Borderline mal anderes gesehen

Hallo zusammen,
ich hoffe ich bin hier im richtigen Bereich, vielleicht gehört meine Frage aber auch unter Geisteswissenschaften. Am besten stell ich Sie einfach mal, statt lange rumzutexten :smile:
Was ist eine Borderlinestörung aus Sicht der Anthroposophie? Wenn man das googelt findet man Texte die auf eine Inkarnationsstörung hinweisen, aber nix genaueres zum nachlesen. Weiss dazu jemand was oder wenigstens wo was dazu steht? Danke schonmal Andreas!

Fragwürdige Anthroposophie
Hi.

Was ist eine Borderlinestörung aus Sicht der Anthroposophie?
Wenn man das googelt findet man Texte die auf eine
Inkarnationsstörung hinweisen, aber nix genaueres zum
nachlesen.

Zu dem wirklich Übelsten, was in den Grauzonen moderner Esoterik gedeiht, gehört die Karma-Lehre. Diese wird auf alles angewendet, das nicht bei Drei auf die Bäume kommt. Ein Penner ist ein Penner, weil das „sein Karma“ ist, jemand fährt mit 180 gegen einen Baum, weil das „sein Karma“ ist, und jemand hat Borderline, weil das anscheinend auch „sein Karma“ ist.

Ich kann dir nur empfehlen, solche Spekulationen zu ignorieren. Ich will damit nicht sagen, dass sie - im Borderline-Fall - grundsätzlich falsch sind. Da man aber auch nicht sicher sein kann, dass sie zutreffen, und da die Anthroposophie ein sehr fragwürdiger Mix aus Irrtümern, Halbwahrheiten und Wahrheiten ist, sollte man sich Rat zu Fragen betr. Borderline besser woanders holen.

Chan

Üble Karma-Lehre

(Zum) Übelsten, was in (der) Esoterik gedeiht, gehört die Karma-Lehre.

Buenos dias, bester Freund Chan, da hast du einmal meine 100% geistige Übereinstimmung (vielleicht gibt es die ja auch anderswo?), super! Hasta luego amigo
C.

Nachtrag
Hi, Chan, will nur noch eins drauf setzen: Habe dir zum ersten Mal in diesem Forum überhaupt ein „Sternchen“ gegeben. Diese Info wollte ich noch anbringen. Vielleicht hilft diese Info ja auch anderen, die besondere Freundschaft zwischen uns (im Philosophie-Brett) noch besser zu verstehen.

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Nö (owt)
.

Guten Tag!

Zu dem wirklich Übelsten, was in den Grauzonen moderner
Esoterik gedeiht, gehört die Karma-Lehre.

Die Anthroposophie ist erstens nicht modern, zweitens beinhaltet sie keine Karma-Lehre im eigentlichen Sinn.
Drittens ist bei einigen ihrer Vertreter der Begriff „Inkarnation“ weniger indisch zu verstehen, sondern viel mehr im Bezug auf die Geist/Körper-Vorstellungen des Deutschen Idealismus und der Romantik.
Viertens docken die etwas seriöseren modernen Vertreter anthroposophischer Medizin dabei durchaus an Vorstellungen z.B. von Bowlbys Bindungsforschung an, der Borderline (und eigentlich alles andere auch) auf frühkindliche Trennungserfahrungen zurückführt.
Wenn die Anthroposophen solche Trennungserfahrungen nun auf Pseudo-Erklärungen wie „Störung der Inkarnationsbedingungen, Unterform: die falsche Familie ausgesucht“ etc. zurückführen, dann mag das mit Recht als dummes Geschwurbel einzuordnen sein, aber nicht unbedingt als ein Stück Karma-Lehre.
Fünftens ist diese intergenerationale Dimension von psychischen Erkrankungen, die zwar in der Anthroposophie in reichlich mystifizierter Form aber immerhin vorkommt, ganz erquickend, wie ich meine.

Diese wird auf alles
angewendet, das nicht bei Drei auf die Bäume kommt. Ein Penner
ist ein Penner, weil das „sein Karma“ ist, jemand fährt mit
180 gegen einen Baum, weil das „sein Karma“ ist, und jemand
hat Borderline, weil das anscheinend auch „sein Karma“ ist.

Da hast du natürlich völlig recht.

Genauso umfassend ist ja auch der vom Fragesteller angesprochene Begriff der „Inkarnationsstörung“, der im anthroposophischen Diskurs mitnichten spezisch für Borderline ist, sondern eher die Generalerklärung für alles Pathologische ist. Es geht darum, welche SPEZIFISCHE Art der Inkarnationsstörung bei Borderline zu sehen ist.

