Blitzableiter auf Reetdächern

Liebe/-r Experte/-in,
es gibt ein paar Sachen, die ich in letzer Zeit beobachtet oder gehört habe, die ich aber nicht „zusammenkriege“.
Offensichtlich werden in normalen Siedlungen immer seltener Blitzableiter gebaut. Angeblich - so sagte zumindest mal ein früherer Vermieter - läge das daran, dass Blitzableiter schnell nicht mehr ganz intakt wären und dann ein größere Risiko darstellen würden als gar keiner. (…stimmt das?)

Beim letzten Urlaub habe ich gesehen, dass in manchen Regionen mit vielen Reetdächern alle diese Häuser Blitzableiter haben, ziegelbedachte Bauten in direkter Nachbarschaft aber nicht.
Zunächst mag einem dazu einfallen, dass Reet besser brennt als Ziegel. Nur ist darunter überall ein Holzdachstuhl. Und ich habe noch nie von einem Blitzeinschlag in ein Ziegeldach ohne Blitzableiter gehört, wo es dann nicht gebrannt hätte.

Zur noch größeren Verwirrung gibt es dann ein paar Städte weiter wieder Sieldungen, in denen auch Reetdächer konsequent keine Blitzableiter haben.

Und dann verwundert mich auch immer noch eine andere Sache: Ein Blitz ist ja nun doch eine sehr große, heiße und mächtige Angelegenheit. Der eine „kleine“ Meter Abstand, mit dem ein Blitzableiter über der Reetfläche aufgestelzt ist, ist dagegen eher verschwindend klein. Wenn dort ein Blitz einschlägt- ist dann wirklich nahezu sicher jede Brandgefahr gebannt?

(P.S. Das hätte ich alleine zwar nie gefragt, aber wo ich hier gerade aktiv bin und mir meine Wohnung in einem blitzableiterfreien Haus ist:

  • Ziehen deutlich höhere Bäume direkt neben dem Haus Blitze an? Oder ist das elektrische Potential der Bäume gegenüber dem eines Haus in der Regel viel zu klein, damit der paar Meter höhere Baumwipfel zum Einschlagpunkt wird?
  • Wie nah müssen eigentlich deutlich höhere Gebäude neben dem selbst bewohnten stehen, damit sich ein kilomterlanger Blitz auf den lezten Metern seines Weges aus dem Himmel doch „noch dafür entscheidet“, dort einzuschlagen?

Vielen Dank für eure Antworten
Torsten

Hallo Thorsten

  • Blitzableiter werden seltener gebaut weil die Brandversicherungen i.d.R. keinen Rabatt geben und das Risiko (wie bei Impfungen) immer weniger befürchtet wird.
  • Richtig gebauter BS geht „nie“ kaputt.
  • Ob oder ob nicht ein BS gebaut wird ist also immer eine Frage der Brandversicherung und der persönlichen Entscheidung. Wenn nicht die Baugenehmigung / das Baurecht einen BS vorschreibt.
  • Wenn der Blitz in den Blitzableiter einschlägt (selten) erfolgt die Ableitung dort quasi ohne Hitze. Der Abstand Fangleitung/Ableitung zu Brennbarem ist nur ein Sicherheitsabstand gegen vagabundierende Teilströme. Reet erreicht bei Regen eine tief eindringende Durchfeuchtung und daher ggfs. auch tief eindringenden Teilstrom. Der wiederum trocknet und endzündet das Reet blitzartig. Im Gegensatz zum trockenen Holzdachstuhl, in den gar kein Teilstrom eindringt.
  • alles was höher ist hat eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit als tiefer Liegendes.
  • In der Blitzschutzpalnung wird mit Kugeln gedacht (VDE0185), die einen Radius (!) von 40m (normaler Schutz) oder 20m (hoher Schutz) zum Ableiter haben. Alles was nicht in die Kugel hinein reicht ist auch (statistisch) nicht gefährdet.

Rudi

Liebe/-r Experte/-in,
es gibt ein paar Sachen, die ich in letzer Zeit beobachtet …

