Catull über poetische Authentizität

Hi zusammen.

In seinem Gedicht (= carmen) 16, 5f. schreibt der römische Poet Catull:

Nam castum esse decet pium poetam
Ipsum, versiculos nihil necesse est.

Eine der möglichen Übersetzungen lautet:

Denn anständig muss ein Dichter sein, seine Verse allerdings nicht.

Was könnte er damit meinen, und hat er, egal wie er es meint, Recht oder ist das nur Ironie, welche eine gegenteilige Meinung überdeckt?

Um den Kontext der Verse herauszufinden, möge jeder den Rest des Gedichts selbst nachlesen.

Chan

Historisch wohl ein Argument für freie Meinung
Hallo Ch’an,

da geht es zunächst um Zensur. Man kann auf diese Weise Argumente gegen die Zensur finden, ohne das Strafrecht als ganzes - gegenüber dem Menschen, also etwa dem poeta/Dichter - in Frage zu stellen.

Gegenargument: Catull ignoriert, dass das Wort auch eine Tat ist oder wenigstens der Mensch sonst irgendwie verantwortlich für seine Worte.

Das spielt aber dann keine Rolle, wenn es statt um blosse moralische Wertmassstäbe um rechtlich durchsetzbare Normen geht, kurz gesagt also nicht um Lob oder Tadel der Verse, sondern um Strafbarkeit.

Gruss,
Mike

Wie ´unanständig´ darf oder sollte Literatur sein?
Hi Mike…

da geht es zunächst um Zensur.

Guter Ansatz, aber würde Zensur nicht auch und vor allem das Geschriebene verurteilen statt den Schreiber? Welchen Sinn hätte es da, dass sich der Dichter vom Inhalt seiner Verse distanziert? Beispiel Ovid: u.a. wegen seiner erotischen Lyrik wurde er auf Befehl von Kaiser Augustus (der vom Massenmörder zum Moralapostel mutiert war) in die Verbannung geschickt. Das war aber ca. 60 Jahre nach dem Erscheinen der „carmina“ (Gedichte) von Catull. Der Fall Ovid gehört zu den ersten historischen Beispielen für Literatur-Zensur und wäre zu Catulls Zeiten undenkbar gewesen.

Catulls Gedichte wurden also nie zensiert - Ausnahme: das ´Carmen 16´, aus dem das Zitat stammt, aber nur für moderne Schulbücher:smile:

Nein, es geht Catull darum, sich gegen die Unterstellung zu wehren, er habe beim Abfassen des ´obszönen´ Gedichts 16 aus eigener Erfahrung geschöpft.

Die Frage aber ist: Wenn das Geschriebene so „unanständig“ ist, dass der Autor von sich weist, mit der Ich-Figur identifiziert zu werden, warum schreibt er es dann überhaupt?

Ok, es handelt sich offensichtlich um ein Spiel, das er mit Lesern treibt - aber meine Frage zielt auf die allgemeine Bedeutung von Catulls Sentenz über den speziellen Kontext hinaus:

Wie weit darf ein Dichter/Autor die moralisch-ethischen Prinzipien, nach denen er selbst und sein Umfeld leben bzw. leben sollten, in seinen geschriebenen Phantasien überschreiten? Und welchen Sinn macht das überhaupt?

Chan

Hi,

Was könnte er damit meinen, und hat er, egal wie er es meint,
Recht oder ist das nur Ironie, welche eine gegenteilige
Meinung überdeckt?

Soweit ich das verstehe, werfen ihn Aureil und Furius vor, das er selbst so „anzüglich“ ist, wie er schreibt.

Ich finde, er hat recht…als Dichter(nicht nur als Dichter), kann ich mir die verrücktesten, perversesten, krankesten etc. Sachen schreiben. Doch sollte ich das, was ich geschrieben habe auch ausleben oder daran halten? Nein…ansonsten wäre ich für viele ein Geisteskranker (im Falle Catulls anscheinend ein Perverser).

Deswegen vermute ich, sagt er auch: „Pedicabo ego vos et irrumabo.“
aus reiner Übtertreibung.

Er sagt über seine Verse selbst, das sie „Witz und Anmut“ haben, wenn sie so anzüglich sind…den weiteren Teil des Satzes verstehe ich leider selbser nicht. =/

Ob Catull nun doch ein Perverser war oder nicht, kann ich nicht sagen. Dafür kenne ich ihn nicht und habe mich sonst nie mit ihm auseinander gesezt.

mfg,

Hanzo

Hallo Ch’an,

den rein künstlerischen, z. B. Zeitvertreib.

