bräuchte - brauchte und sonstige Kuriositäten

Hey!
„… bräuchte …“ Andauernd höre ich solche Patzer. Vorallem während Radioansagen. Kennt ihr andere sprachliche Patzer. Ich bin sehr gespannt.

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ganz unten…

Hey!
„… bräuchte …“ Andauernd höre ich solche Patzer. Vorallem
während Radioansagen. Kennt ihr andere sprachliche Patzer. Ich
bin sehr gespannt.

Frage:
Klingt ein Satz wie „Ich brauchte mal den Schraubenzieher dort drüben.“ richtig? Das klingt absolut falsch in meinen Ohren.
Und bei „Wenn ich der Schraubenzieher hätte, brauchte ich dich ja nicht zu fragen!“? Der Satz klingt für mich auch nicht wirklich richtig…

Ich denke, die Form „brauchte“ ist in Deutschland langsam auf ihrem wohlverdienten Rückzug (ähnlich wie „gewinkt“, scheint mir). Ich persönlich halte nichts von übertriebenem Präskriptivismus.

Gruß,

  • André

Hey!

Es ist ein bekanntes Phänomen, dass man unvertraute Sprachvarianten vorschnell als Kuriositäten und gar als Patzer betrachtet, ohne zu bedenken, ob sie vielleicht sinnvoll sind.

Dialekte - und nicht nur die süddeutschen - bieten in manchen Fällen Ausdrucksmöglichkeiten an, die denen der Standardsprache überlegen sind, auch wenn sie von Sprachpflegern als nicht korrekt abgetan werden.

Der Umlaut wird im im Schwäbischen z. B. weit häufiger eingesetzt als in der Standardsprache und erreicht dadurch klarere Formen.

Der Plural von Wagen wird etwa zu Wägen und man kann Bögen, Krägen, Läger, Dörner und Schlücke hören. Wunderschön eindeutige Pluralformen, die du wohl gern Pätzer nenntest oder nennen tätest , wenn du diese Formen kenntest oder kennen tätest.

Dies ist eine weitere Variante des Dialekts: „tun“ als Hilfverb für den Konjunktiversatz; anstelle von „würde“.

Ebenso kann beim Vern „haben“ der Konjunktiv I mit Umlaut gebildet werden, sodass es nicht nötig ist zur Verdeutlichung den Konjunktiv II zu gebrauchen.

Sie sagten, sie häben nicht genug Geld dabei.

Ebenso ist Er bräuchte heute keinen Schirm. eindeutig Konjunktiv II und man braucht dann nicht die Umschreibung mit „würde + Infinitiv“, um einer Verwechslung mit dem Präteritum vorzubeugen.

Kurz gesagt, man sollte nicht unvertraute Formen vorschnell verächtlich betrachten, sondern sich an der Vielfalt der deutschen Sprache freuen.

Gruß Fritz

Guten Tag,

ein paar Kuriositäten aus meiner saarländischen Urheimat:

  • ich habe kalt/warm (wohl analog zum Französischen: j’ai froid/chaud)

  • das Verb nehmen existiert nicht, es gibt nur holen : ich habe 3 Kilo abgeholt; ich hole Urlaub; ich habe vergessen, meine Medizin einzuholen

  • das Passiv wird nicht mit werden , sondern mit geben gebildet: „Wann gibt die Zeitung gebracht?“

  • man schreibt nicht mit einem Kugelschreiber, sondern mit einem Dauerschreiber

Da ich nun aber fast 30 Jahre lang im Exil lebe, kann ich einigermaßen richtig Deutsch reden.

Gruß
Pit

Du sprichst mir aus der Seele, Fritz!
Gewinkt und wöllte sind auch noch nette Beispiele, die man häufiger hört und die sich steigender Beliebtheit zu erfreuen scheinen.

Gruß,

  • André

Servus Fritz,

schönen Dank für die schöne und prägnante Darstellung!

Mich juckt es allerdings, sie mit dem Krümelchen zu verwässern, dass im Fall „Lager“ die Pluralbildungen „Läger“ und „Lager“ zwei verschiedene Dinge bezeichnen: Das erste sind die Orte, an denen Material und Waren lagern, das zweite sind die technischen Bauteile, in oder auf denen z.B. Achsen, Brücken etc. gelagert sind.

Schöne Grüße

MM

Dialekte - und nicht nur die süddeutschen - bieten in manchen Fällen :Ausdrucksmöglichkeiten an, die denen der Standardsprache überlegen :sind, auch wenn sie von Sprachpflegern als nicht korrekt abgetan :werden.

Hallo Fritz,

das hat wieder mal ein Sternchen verdient.
Dialekte sind wirklich in vielen Dingen malerischer und ausdrucksstärker als das reine Hochdeutsch. Sogar im Kohlenpott.

