Bürgergeld und Grundsicherung

Hallo. Mal eine Frage. Bin politisch nicht ganz so gebildet. Ich höre immer wieder in den Nachrichten die Debatte über Bürgergeld…

Habe ich das jetzt richtig verstanden, das Arbeitslose Bürgergeldanspruch haben und Rentner sowie Erwerbsunfähige Grundsicherung ? Oder Grundsicherung auch bei Personen die kein hohem Rentenanspruch haben. ?

Danke

Das ist schon richtig so.

MfG
duck313

Arbeitslose haben zunächst einmal Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das Bürgergeld greift erst nach einer gewissen Zeit der Arbeitslosigkeit.

Das Bürgergeld ist derzeit vor allem deshalb in den Medien, weil es extrem verschärft werden soll.

Nach dem Willen der Bundesregierung wird das Bürgergeld zukünftig noch viel restriktiver sein als es Hartz4 jemals war um mehr Anreize zu setzen, freiwillig wieder in Arbeit zu gehen.

Da es aber nicht annähernd genügend offene Stellen gibt, ist dieses Unterfangen schon rein mathematisch nicht möglich - das Ganze wird also wieder in massive Schikane gegenüber denen münden, die es eh schon schwer haben.

Das Ganze dient natürlich in erster Linie dem Ziel, die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer zu schwächen - aber das war ja schon bei Hartz4 so.

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Nur CDU/CSU und AFD wollen kürzen …AFD incl dem Angebot zur Zwangsarbeit :stuck_out_tongue_closed_eyes:

Das es nicht genügend offene Stellen gibt, ist allerdings nicht richtig - es gibt sie schon, aber häufig in anderen Bundesländern, was mit Umzügen verbunden wäre oder doppelter Haushaltsführung was eben manche Bürgergeldempfänger einfach nicht leisten können.

Doch ist es. Es gibt derzeit etwa 1 ,56 M sofort zu besetzender Stellen (Quelle IAB), denen 2,73 M offiziell als arbeitssuchend Gemeldete gegenüber stehen.

Das ist nicht der Fall. Die aktuellen Pläne erlauben auch massive Kürzungen bei kleinen Übertretungen und die sind ja wohl von der SPD-Regierung gemacht worden. Der Kollege Höfgen hat das hier mal gut zusammengefasst:

https://www.youtube.com/watch?v=22Ssx0UA4_M

wollen, wäre das richtige Verb. Wollen

Aber lasst uns doch ruhig mal in Zahlen reden. Weg von den Beschimpfungen der Menschen am unteren Rand der Gesellschaft, hin zu Fakten.

Die Populisten regen sich maßlos über die „Totalverweigerer“ auf, die (zumindest behauptet das Lindner) eines der größten wirtschaftlichen Probleme Deutschlands seien.

(Alle folgenden Daten der Tagesschau entnommen (Datum des Beitrags: 18.03.2024))

Von Januar bis November 2023 waren etwa 5,5 Mio Menschen berechtigt Bürgergeld zu beziehen. In 201.465 Fällen wurden Leistungen gemindert. Das sind 3,6 %. Nein. Sind es nicht. Mehrfachminderungen einzelner Personen werden mehrfach gezählt. Man muss also korrekt formulieren weniger als 3,6 % aller Bezugsberechtigten wurden sanktioniert. 80 % der Sanktionen sind auf Meldesäumnisse zurück zu führen, also nicht Arbeitsverweigerung sondern Unzuverlässigkeit ist hier der Grund.

Die sogenannten Totalverweigerer werden gar nicht erfasst. Aber

Statistisch erfasst werde aber der Minderungsgrund „Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses“, bei dem auch Weiterbildungen und Qualifikationen berücksichtigt werden. Dabei zeigt sich, dass es in den ersten elf Monaten des Jahres 2023 insgesamt 13.838 Fälle gab.

Das sind von den 5,5 Mio Bezugsberechtigten 0,25 %. Oder von allen etwa 46 Mio Erwerbsfähigen etwa 0,03 %.

Wegen dieser etwa 0,03 % aller Erwerbsfähigen, die ihre Arbeitskraft, aus welchen Gründen auch immer, nicht dem Volkskörper zur Verfügung stellen, wird so ein Aufriss gemacht? Wegen dieser knapp 14 Tausend Fällen soll die Volkswirtschaft kurz vor dem Scheitern sein?