Gruss,
Mike

Hallo!

Welchen Sinn
hätte es da, dass sich der Dichter vom Inhalt seiner Verse
distanziert?

Tut er das denn?
Zuerst sagt er, seine Verse sind nicht unbedingt (wie vielleicht der größte Teil der Lesbia-Gedichte) Bruchstücke der berühmten großen Konfession, sondern sind ein Spiel mit literarischen Motiven (hier: das beliebte basia-Motiv).
Dann charakterisiert er die Verse, als seien sie nichts anderes als vergleichsweise die Elaborate der modernen Anakreontiker, die in Filzpantoffeln hinterm warmen Ofen dichten.
Und was schlägt er dann für eine Volte! Bei der Vorstellung, die beiden angesprochenen Leser könnten, weil er (nur) von vieltausend Küssen redet, schlecht über ihn als Mann* denken (male me marem* putatis), packt ihn, den vorgeblich castum pium poetam, die Wut: Ich werd euch!
* Man muss es so übersetzen, muss aber dabei bedenken, dass er nicht „virum“ (Mann) sagt, obwohl das genausogut in den Vers passen würde, sondern den das Geschlecht betonenden Ausdruck „marem“ gebraucht!

Mir scheint, in dieser Entwicklung - ein Gedicht, das von Anfang bis Ende das Motiv nur umkreist und nicht vom Fleck käme, wäre ein schlechtes! - liegt die Ironie und der Witz dieser Verse. Denn authentisch ist Catull vor allem in Einem: in seiner satirischen Aggressivität.

Beispiel Ovid: u.a.

unter was bitte sonst noch?

wegen seiner erotischen Lyrik
wurde er auf Befehl von Kaiser Augustus (der vom Massenmörder
zum Moralapostel mutiert war) in die Verbannung geschickt.

So ausgemacht ist das nicht. Ich halte es mit der Erklärung, dass Ovid damals schon aus den Metamorphosen öffentlich vorlas und dass des Augustus allerhöchstes Missfallen erregt wurde durch die Abfolge der Weltalter dort, nämlich vom goldenen übers silberne und eherne hinab zum kriegerischen eisernen; wo doch des Prinzeps Hofsänger (Horaz, Vergil als die bedeutendsten) in das Lied vom neuen friedlichen goldenen Zeitalter einzustimmen hatten.
(Man schaue nur, wie sich Horaz windet und wendet, um eine Ausrede zu erfinden, warum er kein nationales Epos schreibt.)

Das
war aber ca. 60 Jahre nach dem Erscheinen der „carmina“
(Gedichte) von Catull. Der Fall Ovid gehört zu den ersten
historischen Beispielen für Literatur-Zensur

O nein! Als 206 v. Chr. der Komödiendichter Gnaeus Naevius die Wahl des Quintus Caecilius Metellus mit der Sottise kommentierte „Fato Metelli Romae fiunt consules“ („Schicksalhaft werden die Meteller in Rom Konsuln“), da antwortete dessen Sippschaft mit der öffentlich angeschlagenen Drohung „Malum dabunt Metelli Naevio poetae“ („Böse heimzahlen werden die Meteller dem Dichterling Naevius“). Und das konnten sie, weil die Rechtslage, seit es ein römisches Recht gab, für sie sprach: Das Zwölftafelgesetz verbot mala carmina, und Naevius wurde verhaftet. Er kam wieder frei - nachdem er in seinen Komödien („Ariolus“ und " Leon") widerufen hatte! (Was vielleicht nicht ganz gesichert ist.)

und wäre zu
Catulls Zeiten undenkbar gewesen.

Die Zwölftafelgesetze galten weiter. Vielleicht steht ja der im Gedicht dargestellte Gegensatz zwischen dem castus pius poeta und den lockeren Versen in der Tradition entsprechender Rechtfertigungsversuche?

Catulls Gedichte wurden also nie zensiert - Ausnahme: das
´Carmen 16´, aus dem das Zitat stammt, aber nur für moderne
Schulbücher:smile:

Als ob Bearbeitungen ad usum Delphini nicht immer schon gang und gäbe gewesen wären?

Nein, es geht Catull darum, sich gegen die Unterstellung zu
wehren, er habe beim Abfassen des ´obszönen´ Gedichts 16 aus
eigener Erfahrung geschöpft.