„Er ist am (beim) Essen.“ ist eigentlich eine genauere Aussage als „Er isst.“ (Was ist er denn?)
Vor allem erleichtern künstlich verlängerte Sätze oft die Verständlichkeit.

Und bei „Boah, is dat wieder am Plästern!“ höre ich den Regen weit mehr rauschen als bei „Oh, es regnet schon wieder sehr stark!“

Und das schreibt jemand, der seinen ersten Dialekt im Allgäu gelernt, aber leider größtenteils wieder vergessen hat. Eins fällt mir gerade noch ein, ein Bonbon war „a Gutsle“, also deutsch statt französisch.

Gruß Nemo.

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Servus, Martin!

schönen Dank für die schöne und prägnante Darstellung!

Oh, das war mir ein Vergnügen. Hierzu aber:

Mich juckt es allerdings, sie mit dem Krümelchen zu verwässern, dass im Fall „Lager“ die Pluralbildungen „Läger“ und „Lager“ zwei verschiedene Dinge bezeichnen: Das erste sind die Orte, an denen Material und Waren lagern, das zweite sind die technischen Bauteile, in oder auf denen z.B. Achsen, Brücken etc. gelagert sind.

gebe ich zu bedenken, dass ich in der Dudengrammatik (6. Auflage 1998) im **§ 391: Pluralvarianten ohne Bedeutungsunterschied finde:

das Lager die Lager| die Läger ((bes. südd. u. Kaufm.)**

Ich glaubte mich also auf der sicheren Seite.

Im dicken Duden dagegen finde ich:

_ La|ger, das; -s, - u. Läger

4. : a) Platz, Raum, Gebäude für die Lagerung des Warenbestandes, -vorrats: das L. ist leer; ein L. leiten, verwalten; im L. arbeiten; das L. (die Lagerverwaltung) hat einen Lieferschein ausgestellt; (Kaufmannsspr.:smile: Lieferung ab, frei L.; das Ersatzteil haben wir nicht am/auf L.; *etw. auf L. haben (ugs.; etw., was zur Unterhaltung, Überraschung beiträgt, bereit haben): immer ein paar Witze auf L. haben; b) gelagerter Warenvorrat, -bestand: sich ein L. an/von Vorräten anlegen; c) (ugs.) in einem Lager …

6. a) (Technik) Maschinenelement, das ein anderes drehendes od. schwingendes Teil aufnimmt, trägt od. führt: das L. ölen; b) (Bauw.) Bauteil, das Lasten (von Balken, Tragwerken) aufnimmt u. auf einen stützenden Körper überträgt.

© Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001_

Der sieht also einen Unterschied wie du. Im Haus Duden scheint die eine Hand nicht zu wissen, wohin der andere Fuß geht. :wink:
Man sollte die Leute dort vielleicht vielleicht auf die Diskrepanz aufmerksam machen.

Schöne Grüße
Fritz

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„Er ist am (beim) Essen.“ ist eigentlich eine genauere Aussage
als „Er isst.“ (Was ist er denn?)

Das ist mir schon oft ein Rätsel, dass es fast in alles mir bekannten (auch nicht-indo-europäischen) Sprachen so 'ne Konstruktion für die Verlaufsform gibt, entweder als „am Essen sein“ oder als „essend sein“. Nur auf Deutsch kann man das aus mir unerfindlichen Gründen nicht sagen („Ich bin essend“ ist zwar grammatisch, aber kein schöner Ausdruck).

Gruß,

  • André

Grüß Dich Andre,
ja „wöllte“ habe ich in Dresden auch schon einmal gehört.
Die südbairische Variante davon ist „wellet“.
Möglicherweise gibt es diese Variante auch in
schwäbisch-Alemannischen…
Servus
Roland

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Moin, Roland,

Die südbairische Variante davon ist „wellet“.

wo zum Geier ist denn Südbayern? Südlich der Donau? Und „wellet“ kenne ich nur aus dem westlichen Allgäu, wobei mir das nicht sehr bairisch klingt.

Gruß Ralf

Grüß Dich Ralf,
Südbayern ist auf jeden Fall südlich der Donau, aber
nicht alles südlich der Donau ist Südbayern und erst recht
nicht südbairisch … :wink:
„Wellen“ sagt man z.B. in den südbairischen Dialekten in
Tirol und Südtirol.

wobei mir das nicht sehr bairisch klingt.

So kann man sich täuschen :wink:
Pfiat Gott,
Roland

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

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Hallo Patrick,

Von einem Ruhrpottler inner Kneipe:" Wem iss die Fahrrad vor die Tür?"
Mir hat es fast die Schuhe ausgezogen ob dieser Vergewaltigung.

Ralph