Kurz mal nachgedacht: wie hoch mag der Schaden durch diese 14 Tausend Fälle sein? Wie hoch ist der Schaden durch CumEx und CumCum? Wie hoch ist der Schaden durch die Aussetzung der Vermögenssteuer? Wie hoch ist der „Schaden“ durch Schlupflöcher bei Schenkungs- und Erbschaftsteuer?

Sind wirklich die 14 Tausend Fälle das Problem für die Deutsche Wirtschaft und den Deutschen Sozialstaat?

… und der Ablenkung der Mittelschicht, damit die nach unten tritt, statt nach oben zu revolutionieren …

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Genau diese schwachsinnige Unterstellung wird vom Populisten verbreitet und sie ist schlicht und einfach nicht wahr :woman_shrugging:t3:

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Weil die Daten ein wenig alt sind und Merz’ens Chefeinpeitscher dieser Tage in einem Interview von einer sechsstelligen Zahl an Totalverweigerern halluzinierte, hier noch mal vom Fokus der Faktenstand zusammengefasst:

Also nichts neues in den letzten gut 4 Monaten.

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Ich habe wahrhaftig keinen besonders großen Bekanntenkreis. Aber es ist (zumindest für mich) schon erschreckend wie viele ich kennengelernt habe die auf der Schiene reiten.
Angefangen von Mitarbeiter in einfachsten Tätigkeiten bekommt Mindestlohn, erhält Wohngeld. Hat 2 Kinder, Frau putzt schwarz, jammert hat kein Platz zuhause weil eines der Kinderzimmer untervermietet an Cousin aus italien der auch schwarz hier arbeitet. Gebeten bezahlte Überstunden zu leisten lehnt er ab, weil der Mehrlohn sonst auf sein Wohngeld angerechnet wird. Macht natürlich auch nicht unbezahlte Überstunden stattdessen.
Mitarbeiterin 10 Jahre bei mir tätig 17 Euro Stundenlohn Lagerarbeiterin, ländliche Gegend!, Relativ problemlos, Ehemann hat in den 10 Jahren 6 verschiedene Arbeitsstellen (Schornsteinfeger) endlose Krankzeiten, abgebroche Umschulung. arbeitet während der aA-losigkeit schwarz bei seinen ex-Arbeitgebern tageweise auf Zuruf. 3 Monate vor ihrem 10jährigen macht sie (mit Ansage) auf krank. Hoffe, das Sie zur Besinnung kommt und gebe ihr Zeit. Bei unserem letzten Gespräch sagt sie mir unverblümt, sie will versuchen in Frührente, sie hat natürlich eine „weiße“ weste mit 10 Jahren arbeiten bei einem A-geber.
Ihre Freundin (kenne ich auch), das blühende Leben, mit 55 auf Burn out Frührentner, hat Erfahrung wie das geht und hilft ihr dabei. Bis jetzt 3 Jahre danach noch immer keine Arbeit, werder bei Ihr noch bei ihrem Mann.
In der Nachbarschaft, eine Frau kassiert die >Hälfte des Jahres Hilfe und geht seit >10 Jahren beim gleichen Konzern für 4 - 6 Monate je nach Arbeitsanfall Saison arbeiten. Das Amt (Aussage der Frau) hält die Füsse still, weil sie eine ist die wenigstens ein paar Monate im Jahr „freiwillig“ arbeitet.
Auch in der Nachbarschaft; dauerangesoffener „Frührentner“ ex-Landschaftsgärtner, gestaltet seinen großen Garten in Eigenleistung incl. riesiger Findlinge die er selbst von den Feldern oder Steinablageplätze holte in eine Parkähnliche Landschaft um. Hat dauerarbeitslos „gemacht“ in dem er ständig von den paar in Frage kommenden A-Gebern wegen Krankheit rausgeschmissen wurde. Blöckt angesoffen großspurig rum, bin doch nicht doof zu arbeiten wenns so auch geht.
Ich will meine Einlieferwohnung nähe Frankfurt vermieten, ein Bewerber gibt auf die Frage an wo er arbeitet, er sei a-los. Auf meinen skeptischen Blick, schiebt er nach, ich solle mir aber keine Sorgen um die Miete machen, er arbeite bei seinem Bruder, der einen Dachdeckerbetrieb habe 6 Tage die Woche schwarz, da käme ordentlich was bei rum.
Gefühlt könnte ich noch 20 andere die ich in den letzten 4-5 Jahren erlebt habe hier aufführen mal mehr mal weniger krass. Das will ich mir aber nicht antun sonst ist der Tag für mich gelaufen.