Auf der anderen Seite ist ja auch das kein Spezifikum für Esoterisches. Begriffe wie „Sozialisation“ sind ja nicht weniger Generalschlüssel-Blabla, wenn sie von Drittsemestersoziologinnen angewandt werden.

E.T.

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Menschensteuerung durch Schuldgefühle
Hi ET.

Zu dem wirklich Übelsten, was in den Grauzonen moderner
Esoterik gedeiht, gehört die Karma-Lehre.

Die Anthroposophie ist erstens nicht modern, zweitens
beinhaltet sie keine Karma-Lehre im eigentlichen Sinn.

Die Moderne beginnt kulturgeschichtlich, je nach Bereich, spätestens im 19. Jahrhundert, also deutlich vor dem Erscheinen der Anthroposophie.

Ob es eine „eigentliche“ Karma-Lehre gibt, halte ich für fraglich. Es gibt sicher mehrere Varianten bzw. Interpretationen auch innerhalb der einzelnen Religionen, die ursprünglich die Karma-Lehre hervorbrachten (Hinduismus, Buddhismus). Die Details dieser Nuancen könnte man vielleicht mal im Reli- oder im Spiribrett (??) diskutieren.

Was die Karma-Lehre der Anthroposophie betrifft, lässt diese sich schnell im Anthro-Wiki nachgucken. Ich zitiere hier eine Stelle, die deutlich zeigt, welche zu welch bizarren Auswüchsen die Phantasien der Anthroposophen gelangen können:

„Wie sich der Mensch im Erdenleben verhält, prägt die Physiognomie und besonders die Schädelbildung des nächsten Lebens“.

(Den Link zur Anthro-Wiki-Seite füge ich unten an)

Drittens ist bei einigen ihrer Vertreter der Begriff
„Inkarnation“ weniger indisch zu verstehen, sondern viel mehr
im Bezug auf die Geist/Körper-Vorstellungen des Deutschen
Idealismus und der Romantik.

Steiner kam von der Theosophie, und die hatte definitiv viele Anleihen bei den asiatischen Religionen gemacht, darunter natürlich auch bei deren Karma-Lehren.

Viertens docken die etwas seriöseren modernen Vertreter
anthroposophischer Medizin dabei durchaus an Vorstellungen
z.B. von Bowlbys Bindungsforschung an, der Borderline (und
eigentlich alles andere auch) auf frühkindliche
Trennungserfahrungen zurückführt.

Ok, das ist eine gute Stellungnahme zur UP-Frage, was aber die offensichtlichen Absurditäten in der anthroposophischen Wiedergeburtslehre nicht aus der Welt schafft. Ich will ja nicht sagen, dass a l l e s daran falsch ist, aber einige Auswüchse sind ethisch sehr bedenklich (siehe die oben zitierte Stelle).

Das Hauptproblem bei der (speziell „esoterischen“) Karma-Lehre ist, dass sie Schuldgefühle produzieren möchte, indem in die (hypothetischen) Vorleben Missetaten hineinphantasiert werden, für die sich der gegenwärtig lebende Mensch zu verantworten hat. Hier erkennt man die - in meinen Augen - fatale Nähe zum Christentum, das ebenfalls sehr bemüht ist, in den Menschen Schuldgefühle zu erwecken.

Chan

http://wiki.anthroposophie.net/Reinkarnation

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Guten Abend!

Die Moderne beginnt kulturgeschichtlich, je nach Bereich,
spätestens im 19. Jahrhundert, also deutlich vor dem
Erscheinen der Anthroposophie.

geschenkt!

Man meint ja nicht immer gleiche eine Kulturepoche, wenn man etwas für modern oder unmodern hält :wink:

Ob es eine „eigentliche“ Karma-Lehre gibt, halte ich für
fraglich. Es gibt sicher mehrere Varianten bzw.
Interpretationen auch innerhalb der einzelnen Religionen, die
ursprünglich [Hervorhebung von E.T.] die Karma-Lehre
hervorbrachten (Hinduismus,
Buddhismus).

So meinte ich es.

Die Details dieser Nuancen könnte man vielleicht
mal im Reli- oder im Spiribrett (??) diskutieren.

Was ist aus diesem Vorschlag nun eigentlich geworden?

Was die Karma-Lehre der Anthroposophie betrifft, lässt diese
sich schnell im Anthro-Wiki nachgucken.

