Boris Johnson und das britische Parlament

Servus,

man kann zum Brexit ja stehen wie man will, aber sollte es nicht jedem zu denken geben, wenn ein Regierungschef das Parlament 7 Wochen vor so einem wichtigen Schritt für 5 Wochen beurlaubt?
Beurlaubung des Parlaments : Der Premierminister geht aufs Ganze

(Als Besonderheit gilt zu beachten, dass in GB anders als in D oder A nicht das Volk sondern das Parlament der Souverän ist.)

LG

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OK. Türkische Verhältnisse, damit müssen die Briten schon alleine fertig werden.
Und was ist eigentlich Deine Frage? Ob er ewentuell vom Trump adoptiert wird?
Sch

Wenn man böswillig sein will, könnte man dies für einen kleinen kalten Staatsstreichversuch halten…

Dieses krumme Ding am Ende eines Satze signalisiert gemeinhin eine Frage :stuck_out_tongue:

Es geht um das Kaltstellen des Parlaments kurz vor der größten politischen Entscheidung der jüngeren Geschichte des Landes. Ist das mit den Grundprinzipien einer Demokratie vereinbar?

Hallo,

da fallen mir ein paar andere Fragen ein:
Wo ist das Problem? Das Parlament wird regelmäßig zum Saisonende beurlaubt. Und es ist auch nicht die längste Beurlaubung der Geschichte. Selbst der Speaker of the House räumt ein, daß die Beurlaubung rechtlich nicht zu beanstanden ist, auch wenn allen klar ist, welches Ziel Johnson verfolgt.

Was ist daran neu oder außergewöhnlich? Vorhandene Möglichkeiten zum Mißbrauch werden eben für eigene Zwecke ausgenutzt. Das ist in Großbritannien nicht anders als hier (man denke nur an die fragwürdigen Mißtrauensvoten vom Dezember '82 und Juli 2005) und im politischen Bereich nicht anders als im privaten.

Was würde es ändern, wenn das Parlament stattdessen tagen würde? Das Parlament hat inzwischen wohl an die 500 mal über das Thema debattiert und an die zehnmal über diverse Pläne und Vorschläge abgestimmt. Wer glaubt ernsthaft, daß ein paar Sitzungen in der Endphase der Verlängerung der Verlängerung ernsthaft etwas ändern würden? Im Parlament sitzen immer noch die gleichen Leute, die immer noch die gleichen - teilweise in sich widersprechenden - Standpunkte vertreten.

Insbesondere angesichts des letzten Punktes erscheint mir der allgemeine öffentliche Aufschrei doch sehr aufgesetzt - insbesondere seitens der Parlamentarier und der Wähler. Erstere haben die Nummer doch über nun drei Jahre verbockt und zweitere haben doch bei der Europawahl die Brexit-Partei zur stärksten Gruppe gewählt - also ist doch der ungeordnete Brexit anscheinend der Wille zumindest der einfachen Mehrheit der Wähler. Ob sich da 650 Leute noch ein paarmal Gedanken dazu machen, wie sie die EU dazu zwingen können, sich den Maximalforderungen der Briten anzuschließen oder wie man aus der EU austreten und dennoch weiterhin alle Vorteile behalten kann usw. oder nicht und sich dann wieder nicht einigen können, ist am Ende doch völlig ohne Belang.

Sich darüber aufzuregen, daß Johnson einen cleveren Schachzug hingelegt hat, scheint einfacher zu sein als das eigene Verhalten zu reflektieren.

C.

Der sieht doch schon genauso aus, ist bestimmt ein Verwandter (im Geiste sowieso). Und dann heisst er auch noch Boris. Der ist doch das Bindeglied zwischen Trump und Putin, nachdem alle suchen.

Ist das Verhalten des britischen Parlaments in den letzten zwei, drei Jahren mit den Grundprinzipien einer Demokratie vereinbar? Könnte man genauso sagen. Und in beiden Fällen lautet die Antwort: sie haben nichts illegales gemacht, sondern sich nur unmoralisch und taktisch verhalten.

Und noch einmal: wieso glaubt jetzt irgendjemand, in den paar Wochen hätte das Parlament irgendetwas erreicht, was man (mit den gleichen Leuten!) nicht hätte erreichen können? Nichts hat sich geändert und nichts hätte sich geändert. Es sind die gleichen Leute, die immer noch die gleichen blöden und unrealistischen und nicht konsensfähigen Vorstellungen haben. Genauso gut hätte man die Leute schon im Januar in den Urlaub schicken können.

Dass rechtlich etwas daran auszusetzen wäre, hat auch keiner behauptet, oder?

Für dich ist das also ein Missbrauch seitens Johnsons?

Wie du sehr genau weißt, geht es hier nicht um den Brexit als Ganzes sondern einen möglichen harter Brexit ohne Abkommen. Johnson scheint das in Kauf nehmen zu wollen, das Parlament hingegen hat bei den von dir genannten Abstimmungen recht deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es genau das nicht will (wobei es nicht in der Lage ist zu entscheiden, was es will).

Worauf genau spielst du da an?