Vielleicht kenne ich, oder bin ich begegnet, zufällig viele von den 14k! Aber die von mir geschilderten Fälle und die die mir sonst noch persönlich bekannt sind, die kommen noch zu denen dazu, von denen ich bei Gesprächen erfahre.
Nichtsdestotrotz, bin ich ein Befürworter eines Sozialstaates, aber nicht in diesem ausufernden Maßen. Teilhabe ja, aber auf einem Level der eigene Initiative fordert. Egal ob krank, faul oder doof.
Habe mir selbst den Tach versaut. ich glaube ich melde mir ab!

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Es ging um den Themenkomplex Bürgergeld, Sanktionierungen, Arbeitsverweigerung und Co. und nicht um Menschen, die sich gesetzwidrig verhalten, indem sie dem Staat Sozialabgaben und Steuern durch sog. Schwarzarbeit vorenthalten und damit Ordnungswidrigkeiten bzw. im Regelfall auch Straftaten begehen.

Das ist ein völlig anderer Sachverhalt. Die Leute hält man von ihrem Tun ganz sicher nicht dadurch ab, dass man die Sanktionen für arbeitsunwillige Bürgergeldempfänger verschärft oder die Höhe des Bürgergeldes generell reduziert.

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Na ja, das ist schon ein Gesamtkomplex, und die Reduktion auf Totalverweigerer ist insoweit schon eine absichtliche Augenwischerei. Ja, da gibt es Populismus, der nicht gut ist, aber die Scheinheiligkeit auf der anderen Seite, sich nur auf eine falsche Zahl im Detail zu beschränken, und damit ganz klar zu versuchen, von den Problemen im Gesamtzusammenhang abzulenken, ist auch nicht besser. Denn so ein Versuch ist einfach viel zu offensichtlich und befördert das Narrativ von einer verschleiernden und sich dem Thema verweigernden Politik. Denn wie @Hartmut_c879f0 schreibt, geht es doch ganz, ganz vielen Menschen, die keine Populisten und Agitatoren sind, aber im Alltag ständig erleben, wie hilflos der Staat dem Missbrauch des Sozialwesens gegenübersteht. Und da entwickeln sich dann - bis zu einem gewissen Maße mE durchaus nachvollziehbar - sehr ungute Gefühle bei denjenigen, die hart und viel voll sozialversicherungspflichtig arbeiten, ihre Haushaltshilfe sauber angemeldet und den Gärtner ganz offiziell beauftragt haben und massiv ins System einzahlen, wenn sie sehen, bei wem und für was dieses Geld dann in nicht ganz unbedeutendem Maße landet. Wer mit Selbständigen, Pesonalern, … zu tun hat, oder selbst entsprechend tätig ist, und ständig erlebt, was so in welchem Maße tatsächlich los ist, der muss sich bei solchen Streitereien um Zahlen zu Details mehr als auf den Arm genommen vorkommen. Die modi vivendi sind vielfältig aber durchaus bekannt (und leider auch bewährt) und sind alles andere als seltene Einzelfälle angesichts derer man angeblich ach so viele brave Menschen volllkommen zu Unrecht anzählen würde. Und statt da mehr als fadenscheinig, alles zu tun, um ja nicht einem potentiellen eigenen Wähler gegen das Schienbein zu treten, hätte man hier viel für die Wahrnehmung einer „ehrlichen“ Regierungsarbeit tun können, wenn man die falsche Zahl im Detail nur kurz angesprochen, sich dann aber mit dem Gesamtthema beschäftigt hätte.

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Das grundsätzliche Problem ist doch, dass solche Diskussionen mittlerweile schon so faktenfern und emotional (was ja Absicht seitens derer ist, die sie lostreten) geführt werden, dass eine sachlich-inhaltliche Auseinandersetzung kaum noch erfolgt.

Die CDU fischt am rechten Rand, indem sie hunderttausenden von Menschen Faulheit und den Behörden Untätigkeit vorwirft. Vor ein paar Wochen waren es die vielen Ukrainer, die angeblich nicht arbeiten und kurz davor ging es gegen Migranten, die Herrn Merz zu teuer sind.