Hallo Torsten

Blitzschutzanlagen sind nur dort vorgeschrieben wo der Gesetzgeber die verlangt. Dies sind in der Regel Gebäude die der Bundesversammlungsstätten Verordnung unterliegen, das heist wo sich mehr als 100 Ortsunkundige Personen aufhalten können z.B. Kaufhäuser, Ämter, Kirchen,Stadien usw.
Des weiteren können Versicherungen zur Verminderung des Risikos Blitzschutzanlagen verlangen hierzu zählen auch Reedgedäkte Häuser das ist aber von Region zu Region unterschiedlich.
Grundsätzlich bietet eine korrekte Blitzschutzanlage auf einem Gebäude einen 99 Prozentigen Schutz.
Ich selbst habe schon die Folgen von Blitzeinschlägen in eine Blitzschutzanlage gesehen und die waren garnicht spektakulär, das sah aus als hätte jemand mit einem E-Schweissgerät an der Fangleitung rumgebrutzelt.
Die verwendeten Leitungen bei einer Blitzschutzanlage sind Blitzstromtragfähig und erhitzen sich bei der kurzen Dauer eines Blitzes kaun, somit sind Umliegende Brennbare Stoffe nicht Entzüdungsgefährdet.
Jetzt zur Theorie:smile:
Blitzkugelmethode:
Nimmst du eine Kugel mit einem durchmesser von 60 metern und rollst die durch die Gegend sind alle punkte die die Kugel berührt einschlagsgefährdet. Daher sind Blitzableiter Auffangeinrichtungen immer mit etwas Abstnd verbaut. Durch das hohe Erdpotential ist die Auffaneinrichtung ein beforzugter Einschlagspunkt für den Blitz.
Blitzkegelmethode:
nimmt man die Kugelmethode sind Gebäude geschützt die innerhalb eines 45°Winkels einer Aufangeinrichtung die maximal 30m hoch ist geschützt.

Es gibt aber noch Landkarten in denen die Blitzhäufigkeit eingetragen ist, so ist im Flachland eine geringere Blitzdichte als in den Bergen.

So ich hoffe jetzt nich noch mehr Verwirrung gestiftet zu haben.

Gruß Thomas

Danke für die schnellen Antworten.
Alles, was Reetdächer betrifft, habe ich verstanden.

Alles, was Kugelmethoden und neue Verwirrung betrifft, … weiß nicht :wink:) Gehört hatte ich schon mal davon und habe eben auch nochmal gegoogelt. Verstehe ich das so richtig:

Das (zumindest in der Theorie) exakteste Modell ist die Kugelmethode. Von einem max 30m hohen Punkt stellt man sich allseits nach oben offene Kreisbögen mit 30m-Radius vor, alles darunter ist geschützt.
Vereinfacht stellt man sich das als Linien im 45-Grad-Winkel vor, alles darunter ist geschützt.

Aber das heißt doch auch… egal, wieviel höher das Hochhaus in der Nachbarschaft ist, wenn es weiter als 30m entfert ist, bietet es kaum noch „Schutz“ für die eigenen Mauern !?

Der Baum direkt neben dem Haus, der höher ist, bietet hingegen einen großen Schutz !?

(Allerdings verstehe ich daran die Geschichte mit dem Potential immer noch nicht so richtig. Angenommen, auf dem Hochhaus lachen die schönsten Blitzableiter in den Himmel und die Häuser daneben haben „elektrisch unattraktive“ Dachstühle aus Ziegel, Holz und ohne Blitzableiter. Zieht dann nicht das Hochhaus einen Blitz irgendwie doch deutlich stärker an, selbst wenn es etwas weiter als 30m entfernt ist? Oder „wirkt“ das elektrische Potential des Erdreichs einfach durch Haus und Holzdachstuhl hindurch? )

Richtig
Bei Gebüden über 30m höhe ist daher alle 20m Wagerecht ein Ableiter anzubringen.

Aber mit dem Baum in deiner Nachbarschaft ist das so ein Problem, hier ist wieder das mit dem Potential ausschaggebend. Ein Baum ist ein nicht so guter elektrischer Leiter als die metallenen Gebädeteile eines Hauses. Dies sind Heizungsrohre, elektrische Installationen oder die Antennenanlage eines Gebäudes. Ausschlaggebend ist hier die Leitfähigkeit. Blitze schlagen auch gerne in Kamine ein, nicht weil das evtl einen Holleiter darstellt, sondern weil das Abgas der Heizungsnlage einen höheren Feuchtigkeitsgehalt als die Umgebungsluft ist und somit ein besserer Leiter. Daher sind an Kaminen Fangstangen angebracht die den Kamin um einiges überragen.
Laut der Theorie entscheidet ein Blitz alle 30 m über seinen weiteren Weg, da wo das höchste Erdpotential ist wird er hinwandern.
Neueste Untersuchungen und Versuche haben Ergeben das der Blitz nicht nur von oben nach unten wandert, sondern ihm entgegen bildet sich ein oder mehrere Leitblitze, die aber nicht so energiereich sind. Bekommt ein Leitblitz Kontakt mit dem Hauptblitz endläd er seine Energie über diesen Weg, und andere evtl. entstandene Leitblitze verlöschen. Blitzableiter sind predistiniert durch ihre direkte Verbindung zur Erde diese Leitblitze zu erzeugen, aber alles was eine Leitfähigkeit zur Erde hat auch.