Und noch einmal: Es geht darum, dass das Parlament genau eine Sache weiß: Es will keinen harten Brexit. Ob ein solcher droht, lässt sich logischerweise erst gegen Ende der Frist mit Bestimmtheit sagen. Dein Verweis auf vergangene Diskussionen ist also völlig sinnfrei.

Ha! Es wäre aber viel interesanter zu wissen, was der Chief Mouser to the Cabinet Office dazu sagt. 5Wochen ohne Maus. Miautsch?

Da es immer mal wieder mitklingt, wollte ich klarstellen, daß dem nicht so ist.

Für Dich nicht? Warum dann die Frage?

Die Parlamentarier haben durch ihr Verhalten sehenden Auges auf einen Ausstieg Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen hingearbeitet. Die Abgebordneten haben zusammen mit Theresa May selber darauf hingearbeitet, daß sie die den sich selbst vergebenen Auftrag nicht erfüllen konnte und sie haben davon auch nicht abgelassen, als klar wurde, daß ihr Johnson nachfolgen würde, der für den Austritt unter Erfüllung aller Forderungen Großbritanniens oder eben einen Austritt ohne Vertrag stand. Und nicht zuletzt hat die Mehrheit der Konservativen Abgeordneten für ihn als Parteivorsitzenden gestimmt. Die Briten selber haben bei der Europawahl mit über 30% für die Brexit-Partei gestimmt.

Wenn sich jetzt einer hinstellt und behauptet, daß Johnson dem Parlament die Chance genommen hat, nun auf den letzten Metern eine Lösung hinzubekommen, was nach konservativer Rechnung seit dem 14.11.2018 und eigentlich seit drei Jahren nicht gelungen ist, ist ein Phantast, ein Lügner oder ein Idiot. Der Punkt ist, daß die Standpunkte nicht vereinbar sind und es auch keine Kompromisse geben kann und vor allem am Ende die EU auch ein Wörtchen mitzureden hat.

Der Zwangsurlaub mag umstritten, unmoralisch, ungewöhnlich, genial, ein Faustschlag ins Gesicht der Demokratie und der Verfassung sein(oder alles davon), aber eines ist er nicht: das entscheidende Hemmnis für die Lösung des Problems durch das Unterhaus.

Wenn ich mit verbundenen Augen volltrunken in ein fahrendes Kraftfahrzeug springe und den Fahrersitz übernehme, dann kann man hinterher sicherlich behaupten, daß man alles wollte, nur keinen Unfall, aber der mitdenkende Außenstehende denkt sich: „spinnt der oder was?“.

Im übrigen zeichnet sich schon wieder etwas ab, das ich schon einmal anmerkte, daß Du nämlich nach Meinungen fragst und solche, die Dir anscheinend nicht gefallen, anschließend auf die Dir eigene Art kritisierst. Interessanterweise liest man von Dir aber keine Meinung, sondern kann die allenfalls zwischen Deinen teilweise sehr speziellen Formulierungen (um es höflich zu formulieren) erahnen.

Finde ich wenig cool, die Art.

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Ich wollte nur sicher gehen, ob ich dich richtig verstanden habe. Sonst heißt es ja gerne, man würde dem anderen etwas unterstellen.

Dann ist es ja gut, dass das (zumindest hier) keiner macht.

Bei meiner Frage dachte ich eher an konkrete Beispiele für deine Behauptung.

Was meinst du damit? Dass ich Fragen stelle und gerne Belege bzw. Beispiele für Behauptungen habe? Und seit wann ist es nicht mehr erlaubt, Meinungen, die nicht mit der eigenen übereinstimmen, zu kommentieren? Du selber hast in der Hinsicht ja auch noch nie irgendwelche Hemmungen an den Tag gelegt.

Das könnte daran liegen, dass ich versuche Fragen neutral zu formulieren. Ansonsten würde doch sofort der Vorwurf kommen, ich würde nur Scheinfragen stellen und dabei nur meine eigene Meinung zum Besten geben. Es gibt übrigens eine ganz einfache Möglichkeit, meine Meinung zu erfahren: Frag mich.

Allerdings hätte ich gedacht, dass meine Ablehnung Johnsons Manöver gegenüber ziemlich deutlich rüber kommt Um es deutlicher zu machen: Ich sehe hier ebenfalls einen Missbrauch, bei dem die britische Demokratie mutwillig ausgehebelt wird. Johnson scheint zu glauben, auf solche Tricks zurückgreifen zu müssen, was ja schon alleine für sich Bände spricht.

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Wenn man sich anschaut, was allein im Zusammenhang mit der Debatte über den Vertrag vorgeschlagen und abgelehnt worden ist, kann man doch eigentlich zu keinem anderen Ergebnis kommen. Es sind mehrfach praktisch alle denkbaren Lösungen (und einige andere) auf dem Tisch gewesen - bis hin zu dem Vorschlag, über einen Austritt ohne Vertrag zwei Tage vor dem Termin abzustimmen und wenn dann keine Mehrheit zustande käme, den Antrag auf Austritt zurückzuziehen.