Dabei handelt es sich um einen strategischen Ansatz, der einer Volkspartei mit großem C im Namen unwürdig ist. Dagegen richtet sich die Kritik, die mit den tatsächlichen Zahlen unterlegt wird und diese Kritik ist richtig und wichtig.

Angesichts der Art und Weise, wie heute bspw. Talkshows produziert und Interviews geführt werden, darf man schon dankbar sein, wenn diese Kritik die Öffentlichkeit überhaupt erreicht. Für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem gesamten Themenkomplex ist in solchen Formaten (leider) kein Platz.

Natürlich gibt es Schwarzarbeit; das wird wohl kaum jemand bestreiten, aber die hat erst einmal nichts mit der maßlosen Übertreibung von Linnemann oder dem Gehetze aus Richtung von CDU und FDP gegen angeblich arbeitsunwillige Ukrainer zu tun.

Aber klar: Schwarzarbeit gehört thematisiert. Aber dann müssen wir direkt auch über die aktive Steuerhinterziehung von Unternehmen und Geldverschwendung bei Behörden reden, weil da ja auch zwölfstellige Beträge verschwinden, die an anderer Stelle fehlen.

Ich glaube aber, dass der wichtigste Aspekt derzeit ist, dass die Union mit populistischen Tricks arbeitet, um der afd Wähler abzuluchsen. Sie greift die gleichen Themen auf, verwendet das gleiche Vokabular, sie arbeitet ebenso mit Lügen und verdrehten Tatsachen und sie hetzt gegen die Schwachen in der Gesellschaft.

Das beschädigt die politische Kultur, vergiftet das gesellschaftliche Klima und gefährdet die Demokratie (weil die Leute, die auf so etwas anspringen, beim Original afd bleiben). Aus dem Grunde finde ich es wichtiger, zunächst mal die Lügen, die Vorgehensweise und die Zielrichtung zu thematisieren und offenzulegen als einen riesigen und vielschichtigen Themenkomplex vollständig aufzuarbeiten und aus allen Blickwinkeln zu beleuchten.

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Und diejenigenm, die auf die Stimmen derjenigen setzen, bei denen sie davon ausgehen, dass die nicht zwingend all ihre Sozialleistungen tatsächlich benötigen/diese nicht zwingend redlich in der ein oder anderen Form in Anspruch nehmen, lenken sofort vom eigentlichen Thema ab, und werfen Nebelkerzen, indem sie sich da möglichst schmalbandig an einer einzelnen Zahl zu einem einzigen Detail festbeißen oder betreiben whataboutism, indem sie ganz, ganz andere Fässer aufmachen. Mir sind Steuerhinterzieher, Subventionsbetrüger, … auch ein massives Dorn im Auge. Aber das ist nun einmal ein anderes Thema. Insoweit bleiben wir doch einfach mal beim Komplex Sozialleistungen, der nicht nur von offenen Totalverweigerern und Schwarzarbeit geprägt ist, sondern auch von Leuten, die schon im Bewerbungsprozess klar erkennen lassen, dass sie nur pro forma erscheinen, um Sanktionen zu vermeiden, die exakt immer dann und so lange arbeiten, bis wieder Ansprüche auf Sozialleistungen bestehen, die es als ihr gutes Recht betrachten, sich bei jeder Kündigung sofort den gelben Schein bis zum letzten Arbeitstag zu besorgen, und dann nicht nur dem AG sondern nach Ende der Lohnfortzahlung auch dem Sozialsystem auf der Tasche liegen, … Das sind inzwischen Massenphänomene (es vergeht kaum eine Woche, in der meine Frau nicht mindestens einen solchen Fall im Hause hat), die einfach nicht tolerabel sind, wenn man unser Sozialsystem noch irgendwie finanzierbar und am Leben erhalten möchte, die aber von gewissen Parteien im Rahmen einer Klientelpolitik schön sauber ausgeblendet werden.

Ich rede nicht nur, sondern mache auch viel im sozialen Bereich, und halte auch nichts von Pauschalverurteilungen und unterschreibe daher bestimmte Aussagen von Herrn Merz ganz sicher nicht. Aber so zu tun, als wäre da grundsätzlich „alles in Ordnung“ und müsse man sich mit dem Thema doch gar nicht beschäftigen, weil das doch „nur ein paar Einzelfälle“ wären, ist genau so falsch und dumm.

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