Charascho vs. dobre

Liebe Philologoi,

vor kurzem hat mir ein LKW-Fahrer mein erstes Wort Ukrainisch beigebracht. Er war relativ spät am Freitagnachmittag gekommen und mit Abladen fertig, als am Empfang bereits niemand mehr war. Ich machte mich grade auch auf den Heimweg und sah ihn ziemlich ratlos neben der Waage mit dem leeren LKW drauf stehen, nahm ihn dann (gestisch) bei der Hand und zeigte ihm, wo er die Kollegen von der Spätschicht in der Produktion fand, die ihm seine Wiegezettel geben, seinen CRM-Frachtbrief bestätigen und seine Probe abnehmen konnten. Wir haben uns mit Gesten verständigt, aber die Situation war für mich peinlich und ein wenig angespannt, weil es buchstäblich kein einziges Wort einer gemeinsamen Sprache gab, mit dem wir uns hätten verständigen können. Um die Sache ein wenig zu entspannen, sagte ich zu ihm mit entsprechender Geste, als alles soweit in Ordnung war: „Charascho!“ - Er zuckte zusammen, als hätte ich ein Springmesser gezückt, begriff dann aber sofort, nahm mich mit der Linken freundschaftlich beim Arm, hob den Zeigefinger der Rechten in der Art eines altmodischen Grundschullehrers und sagte lächelnd: „Ne charascho - dobre!“ Im selben Moment fiel mir dann ein, dass es das Wort dobré, dobre, dobry, dobro usw. in fast allen, wenn nicht allen slawischen Sprachen außer eben dem Russischen gibt.

Und über diesen weiten Bogen zu meiner Frage: Welche etymologische Erklärung gibt es dafür, dass bei aller Ähnlichkeit der slawischen Sprachen untereinander das Russische bei diesem ganz banalen und konkreten Alltagswörtlein mit charascho einen Sonderweg geht?

Für Aufklärung dankt

MM

Ist das denn so?
Ich meine, dass „dobre djen“ (man verzeihe die Schreibweise) „guten Tag“ heißt.

Vom sprachlichen Aspekt mal abgesehen könnte das Nicht(-Mehr)-Verwenden der russischen Sprache (u.a. seitens des LKW-Fahrers) auch soziale Gründe haben

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ist so.

Aber „gut“ für sich alleine heißt halt charascho.

Das hab ich nicht aus einem Lexikon abgeschrieben - als es meinen russischen Kollegen Sascha (der sich beiläufig mit den beiden Ukrainern glänzend versteht) kreislauftechnisch zusammengefaltet hatte und ich ihn betreute, war das das erste, was er zu seiner Frau am Händie sagte, als er wieder soweit beieinander war.

Schöne Grüße

MM

Soweit ich mich an meinen Russischunterricht erinnern kann, verwendet man dobrui als „gut“ im Sinne von „vom Herzen kommend“. Zum Beispiel in „guten Tag“ (ich wünsche Dir einen guten Tag), „guten Abend“, „alles Gute!“ und so weiter.

Charascho wird im Sinne von „gute Qualität“ benutzt. Zum Beispiel in „ich spreche gut Russisch“, „ich spreche nicht gut italienisch“.

Wenn man im Deutschen jemandem „gut!“ zuruft, hat das meist die Bedeutung von „das hast Du gemacht“ oder „es ist fertig“, oder „das ist o.k.“ oder eben „das hat eine hohe Qualität“. Und da verwendet man im Russischen charascho!

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sicher - und er brachte keinen Weizen, sondern Leinschrot, d.h. da gibt es auch regionale Zusammenhänge und er stammte wohl eher aus der Gegend zwischen Lwiw und Uman, wo die sprachliche Identität viel deutlicher ist als im Donbass. Aber spontan verstand er natürlich beides, wie vermutlich so gut wie alle Ukrainer - als Stuttgarter versteht man ja normalerweise auch Auricher Platt. Dass man Russisch spontan als bedrohlich empfindet, ist erst seit der „Spezialaktion“ von König Ras-putin so geworden.

Schöne Grüße

MM

Es war wohl eher der Überraschungsfaktor, wenn jemand Fremdes ukrainisch / russisch /… spricht.
Im Ukrainischen gibt es (in Anlehnung an Posting #5) für „in Ordnung“ das Wort „Гаразд.“ (sprich: charasd), also fast analog zum Russischen „Хорошо.“ (sprich: charascho)

Das ist interessant, und darum geht es mir vor allem - mir schien, das russische charascho hätte keine Verwandtschaft in den insgesamt untereinander sehr ähnlichen slawischen Sprachen.

Für die Bewohner der so genannten „DDR“ war es das auch, wenn man von ein paar rotlichtbestrahlten 300%-igen absah.
Die Sprache zwangsweise lernen zu müssen, war für die meisten eine Qual (für mich auch, trotz Endnote 1) , sie und alles was aus der Sowjetunion (pars pro toto: von den Russen) kam, war verhasst bis zum Anschlag.

erstens war der Staat nicht nur „so genannt“.

Zweitens solltest Du nicht von Dir pauschal auf alle anderen Millionen schließen.

ich schrieb „die meisten“, wwas nicht alle sind.
Und der Staat war keine Republik, und schon gar nicht demokratisch.

Äächt getz?

Folgten denn in der Monarchie DDR die Dynastien derer von Ulbricht, derer von Honecker und derer von und zu Krenz unmittelbar nacheinander mit nur jeweils einer Generation in Ermangelung eines Thronfolgers?

Schöne Grüße

MM

Nun tu mal nicht so.
Die „DDR“ war de facto eine Kolonie der UdSSR und hatte allerhöchstens innenpolitisch

Servus,

der Begriff Republik (und beiläufig auch der der Souveränität, den Du jetzt ganz plötzlich ins Spiel bringst) wird je nach Zusammenhang und auch je nach dem, wer ihn benutzt, recht verschieden definiert. Eine Art gemeinsamen Nenner bildet nur die Definition ex negativo: Eine Republik ist ein Staatswesen, das ohne Monarchen und Aristokraten funktioniert.

Im Sinn dieser Definition war die DDR durchaus eine Republik.

  • Dass es beiläufig auch für den Begriff der Demokratie verschiedene Definitionen gibt und der bürgerlich-idealistische Begriff nicht der einzige existente ist, hast Du in der DDR wesentlich fundierter gelernt als ich in Trizonesien, das überlasse ich gerne Dir.

Schöne Grüße

MM

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