Wenn das Parlament so vehement gegen einen ungeregelten Austritt wäre, hätte man da ja wenigstens zustimmen können. Aber auch hier: nö. Fehlende Jastimmen: 55 bzw. 51 bei der zweiten Runde.

Sogar der Malhouse Plan B, der im Prinzip ja die Maximalforderung darstellt (d.h. Austritt mit Vertrag, aber ohne Rückfalllösung), hat keine Mehrheit bekommen. Ja, was denn noch? Übrigens war der Vorschlag mit den wenigsten fehlenden Stimmen der Austritt mit Verbleib in der Zollunion. Also das, was man eigentlich am wenigsten wollte. Aber wenn man sich darauf schon fast (um zwei bzw. drei Stimmen verfehlt) einigen konnte, warum hat’s dann nicht mit anderen Vorschlägen geklappt, die entweder harmloser oder noch drastischer waren? Weil es nicht um die Sache oder das Wohl des Volkes oder des Landes geht, sondern um die eigene Profilierung, um Fraktionsraison oder einfach um den Versuch, dem politischen Gegner eins auszuwischen.

Das ist unwürdiges, undemokratisches Verhalten.

Eigentlich sehe ich bei den von dir geschilderten Vorfällen ein völlig normales, demokratisches Verhalten. Man könnte ja auf auch auf die Idee kommen, dass das damalige Referendum undemokratisch war. Meinst du, dass es beim Volk eine Mehrheit gäbe, wenn man ihm die verschiedenen Brexitvarianten in einer Befragung vorlegen würde?

Die ehrlichste Lösung wäre ein neues Refrendum mit den Möglichkeiten ‚Remain‘ und ‚Hard Brexit‘. Alles andere ist pure Augenauswischerei, wie uns die letzten Jahre so eindrucksvoll gezeigt wurde. Man kann das Parlament nicht vor eine unmögliche Aufgabe stellen und sich dann wundern, wenn es daran scheitert.

Normal ist, daß man sich in einer zentralen politischen Frage entweder auf einen Kompromiß einigt oder - sofern der über einen gewissen Zeitraum nicht zu finden ist - Neuwahlen veranstaltet. Nicht, daß man immer und immer wieder über das gleiche abstimmt und das in der Gewißheit, daß ich für die umsetzbaren Varianten keine Mehrheit finde und für die nicht umsetzbaren entweder auch nicht oder - falls doch irgendwann - sie nicht umsetzen kann, weil die EU nicht mitspielt.

Der Fehler lag darin, daß man den Leuten gar keine präzise bezeichneten Alternativen, sondern nur eine Frage zur Abstimmung vorgelegt hat:
Should the United Kingdom remain a member of the European Union or leave the European Union?
O Remain a member of the European Union
O Leave the European Union”

Aus der knappen Mehrheit haben die politischen Lager das gemacht, was sie meinten, in das „leave“ hineininterpretieren zu müssen. Da stellte sich dann heraus, daß es da mehr als nur ein reines „remain“ oder „leave“ gab, sondern zumindest im Bereich „leave“ ein ganzes Bündel und das noch verschärft dadurch, daß die EU da auch noch ein Wörtchen mitzureden hatte.

Mit Demokratie hat das sich im folgenden darbietende Theaterstück nichts mehr zu tun gehabt. Man sich zum einen nicht die Mühe gemacht, den Bürger zu fragen, was er denn eigentlich mit „leave“ genau gemeint hatte, zum anderen hat jedes Lager für sich beansprucht, über die einzig gültige Interpretation des „leave“ zu verfügen.

Unwahrscheinlich, aber dann wäre das eben so gewesen. Das ganze Referendum war eine absolut überflüssige, nicht durchdachte, übers Knie gebrochene und von persönlichen Motiven durchsetzte Angelegenheit.

Das Parlament hat sich selbst vor diese Aufgabe gestellt, indem es daran festhielt, selber auszukaspern, was denn wohl der Bürger gemeint haben könnte - also die Deutungshoheit für sich selbst beansprucht. Insofern hätte man spätestens, als die Sache offensichtlich knifflig wurde (also im Herbst letzten Jahres), den Bürger erneut fragen müssen (mal abgesehen vom Wahlkampf, der mit vielen Lügen entschieden wurde). Aber selbst darauf konnte man sich ja im März und April nicht einigen können.

Wie ich sagte: unwürdig und undemokratisch. Ich suggeriere, daß es eine einfache ja/nein-Geschichte wird. Ich stelle fest, daß es das nicht ist. Ich stelle fest, daß ich mich nicht auf eine Vorgehensweise einigen kann. Ich beharre auf dem Standpunkt, daß ich die Deutungshoheit habe. Und selbst obwohl ich merke, daß es verschiedene Ansätze gibt, obwohl man sich offensichtlich nicht auf einen einigen kann, obwohl man weiß, daß das Ergebnis des Referendums erlogen wurde, obwohl man weiß, daß der Bürger inzwischen anders entscheiden würde und obwohl man absehen kann, daß das eigene Verhalten großen Schaden über Großbritannien bringen wird, verweigert man sich sowohl einer Einigung im Parlament als auch einer neuen Befragung der Bevölkerung.

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