Woher weißt du das?

Die Frage aber ist: Wenn das Geschriebene so „unanständig“
ist, dass der Autor von sich weist, mit der Ich-Figur
identifiziert zu werden, warum schreibt er es dann überhaupt?

Komische Fragestellung angesicht der - doch mit EGO ganz betont in der ersten Person stehenden - ersten und der letzten Zeile des Gedicht., die außerdem über den Inhalt des Gedichts hinausgehen und/aber die Rezipienten einbeziehen.

Wie weit darf ein Dichter/Autor die moralisch-ethischen
Prinzipien, nach denen er selbst und sein Umfeld leben bzw.
leben sollten, in seinen geschriebenen Phantasien
überschreiten? Und welchen Sinn macht das überhaupt?

Welchen Sinn macht eine solche Fragestellung in unserer Zeit, in der Fiktionalität die Charakterisierung für den größten Teil unserer literarischen Produktion ist? Was darf da nicht sein? Wo haben wir das Verbot von mala carmina?

Vielleicht verstehe ich dich in etwas falsch. Dann präzisiere es mir bitte.

Mit freundlichen Grüßen!
H.

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Hi Hannes.

Welchen Sinn hätte es da, dass sich der Dichter vom Inhalt seiner Verse distanziert?

Tut er das denn?

In dem Sinne, dass er bestreitet, dass das lyrische Ich mit seinem, Catulls, Ich identisch ist, tut er das sicher, aber auf seine eigene, d.h. sympathische und sehr ironische Weise natürlich. Die in Carmen 16 Angesprochenen unterstellen ihm ja, die Erlebnisse, die er z.B. in Carmen 5 dichterisch schildert, aus eigener Erfahrung zu schöpfen. Nun wäre an sich nichts auch nur im Ansatz Verwerfliches daran, ein Mädchen mit einer dreistelligen Anzahl von Küssen zu bedecken, allerdings kollidiert das klar mit Catulls epikureischer Einstellung, welche Leidenschaftslosigkeit auf die Fahnen schreibt und Liebe als etwas Sinnloses ansieht, da sie doch nur im Schmerz enden kann. Außerdem hat man ihm Mangel an Männlichkeit vorgeworfen, da das Ich der Kussgedichte allzu zärtlich mit dem Mädchen umgeht – bekanntlich hatten die Römer in Sachen Sex mit Frauen eine (modern gesagt) machohafte und betont unzärtliche Auffassung, die z.B. den Cunnilingus als eines Mannes unwürdig verpönte. Zwischenmenschliche Gefühle spielten bei Eheschließungen keine Rolle, die Töchter wurden ohne Mitspracherecht vom Vater im Alter zwischen 11 und 15 an denjenigen Mann bzw. Jüngling verheiratet, der aus finanziellen oder politischen Motiven als gute Partie erschien.

Um den Widerspruch zwischen Epikureismus und zärtlicher Leidenschaft zu überdecken, stellt Catull seine Liebesgedichte also als fiktiv dar. In diesem Sinne ´distanziert´ er sich, meine ich.

Und was schlägt er dann für eine Volte! Bei der Vorstellung, die beiden angesprochenen Leser könnten, weil er (nur) von vieltausend Küssen redet, schlecht über ihn als Mann* denken (male me marem* putatis), packt ihn, den vorgeblich castum pium poetam, die Wut: Ich werd euch!

Seine Strategie, sich gegen die Unterstellung der „Freunde“ zu verwahren, also die von dir sogenannte Volte, bedient sich in Carmen 16 der ironischen Paradoxie analog zu dem Muster von „Ich knall euch gleich eine, weil ihr bezweifelt, dass ich ein friedlicher Mensch bin“. Wäre Catull wirklich „wütend“, dann hätte er natürlich anders reagiert. Aber das siehst du ja auch so:

Mir scheint, in dieser Entwicklung - ein Gedicht, das von Anfang bis Ende das Motiv nur umkreist und nicht vom Fleck käme, wäre ein schlechtes! - liegt die Ironie und der Witz dieser Verse. Denn authentisch ist Catull vor allem in Einem: in seiner satirischen Aggressivität.

Beispiel Ovid: u.a.

unter was bitte sonst noch?