Gruß Thomas

Hallo Torsten,

ein Blitzableiter ist keine Garantie das der Blitz nicht in das Haus einschlägt. Nur wenn er Einschlägt dann zu 99,5% in den Blitzableiter.
Meines Wissens nach ist es keine Pflicht eine Blitzschutzanlage auf ein normales Wohnhaus zubauen. Bei Reetdächern ist das nach meinem wissen nach aber so. Da kann es aber auch laut LBO ausnahmen geben. Das hat aber nichts mit dem Blitz alleine zu tun sondern wegen der Hohen Brandgefahr von Reetdächern. Bei einem mit Ziegeln bedeckten Haus entsteht der Brand auch meist nicht durch den Blitz sonder durch die Überspannung die die elektrischen Geräte zerstört. Dieses kann dazu führen das selbst deine Unterputz Leitungen aus der Wand fliegen.
Aber Angst haben in deinem Haus ohne Blitzableiter brauchst du auch nicht!
Den nicht jeder Blitzeinschlag führt zum Hausbrand.
Schöne Grüße

weil ein Ziegeldachhaus ohne Blitzableiter nicht immer brennt brauch ich gleich gar keine Angst mehr zu haben… :wink: wäre ja schön. Dann definiere ich jetzt, dass ich immer zu den 50% gehöre, bei denen es nicht brennt.
Spaß bei Seite. Vielen Dank für die Antwort.

  1. Dass induzierte Spannungen in Geräten und Leitungen erheblichste Schäden anrichten, wusste ich. Aber das ist auch eine hauptsächliche Brandgefahr? Was brennt denn dann? Nicht das Mauerwerk, sondern der Kabelmantel? Die Tapete?

  2. Der Blitz muss doch „irgendwo bleiben“. Wo fließt der denn weiter lang, wenn es mal nicht brennt. Ich dachte immer, ein nicht unerheblicher Teil findet seinen Weg in dem Holzdachstuhl (oder strahlt zumindest „ausreichend“ Wärme dorthin ab). Wo geht der denn dann noch weiter? In den Giebelwänden? In den Schornsteinwänden? Was mich eigentlich auch sehr wundert, ist dass es zwar immer mehr Edelstahlzüge in den gemauerten Schornsteinschächte eingezogen werden … diese aber nicht „in Blitableiter-Dimensionen“ geerdet sind? Die sind doch prädestiniert für einen Blitzeinschlag. Oder übersehe ich die Erdung nur?

  3. Gibt es eigentlich statistische Zahlen? Wie groß ist das Risikio eines Blitzeinschlages? Wie groß ist das Risiko, dass es dann auch brennt?

Torsten

Hallo Torsten,

Zu 1)
Ja richtig die Leitung , Tapete, Schalter und Steckdose , die angeschlossen Geräte. Wenn der Blitz genau in eine Leitung trifft ist das wie eine Explusion, sie wird richtig auseinander gesprengt. Ich möchte dir hier aber keine Angst machen. Das kommt sehr selten vor.

Zu 2)
Wenn der Blitz genau den Dachsparren trifft wird die ganze Energie in Wärme umgewandelt. Ableiten kannst du da ja nichts , Holz leitet ja nicht. Die Wärme verteilt sich dann. Der Holzsparren fängt auch meist nicht an zu Brennen sonder der Staub und das was da sonst noch Brennbares auf den Dachboden ist.
Die Edelstahl Schornsteine – die Aussen an Gebäuden sind – müssen geerdet sein sind Sie auch (meistens) sie dürfen aber keine leitende Verbindung zur Blitzschutzanlage haben! Sie werden mit in den Gebäude Potenzialausgleich eingebunden. Wenn Sie als Edelstahl in einem Gemauerten Kamin geführt werden – was eigentlich nicht üblich ist, meist sind das Kunststoffrohre mit Edelstahlspitze – dann werden Sie auch im Bereich der Kamin Einführung im Gebäude geerdet.
Zu 3)
Also bei uns in Deutschland gehe ich mal davon aus das es statistische Zahlen dafür gibt. Aber die kenne ich leider nicht.

Hallo zusammen, jaja, eigentlich müsste ich eine neue Anfrage starten, da ich nicht mehr „bei Reetdächern“ bin. Aber nach den netten und qualifizierten Antworten neulich versuch ich zuerst einfach, dies hier „wieder zu beleben“.
Mir gingen neulich gerade diese teilweise sehr beliebten Fahnenmasten in Kleingärtenkolonien „durch den Sinn“. Wenn es einen bei Gewitter wirklich mal in eine kleine Gartenlaube verschlagen sollte, dürfte das m.E. (nicht per se aber eben für den Fall der Fälle eines Blitzeinschlags) eine extrem gefährliche Sache sein?! Ähnlich, wie unter einem Baum oder wie bei den drei Frauen, die neulich in einer „Golf-Hütte“ vom Blitz erschlagen wurden. Mein erster Gedanke war, dass die teilweise üblichen Fahnenmasten (oft deutlich höher als die Gartenlauben) evt. ja auch der fast perfekte Blitzableiter sind. Aber sind sie das wirklich? Dazu müsste man sie vermutlich gründlich erden. Aber wären Sie dann wirklich ein Plus an Sicherheit? Oder würden sie dann im schlimmsten Fall einen Blitz eher noch „anziehen“, welcher dann …? … nur im Fahnenmast in die Erde abgeleitet würde? … ggf. zum Teil in die Laube überspringen würde?
Vielen Dank für eure Antworten!
Torsten