Servus Tigger,
Also, braucht Österreich (Deutschland, Schweiz usw…) eine
Luftverteidigung? Was meint Ihr?
das ist durchaus auch eine politische Frage. Ich würde nicht
sagen, dass wir ausschließlich nur von Freunden umgeben sind,
ich schon
sondern eher, dass wir keine Feinde an den Grenzen haben. Du
siehst ja, dass die einzelnen EU-Staaten durchaus verschiedene
Vorstellungen von Sicherheitspolitik haben, denken wir nur an
das Befremden, welches in der EU aufgrund der
polnisch-tschechisch-amerikanischen
Anti-Raketen-Raketenstaionierungspläne entstand. Denken wir
auch daran, dass auch EU-Staaten der „Koalition der Willigen“
anghörten, die dann gegen den Irak in den Krieg zog, während
sich andere EU-Staaten verweigerten.
Ja, natürlich. Und die Unterschiede gehen noch weiter: Westen und Osten. Süden und Norden. Selbstverständlich haben die Länder unterschiedliche Ausgangslagen und Interessen. Wollen alle etwas anderes von der EU. Und doch: Sie haben sich zusammengefunden. Freunde sind sich selten einig, und bilden dennoch eine Gemeinschaft.
Ich glaube, solange es
noch keine wirklich gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik
der EU gibt und die USA auf ziemlich miese Weise versuchen,
die NATO in einen US- und einen EU-Block zu spalten, sind wir
ganz gut beraten, uns nicht auf solche „Freunde“ zu verlassen,
die an völkerrechtswidrigen Kriegen teilnehmen und ohne
Absprache mit ihren direkten Nachbarn militärische Planungen
mit weiteren Staaten vornehmen. Ich glaube schon, dass auch
die anderen EU-Staaten für uns einstehen würden. Natürlich
auch die USA. Aber um guten Glauben geht es hier nicht,
sondern um nackte Sicherheitsfragen.
Ja, die Einigkeit bei der Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen innerhalb der Gemeinschaft ist ebenso brüchig wie in den meisten Fragen. Aber bei so einer großen Gemeinschaft wäre anderes ein Wunder. Ich bin der Meinung, Österreich müsste andere Schlüsse ziehen, als große Staaten. Österreich hat weniger Einwohner als Bayern. Also, was tun? Österreich ist anders als die Schweiz nicht besonders wehrhaft. 18 Abfangjäger mehr oder weniger ändern da nicht viel. Noch vor 20 Jahren wäre es ein Sakrileg gewesen an der Neutralität zu kratzen. Der Beitritt zur EU hat sie ohnehin in Frage gestellt. Meine Meinung: eine Teilname an einem Sicherheitsbündnis (würde selbstverständlich bei einer Aggression von EU-Staaten außer Kraft treten) sollte überlegt werden. Das Hauptaugenmerk eines solchen Bündnisses müsste Friedenssicherung sein. Mir ist bewusst, dass dann von der Neutralität fast nichts mehr übrig bleibt. Wenn das bedingt, dass wir Abfangjäger brauchen, OK. So lange Österreich in diesen Dingen allein steht sollten wir uns keine Illusion machen: Wir können keinen Krieg gewinnen, gegen keinen Nachbarstaat (außer Liechtenstein). (Sorry, Edith). Also bitte: keine Sandkastenspiele, vernünftige friedenssichernde Sicherheitspolitik ist gefragt.
Eine weiterer Punkt wäre sicherlich das Befremden, das bei
unseren Nachbarn ausgelöst würde, wenn wir ihnen sagen würden,
dass sie doch nun bitte unsere Luftverteidigung übernehmen
sollten, weil uns das alles viel zu teuer wäre, frei nach dem
Motto: Warum sollten wir uns für teures Geld selber
verteidigen, wenn das doch die anderen für uns übernehmen
können.
Übrigens stimme ich einigen meiner Vorredner durchaus darin
zu, dass man tatsächlich nicht weiß, wie die Welt in 20 Jahren
aussieht. Die USA verhalten sich derzeit überaus aggressiv,
aber auch Russland ist zur Zeit alles andere als eine
friedliche Demokratie. Unlängst warnte Russland vor einem
neuen Kalten Krieg, Russland stellt nagelneue
Interkontinentalraketen in Dienst, bastelt - nicht weniger als
die USA - an hochmodernen Angriffswaffen, und ein
Raketenschild, über dessen amerikanisches Pendant man sich
allerorten so gerne empört, ist in Russland seit diesem Jahr
Realität. Und man darf auch annehmen, dass Russland es ohne
langes Nachfragen in seinen Bündnisstaaten aufgestellt hätte,
wenn Russland Bündnisstaaten hätte. In Weißrussland,
unmittelbar an der polnischen Ostgrenze, sitzt ein Diktator im
Regierungspräsidium, der mit harter Hand gegen die Opposition
vorgeht. Niemand weiß, wann es im Nahen Osten zum großen Knall
kommt. Ich glaube, die Welt ist längst nicht so sicher, wie
sie viele Friedenspolitiker gerne sehen möchten.
Ja, ok. Ein weiterer Punkt für gemeinsame Friedenssicherung. Österreich allein könnte in diesem Fall nichts ausrichten. Deutschland allein wohl auch nicht. Das soll nicht heißen, dass dieses Bündnis an Aktionen wie z. B. Irak teilnehmen soll. Außer wenn sie von der UNO befürwortet. Wenn einzelne EU-Staaten das tun, ist das nicht schön, aber dann deren Sache.
Wenn ein Land Sicherheit haben will, dann bedeutet das
natürlich, sich auch gegen unwahrscheinliche Bedrohungen
wehren zu können. Das ist die Idee von Sicherheit. Weil wir
hier in Europa heute halbwegs sicher sind, bedeutet das nicht,
dass sich die Lage in 5, 10 oder 15 Jahren nicht grundlegend
gewandelt haben kann. Daher bin ich ein großer Befürworter
einer einer gemeinsamen EU-Streitmacht, die die nationalen
Streitkräfte der EU nach und nach ablöst. Aber solange das
nicht der Fall ist, sollten wir unsere
Verteidigungsfähigkeiten schon selbst kontrollieren können,
und dazu gehört m. E. dann auch eine eigene Luftverteidigung.
OK, aber wie sieht es mit anderen Bedrohungen aus: Naturkatastrophen usw. 2002 hat gezeigt, dass wir hier noch viel nachzuholen hätten. Und wenn sich die Lage wirklich ändert, dann haben wir Zeit zu reagieren. Aber dann nur in einem Bündnis mit der EU. Das gilt jetzt nur für Österreich: So weiterwursteln wie bisher bringt nichts. Mit oder ohne Abfangjäger. Wenn es innerhalb eines Bündnisses notwendig ist, die Flieger zu haben, dann ist es für mich OK. Aber bis dahin können wir ohnehin nur auf Gott und oder dem Schicksal vertrauen. Ok, ich merke ich wiederhole mich. Verzeihung. … ist schon spät.
Servus
Herbert