Es wird, auch aufgrund einer Andeutung von Ovid, vermutet, dass die Verbannung auch mit einer Mitwisserschaft Ovids über einen Ehebruch von Augustus´ Frau Livia zusammenhängt oder gar mit einer Affäre, die Ovid mit Iulia hatte. Wichtiger noch könnte Ovids Sympathien für Iulias Sohn Gaius Caesar sein, der im Spiel um die Nachfolge des Augustus keine schlechten Karten hatte, wogegen vor allem Livia ihren Sohn Tiberius favorisierte.

wegen seiner erotischen Lyrik wurde er auf Befehl von Kaiser Augustus (der vom Massenmörder zum Moralapostel mutiert war) in die Verbannung geschickt.

Ich halte es mit der Erklärung, dass Ovid damals schon aus den Metamorphosen öffentlich vorlas und dass des Augustus allerhöchstes Missfallen erregt wurde durch die Abfolge der Weltalter dort, nämlich vom goldenen übers silberne und eherne hinab zum kriegerischen eisernen; wo doch des Prinzeps Hofsänger (Horaz, Vergil als die bedeutendsten) in das Lied vom neuen friedlichen goldenen Zeitalter einzustimmen hatten.

Diese Erklärung ist mir neu, aber danke für den Hinweis.

Der Fall Ovid gehört zu den ersten historischen Beispielen für Literatur-Zensur.

O nein! Als 206 v. Chr. der Komödiendichter Gnaeus Naevius die Wahl des Quintus Caecilius Metellus mit der Sottise kommentierte „Fato Metelli Romae fiunt consules“ („Schicksalhaft werden die Meteller in Rom Konsuln“), da antwortete dessen Sippschaft mit der öffentlich angeschlagenen Drohung „Malum dabunt Metelli Naevio poetae“ („Böse heimzahlen werden die Meteller dem Dichterling Naevius“).

Ich schrieb ja: „zu den ersten…“, was deinem Hinweis nicht widerspricht. Nun ist jene Begebenheit bei Historikern aber nicht ganz unbestritten (Harold B. Mattingly hält sie für erfunden). Darüber hinaus wäre, die Historizität mal gegeben, Naevius´ Verhalten ein dezidiert politischer Akt gegen eine mächtige Familie (die Meteller), was in jenen Zeiten sehr leicht ungenehme Folgen haben konnte. Bekanntlich ließ Caesar Cato d.J. einmal ins Gefängnis werfen, bloß weil dieser, um eine Abstimmung zu verzögern, eine endlose Rede im Senat hielt. Unter „Literaturzensur“ würde ich den Fall Naevius also auf keinen Fall einordnen.

Nein, es geht Catull darum, sich gegen die Unterstellung zu wehren, er habe beim Abfassen des ´obszönen´ Gedichts 16 aus eigener Erfahrung geschöpft.

Woher weißt du das?

Sorry, ich meinte die Carmina 5 und 7.

Die Frage aber ist: Wenn das Geschriebene so „unanständig“ ist, dass der Autor von sich weist, mit der Ich-Figur identifiziert zu werden, warum schreibt er es dann überhaupt?

Komische Fragestellung angesicht der - doch mit EGO ganz betont in der ersten Person stehenden - ersten und der letzten Zeile des Gedicht., die außerdem über den Inhalt des Gedichts hinausgehen und/aber die Rezipienten einbeziehen.

Wie gesagt, das bezieht sich auf jene Gedichte, die den Anlass für Unterstellungen der „Sittenwidrigkeit“ sowie (als Reaktion darauf) für das Carmen 16 darstellen. Meine Frage meint also: Warum hat Catull die „unanständigen“ Gedichte 5 und 7 geschrieben? Ich glaube nicht, dass in der Forschung darüber Klarheit besteht. Ich vermute, sie entspringen eigener Erfahrung, Catull aber behauptet (ebenso ironisch wie unglaubwürdig), es seien ja nur Verse, die, im Unterschied zum Dichter, zügellos sein dürfen.

Wie weit darf ein Dichter/Autor die moralisch-ethischen Prinzipien, nach denen er selbst und sein Umfeld leben bzw. leben sollten, in seinen geschriebenen Phantasien überschreiten? Und welchen Sinn macht das überhaupt?

Welchen Sinn macht eine solche Fragestellung in unserer Zeit, in der Fiktionalität die Charakterisierung für den größten Teil unserer literarischen Produktion ist? Was darf da nicht sein?