Die Anthroposophie ist höchst vielgestaltig.
Selbstverständlich finden sich in diesem großen Gebäude auch Karma-Vorstellungen - aber eben nicht überall zwingend dort, wo ein Begriff wie „Inkarnation“ fällt.
Wenn ein heutiger Psychologe von der „Seele“ spricht, meint er in der Regel auch nichts Religiöses damit.

Steiner kam von der Theosophie

Steiner hatte bekanntlich ursprünglich eine profunde wissenschaftliche und philosophische Ausbildung erfahren. Wenn er irgendwoher „kam“, dann daher.

Ok, das ist eine gute Stellungnahme zur UP-Frage, was aber
die offensichtlichen Absurditäten in der anthroposophischen
Wiedergeburtslehre nicht aus der Welt schafft. Ich will ja
nicht sagen, dass a l l e s daran falsch ist, aber einige
Auswüchse sind ethisch sehr bedenklich (siehe die oben
zitierte Stelle).

Damit sind wir schon bei der vollkommenen Übereinstimmung angelangt.

Das Hauptproblem bei der (speziell „esoterischen“)
Karma-Lehre ist, dass sie Schuldgefühle produzieren möchte,
indem in die (hypothetischen) Vorleben Missetaten
hineinphantasiert werden, für die sich der gegenwärtig lebende
Mensch zu verantworten hat.

d’accord

Wenn der UP aber einfach nur nach der spezifisch anthroposophischen Sichtweise der BPS fragt, dann ist dein Hinweis auf diese ungute Verwendung des Karma-Begriffs zwar ein völlig berechtiger Generalverdacht, aber an dieser Stelle eher übermotiviert.

Ich wollte dich übrigens auch gar nicht groß kritisieren, sondern an erster Stelle dem UP noch etwas Futter liefern.

E.T.

Hitler und viele Nazi-Größen
Hi,

Borderlinestörung und Inkarnationsstörung sind zwei so
unterschiedliche Welten, wie Wissenschaft und Esoterik. Der
Begriff „Borderline“ ist ein wissenschaftlicher Begriff und
„Inkarnation“ ein esoterischer. Und eine „Störung“ im Sinne des
hier Gemeinten, geht schon fast in den medizinischen Bereich.

Man kann nun Menschen so analysieren und diagnostizieren,
dass man ihnen eine „Erlösung“ ihrer scheinbaren „Störung“
anbietet, nach dem bekannten Muster vieler Religionen: Schaffe
ein philosophisches Ideal, das so unerreichbar ist, wie das von
einem „Gottes Sohn“ oder sonst eines Heiligen - und biete zu
diesem Ideal eine Methode an, um allen „Schuldigen“ zu helfen,
diesem Ideal näher zu kommen. Dazu soll unter anderen auch
die Beichte dienen, um sich seiner Schuldgefühle zu
entledigen.

Da kein Mensch in seinem Leben diese Ideale je
vollständig und ewig erreichen kann (zum Beispiel die göttliche
Liebe oder die ewige Erleuchtung als Heiliger oder eine
vollkommene Gesundheit, wie sie die schönsten, reichsten und
intelligentesten Menschen dieser Welt scheinbar als
„Unsterblichkeit“ besitzen), braucht man ein ganzes Heer von
Helfer und Helfershelfer, die alle „Störungen“ gegenüber dem
Ideal beseitigen.

Wie man aber vernünftiger Denken kann, und
eine positive, vorwärts gerichtete, statt rückwärts gerichtete,
Autonomie erlernt, davon erzählen diese Schwärm-Geister von
Idealisten kaum etwas, weil sie ihre Gläubigen mit einem
riesigen Aufwand an Propaganda von ihren Idealen überzeugen und
abhängig machen.

Ich füge aber hinzu, dass es auch
eine echte Lebenshilfe als Leistung geben kann und ich dagegen
nicht polemisiere. Im Übrigen ist die Grundlage der Inkarnation
als philosophische Idee deswegen nicht grundsätzlich abzulehnen,
weil dadurch eine Begründung geliefert werden kann, warum wir
gerade die und die Eltern haben und nicht etwa andere Eltern,
die schöner, klüger und reicher sind als die unseren. Die
Wissenschaft erklärt das nur mit „Zufall“. Das ist der Grund,
warum an die Inkarnation so viele glauben.

Übrigens auch Hitler und viele Nazi-Größen glaubten an Inkarnation.

Gruß
C.