, hatte ich allerdings starke Zweifel, ob sowas wirklich ein Vorgesetzter in ein Zeugnis schreiben würde.

OK, hat ja auch keiner so geschrieben.

Zudem fällt mir auf:
Eine Diskrepanz zwischen der Arbeitsbeschreibung und der Bewertung. Eine solide, präzise Beschreibung der Tätigkeiten ist gut. Aber hier entfallen rund zwei Drittel auf die Beschreibung, hingegen ist dei Bewertung verkümmert.

  1. Gibt es konkrete Erfolge der Frau? („Maßgeblich bei der Auswahl und Einführung der neuen Software „Schnittfix 2000“ beteiligt“, welche sich anschließend nachhaltig bewährt hat." „Durch ihre Beteiligung am X-Projekt den Y-Kunden gewonnen hat.“)
  2. Wie sind die Umgangsformen (Kunden, Mitarbeiter, Vorgesetzte)?
  3. Hat sie eine Karriere durchlaufen? 7 Jahre auf dem selben Posten trotz allerbester Leistungen?
  4. Überstunden und Engagement in aller Ehre, aber so dermaßen sollte man mit Verstößen gegen Arbeitsschutzregeln (Arbeitszeitgesetz) nicht prahlen.
  5. Abschließende Bewertung?
  6. „ohne Beispiel“ - sehr ungewöhnliche Formulierung, die auch negativ verstanden werden kann.

an diesem zeugnis stimmt einfach überhaupt nichts. in der mitte hab ich aufgehört zu lesen.