To be frankly: ich hatte kürzlich in einem professionellen Filmforum eine deutschlandweite Debatte über ein juristisch heikles pornografisches Thema angestoßen, wie es sie in einem Internet-Fachforum an Umfang, Qualität und Intensität vermutlich noch nie gegeben hat. Auf Details will ich hier nicht eingehen, da das www ein relativ öffentliches Forum ist im Unterschied zu jenem anderen, und da das Thema dermaßen kontrovers und ´heiß´ ist, dass ich eine Diskussion im www vermeiden möchte.

Es gibt also zweifellos noch Grauzonen und unbetretenes Land in Sachen Kunst und Freiheit. Was darf Kunst, was darf sie nicht? Oder, aus anderer Perspektive: Was soll Kunst? D.h. Wie weit ist sie verpflichet zu gehen, um ihrem Anspruch gerecht zu werden (welcher immer das auch sein mag)?

Aktuelles Beispiel für neue Grenzsetzungen ist unzweifelhaft die TV-Serie „Spartacus“, die in pornografischer und gewaltmäßiger Hinsicht die Hemmschwelle für entsprechende Darstellungen im TV deutlich heraufgesetzt hat.

Vielleicht verstehe ich dich in etwas falsch. Dann präzisiere es mir bitte.

Welchen Sinn haben Darstellungen von Sex und Gewalt in künstlerischen Medien über den Unterhaltungswert hinaus? Es geht mir um den „künstlerischen“ Sinn solcher Darstellungen. Unter welchen Bedingungen sind sie, über das Unterhaltsame hinaus, künstlerisch und damit kulturell ´wertvoll´?

Chan

Kleine Korrektur

Aktuelles Beispiel für neue Grenzsetzungen ist unzweifelhaft
die TV-Serie „Spartacus“, die in pornografischer und
gewaltmäßiger Hinsicht die Hemmschwelle für entsprechende
Darstellungen im TV deutlich heraufgesetzt hat.

Ich meine natürlich: herabgesetzt hat.

Hi Hanzo.

Ich finde, er hat recht…als Dichter(nicht nur als Dichter),
kann ich mir die verrücktesten, perversesten, krankesten etc.
Sachen schreiben.

Schreiben ja, aber auch veröffentlichen? Darum geht es ja. Bekanntlich gibt es moralische und vor allem juristische Grenzen für Darstellungen in Literatur und Film. Die Frage ist also (wie ich auch Hannes schrieb): Wo liegen diese Grenzen, insoweit sie das Unverantwortbare vom Verantwortbaren trennen? Ist das Amoralische (bzw. das der konventionellen Moral Widersprechende) ein notwendiges Thema in Literatur und Film? Hat Kunst die Pflicht, die Grenzen der Moral zu erweitern? Usw. usf.

Im Keim scheint mir das doch in Catulls Sentenz drinzustecken: Wenn Sittsamkeit für Dichtung nicht verbindlich ist, folgt daraus nicht indirekt (wenn auch nicht zwingend), dass Sittenlosigkeit (bwz. die Ausweitung sittlicher Grenzen) zur Natur der Dichtung gehört?

Doch sollte ich das, was ich geschrieben
habe auch ausleben oder daran halten? Nein…ansonsten wäre
ich für viele ein Geisteskranker (im Falle Catulls anscheinend
ein Perverser).

Man wirft ihm nicht Perversität vor, sondern Unmännlichkeit im Sinne einer den Sitten der Römer widersprechenden Leidenschaftlichkeit.

Chan

Frage der Medien
Hallo Ch’an,

hier stellst Du eine neue Frage:
nicht die Frage, was gedichtet wird, sondern durch welches Megaphon es in die Welt hinausgebrüllt wird.

Ich würde sehr zögern, hier dem Dichter Schuld zu geben, hingegen über die Frage nachsinnen, wer und wann und wie publizieren darf.

Gruss,
Mike

Guten Abend!

Zur Naevius-Episode: Schwach belegt ist lediglich die Sache mit dem Widerruf. Die beiden Saturnier (einer von Naevius, der andere von den Metellern) sehe ich nicht in Frage gestellt.
Wenn du von Catull behauptest, er sei eines der ersten Opfer der Zensur, und wenn man auf die Lebenszeiten schaut, dann möchte mir deine Behauptung angesichts der Zeitdifferenz doch etwas fragwürdig erscheinen.

allerdings
kollidiert das klar mit Catulls epikureischer Einstellung,
welche Leidenschaftslosigkeit auf die Fahnen schreibt

Könntest du das bitte präzisieren und diese vor allem belegen? Dann reden wir weiter.

Schönen Gruß!
H.